Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.von tüchtigen Männern aller Art ist, was denn nament- lich bei solchen Regierungsformen sehr in Betracht kommt, welche eine besonders große Menge von Talenten erfor- dert, wie dies bei allen freieren Verfassungen der Fall ist, also in Volksherrschaften und in Staaten mit Ständever- sammlungen. Auch mag das nur bei einer zahlreichen Bevölkerung bedeutende Gewicht der öffentlichen Meinung als ein Vortheil betrachtet werden. Nachtheilig dagegen ist eine große Bevölkerung deshalb, weil die unter Vielen entstehenden Bedürfnisse und Forderungen die Oberauf- sicht der höchsten Behörden über so zahlreiche Geschäfte sehr erschweren, und auch die Gesetzgebung den hier entstehen- den vielfachen Verhältnissen schwer nachkommen kann. Mit einer bestimmten Staatsform, nämlich der reinen Demo- kratie, ist eine bedeutende Bevölkerung sogar völlig unver- träglich. Da übrigens diese Nachtheile in der Regel theils durch Einräumung einer ausgedehnteren Selbstregierung der untergeordneten Gebietstheile, theils durch Preßfreiheit zum großen Theile abgeholfen werden können; die Ein- führung einer reinen Volksherrschaft aber nur selten ein Wunsch und eine Möglichkeit, noch seltener ein Glück ist: so mag eine absolut große Bevölkerung immerhin im Wesentlichen als ein Vortheil bezeichnet werden. b. Die relative Größe einer Bevölkerung hat sehr ver- schiedene Folgen, je nachdem eine Uebervölkerung, eine zu geringe Bevölkerung, oder endlich eine zu den sicheren Nahrungsquellen in richtigem Verhältniß stehende Men- schenzahl vorhanden ist. Bei einer dünne über eine weite Oberfläche ausgebreiteten Bevölkerung ist einer Seits, wenn nicht allzu ungünstige Verhältnisse obwalten, große Leich- tigkeit für Erwerbung der nothwendigsten Bedürfnisse sowie von Grundeigenthum vorhanden. Auf der andern Seite von tüchtigen Männern aller Art iſt, was denn nament- lich bei ſolchen Regierungsformen ſehr in Betracht kommt, welche eine beſonders große Menge von Talenten erfor- dert, wie dies bei allen freieren Verfaſſungen der Fall iſt, alſo in Volksherrſchaften und in Staaten mit Ständever- ſammlungen. Auch mag das nur bei einer zahlreichen Bevölkerung bedeutende Gewicht der öffentlichen Meinung als ein Vortheil betrachtet werden. Nachtheilig dagegen iſt eine große Bevölkerung deshalb, weil die unter Vielen entſtehenden Bedürfniſſe und Forderungen die Oberauf- ſicht der höchſten Behörden über ſo zahlreiche Geſchäfte ſehr erſchweren, und auch die Geſetzgebung den hier entſtehen- den vielfachen Verhältniſſen ſchwer nachkommen kann. Mit einer beſtimmten Staatsform, nämlich der reinen Demo- kratie, iſt eine bedeutende Bevölkerung ſogar völlig unver- träglich. Da übrigens dieſe Nachtheile in der Regel theils durch Einräumung einer ausgedehnteren Selbſtregierung der untergeordneten Gebietstheile, theils durch Preßfreiheit zum großen Theile abgeholfen werden können; die Ein- führung einer reinen Volksherrſchaft aber nur ſelten ein Wunſch und eine Möglichkeit, noch ſeltener ein Glück iſt: ſo mag eine abſolut große Bevölkerung immerhin im Weſentlichen als ein Vortheil bezeichnet werden. b. Die relative Größe einer Bevölkerung hat ſehr ver- ſchiedene Folgen, je nachdem eine Uebervölkerung, eine zu geringe Bevölkerung, oder endlich eine zu den ſicheren Nahrungsquellen in richtigem Verhältniß ſtehende Men- ſchenzahl vorhanden iſt. Bei einer dünne über eine weite Oberfläche ausgebreiteten Bevölkerung iſt einer Seits, wenn nicht allzu ungünſtige Verhältniſſe obwalten, große Leich- tigkeit für Erwerbung der nothwendigſten Bedürfniſſe ſowie von Grundeigenthum vorhanden. 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von tüchtigen Männern aller Art iſt, was denn nament-
lich bei ſolchen Regierungsformen ſehr in Betracht kommt,
welche eine beſonders große Menge von Talenten erfor-
dert, wie dies bei allen freieren Verfaſſungen der Fall iſt,
alſo in Volksherrſchaften und in Staaten mit Ständever-
ſammlungen. Auch mag das nur bei einer zahlreichen
Bevölkerung bedeutende Gewicht der öffentlichen Meinung
als ein Vortheil betrachtet werden. Nachtheilig dagegen
iſt eine große Bevölkerung deshalb, weil die unter Vielen
entſtehenden Bedürfniſſe und Forderungen die Oberauf-
ſicht der höchſten Behörden über ſo zahlreiche Geſchäfte ſehr
erſchweren, und auch die Geſetzgebung den hier entſtehen-
den vielfachen Verhältniſſen ſchwer nachkommen kann. Mit
einer beſtimmten Staatsform, nämlich der reinen Demo-
kratie, iſt eine bedeutende Bevölkerung ſogar völlig unver-
träglich. Da übrigens dieſe Nachtheile in der Regel theils
durch Einräumung einer ausgedehnteren Selbſtregierung
der untergeordneten Gebietstheile, theils durch Preßfreiheit
zum großen Theile abgeholfen werden können; die Ein-
führung einer reinen Volksherrſchaft aber nur ſelten ein
Wunſch und eine Möglichkeit, noch ſeltener ein Glück iſt:
ſo mag eine abſolut große Bevölkerung immerhin im
Weſentlichen als ein Vortheil bezeichnet werden.
b. Die relative Größe einer Bevölkerung hat ſehr ver-
ſchiedene Folgen, je nachdem eine Uebervölkerung, eine zu
geringe Bevölkerung, oder endlich eine zu den ſicheren
Nahrungsquellen in richtigem Verhältniß ſtehende Men-
ſchenzahl vorhanden iſt. Bei einer dünne über eine weite
Oberfläche ausgebreiteten Bevölkerung iſt einer Seits, wenn
nicht allzu ungünſtige Verhältniſſe obwalten, große Leich-
tigkeit für Erwerbung der nothwendigſten Bedürfniſſe ſowie
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