Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht übersehen werden; auch versteht sich von selbst, daß selbst
eine gut eingerichtete Landwehr doch nur in Verbindung mit
einem stehenden Heere (sei es nun daß die junge Mannschaft
zur Ausbildung durch dieses gehe, sei es daß wenigstens die
Landwehr sich an dasselbe enge anschließe,) allen Forderungen
der Kriegskunst entspricht. Nicht also als die an sich beste,
sondern nur als die unter Umständen allein anwendbare Ein-
richtung der streitbaren Macht kann daher Landwehr empfohlen
werden 4).

Ein stehendes Heer entspricht vollkommen dem Grund-
satze der Arbeitstheilung; es macht eine vollständige Ausbildung
jedes einzelnen Bestandtheiles möglich; gestattet das Bestehen
eines eigenen Anführerstandes, welcher mit dem Waffenwerke
in allen seinen Beziehungen vollständig vertraut ist und das-
selbe ausschließlich und gewerbmäßig treibt; es bedarf einer
weit kleineren Anzahl so vollständig Geübter und gestattet daher
eine weit größere Schonung der bürgerlichen Interessen und
Fortschritte; eine bewaffnete Macht dieser Art ist in jedem
Augenblicke, zu jeder Art von Dienstleistung und überallhin
verwendbar. Dagegen ist nicht zu läugnen, daß der Aufwand
für die Unterhaltung so vieler, jeder Arbeit entrückter Männer
sehr kostspielig ist und zur unerträglichen Last werden kann;
daß ein an blinden Gehorsam gewöhntes und beständig ver-
fügbares Heer vom Staatsoberhaupte auch zur Verletzung der
Gesetze und zur Unterdrückung der Freiheit gebraucht werden
mag; daß stehende Truppen ehrgeizigen Regierungen die Mög-
lichkeit unnöthiger Kriege und ungerechter Eroberungen gewähren;
daß eine unbeschäftigte und nach Auszeichnung und Gewinn
verlangende bewaffnete Macht gefährlich für den inneren Frieden
und für die Freiheit der Beschlüsse des Staatsoberhauptes sein
kann. Obgleich also ohne allen Zweifel eine sehr zweckmäßige
Anstalt zur Vertheidigung, sind doch die stehenden Heere zu

nicht überſehen werden; auch verſteht ſich von ſelbſt, daß ſelbſt
eine gut eingerichtete Landwehr doch nur in Verbindung mit
einem ſtehenden Heere (ſei es nun daß die junge Mannſchaft
zur Ausbildung durch dieſes gehe, ſei es daß wenigſtens die
Landwehr ſich an daſſelbe enge anſchließe,) allen Forderungen
der Kriegskunſt entſpricht. Nicht alſo als die an ſich beſte,
ſondern nur als die unter Umſtänden allein anwendbare Ein-
richtung der ſtreitbaren Macht kann daher Landwehr empfohlen
werden 4).

Ein ſtehendes Heer entſpricht vollkommen dem Grund-
ſatze der Arbeitstheilung; es macht eine vollſtändige Ausbildung
jedes einzelnen Beſtandtheiles möglich; geſtattet das Beſtehen
eines eigenen Anführerſtandes, welcher mit dem Waffenwerke
in allen ſeinen Beziehungen vollſtändig vertraut iſt und das-
ſelbe ausſchließlich und gewerbmäßig treibt; es bedarf einer
weit kleineren Anzahl ſo vollſtändig Geübter und geſtattet daher
eine weit größere Schonung der bürgerlichen Intereſſen und
Fortſchritte; eine bewaffnete Macht dieſer Art iſt in jedem
Augenblicke, zu jeder Art von Dienſtleiſtung und überallhin
verwendbar. Dagegen iſt nicht zu läugnen, daß der Aufwand
für die Unterhaltung ſo vieler, jeder Arbeit entrückter Männer
ſehr koſtſpielig iſt und zur unerträglichen Laſt werden kann;
daß ein an blinden Gehorſam gewöhntes und beſtändig ver-
fügbares Heer vom Staatsoberhaupte auch zur Verletzung der
Geſetze und zur Unterdrückung der Freiheit gebraucht werden
mag; daß ſtehende Truppen ehrgeizigen Regierungen die Mög-
lichkeit unnöthiger Kriege und ungerechter Eroberungen gewähren;
daß eine unbeſchäftigte und nach Auszeichnung und Gewinn
verlangende bewaffnete Macht gefährlich für den inneren Frieden
und für die Freiheit der Beſchlüſſe des Staatsoberhauptes ſein
kann. Obgleich alſo ohne allen Zweifel eine ſehr zweckmäßige
Anſtalt zur Vertheidigung, ſind doch die ſtehenden Heere zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0702" n="688"/>
nicht über&#x017F;ehen werden; auch ver&#x017F;teht &#x017F;ich von &#x017F;elb&#x017F;t, daß &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
eine gut eingerichtete Landwehr doch nur in Verbindung mit<lb/>
einem &#x017F;tehenden Heere (&#x017F;ei es nun daß die junge Mann&#x017F;chaft<lb/>
zur Ausbildung durch die&#x017F;es gehe, &#x017F;ei es daß wenig&#x017F;tens die<lb/>
Landwehr &#x017F;ich an da&#x017F;&#x017F;elbe enge an&#x017F;chließe,) allen Forderungen<lb/>
der Kriegskun&#x017F;t ent&#x017F;pricht. Nicht al&#x017F;o als die an &#x017F;ich be&#x017F;te,<lb/>
&#x017F;ondern nur als die unter Um&#x017F;tänden allein anwendbare Ein-<lb/>
richtung der &#x017F;treitbaren Macht kann daher Landwehr empfohlen<lb/>
werden <hi rendition="#sup">4</hi>).</p><lb/>
                <p>Ein <hi rendition="#g">&#x017F;tehendes Heer</hi> ent&#x017F;pricht vollkommen dem Grund-<lb/>
&#x017F;atze der Arbeitstheilung; es macht eine voll&#x017F;tändige Ausbildung<lb/>
jedes einzelnen Be&#x017F;tandtheiles möglich; ge&#x017F;tattet das Be&#x017F;tehen<lb/>
eines eigenen Anführer&#x017F;tandes, welcher mit dem Waffenwerke<lb/>
in allen &#x017F;einen Beziehungen voll&#x017F;tändig vertraut i&#x017F;t und das-<lb/>
&#x017F;elbe aus&#x017F;chließlich und gewerbmäßig treibt; es bedarf einer<lb/>
weit kleineren Anzahl &#x017F;o voll&#x017F;tändig Geübter und ge&#x017F;tattet daher<lb/>
eine weit größere Schonung der bürgerlichen Intere&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
Fort&#x017F;chritte; eine bewaffnete Macht die&#x017F;er Art i&#x017F;t in jedem<lb/>
Augenblicke, zu jeder Art von Dien&#x017F;tlei&#x017F;tung und überallhin<lb/>
verwendbar. Dagegen i&#x017F;t nicht zu läugnen, daß der Aufwand<lb/>
für die Unterhaltung &#x017F;o vieler, jeder Arbeit entrückter Männer<lb/>
&#x017F;ehr ko&#x017F;t&#x017F;pielig i&#x017F;t und zur unerträglichen La&#x017F;t werden kann;<lb/>
daß ein an blinden Gehor&#x017F;am gewöhntes und be&#x017F;tändig ver-<lb/>
fügbares Heer vom Staatsoberhaupte auch zur Verletzung der<lb/>
Ge&#x017F;etze und zur Unterdrückung der Freiheit gebraucht werden<lb/>
mag; daß &#x017F;tehende Truppen ehrgeizigen Regierungen die Mög-<lb/>
lichkeit unnöthiger Kriege und ungerechter Eroberungen gewähren;<lb/>
daß eine unbe&#x017F;chäftigte und nach Auszeichnung und Gewinn<lb/>
verlangende bewaffnete Macht gefährlich für den inneren Frieden<lb/>
und für die Freiheit der Be&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e des Staatsoberhauptes &#x017F;ein<lb/>
kann. Obgleich al&#x017F;o ohne allen Zweifel eine &#x017F;ehr zweckmäßige<lb/>
An&#x017F;talt zur Vertheidigung, &#x017F;ind doch die &#x017F;tehenden Heere zu<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[688/0702] nicht überſehen werden; auch verſteht ſich von ſelbſt, daß ſelbſt eine gut eingerichtete Landwehr doch nur in Verbindung mit einem ſtehenden Heere (ſei es nun daß die junge Mannſchaft zur Ausbildung durch dieſes gehe, ſei es daß wenigſtens die Landwehr ſich an daſſelbe enge anſchließe,) allen Forderungen der Kriegskunſt entſpricht. Nicht alſo als die an ſich beſte, ſondern nur als die unter Umſtänden allein anwendbare Ein- richtung der ſtreitbaren Macht kann daher Landwehr empfohlen werden 4). Ein ſtehendes Heer entſpricht vollkommen dem Grund- ſatze der Arbeitstheilung; es macht eine vollſtändige Ausbildung jedes einzelnen Beſtandtheiles möglich; geſtattet das Beſtehen eines eigenen Anführerſtandes, welcher mit dem Waffenwerke in allen ſeinen Beziehungen vollſtändig vertraut iſt und das- ſelbe ausſchließlich und gewerbmäßig treibt; es bedarf einer weit kleineren Anzahl ſo vollſtändig Geübter und geſtattet daher eine weit größere Schonung der bürgerlichen Intereſſen und Fortſchritte; eine bewaffnete Macht dieſer Art iſt in jedem Augenblicke, zu jeder Art von Dienſtleiſtung und überallhin verwendbar. Dagegen iſt nicht zu läugnen, daß der Aufwand für die Unterhaltung ſo vieler, jeder Arbeit entrückter Männer ſehr koſtſpielig iſt und zur unerträglichen Laſt werden kann; daß ein an blinden Gehorſam gewöhntes und beſtändig ver- fügbares Heer vom Staatsoberhaupte auch zur Verletzung der Geſetze und zur Unterdrückung der Freiheit gebraucht werden mag; daß ſtehende Truppen ehrgeizigen Regierungen die Mög- lichkeit unnöthiger Kriege und ungerechter Eroberungen gewähren; daß eine unbeſchäftigte und nach Auszeichnung und Gewinn verlangende bewaffnete Macht gefährlich für den inneren Frieden und für die Freiheit der Beſchlüſſe des Staatsoberhauptes ſein kann. Obgleich alſo ohne allen Zweifel eine ſehr zweckmäßige Anſtalt zur Vertheidigung, ſind doch die ſtehenden Heere zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/702
Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 688. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/702>, abgerufen am 17.05.2024.