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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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bestimmter Zeichen, zur See namentlich durch Aufsteckung der
Parlamentärsflagge, zu schützen. Eine Verletzung desselben bei
vollständiger Einhaltung der Vorsichtsregeln ist ein Verbrechen
gegen das Völkerrecht; es steht jedoch jedem Kriegführenden
frei, den Ort, die Zahl und die Form feindlicher Annäherungen
nach seinem Belieben besonders zu bestimmen und davon Nach-
achtung zu verlangen. Im Falle einer Uebertretung der allge-
meinen oder der besonderen Regeln findet Anwendung von
Waffen rechtlicher Weise statt.

Waffenstillstände können entweder ganz örtlich sein,
oder einen größern Kriegsschauplatz umfassen, oder endlich die
ganze Kriegführung zwischen den streitenden Mächten einstellen.
Eine Berechtigung zum Abschlusse der beiden ersten Arten steht
dem an Ort und Stelle befindliche höchsten militärischen
Befehlshaber zu. Abschluß eines unzweckmäßigen Vertrages
dieser Art mag den Fehlenden gegenüber von seiner eigenen
Regierung verantwortlich machen, allein der Feind erwirbt
jedenfalls ein Recht auf Einhaltung der Verabredung. Allge-
meine Einstellungen sämmtlicher Feindseligkeiten dagegen sind,
weil sie auch eine große politische Tragweite haben, der Ge-
nehmigung der beiderseitigen Staatsoberhäupter unterworfen.

Zur Abschließung von Kapitulationen sind regelmäßig
die an Ort und Stelle den obersten Befehl Führenden berechtigt,
und es bedarf zu ihrer rechtlichen Verbindlichkeit keiner Geneh-
migung der Staatsregierung, wenn sich die Bedingungen nicht
über die militärischen Verhältnisse und etwa über die unmittel-
bare Behandlung der Einwohner einer belagerten Festung hinaus
erstrecken. Außergewöhnliche Beschränkungen des Befehlenden in
diesem Rechte und die daraus folgende Nothwendigkeit einer
Ratifikation sind dem Feinde vor dem Abschlusse des Vertrages
zur Nachachtung mitzutheilen 5).

1) Wenn die europäischen Völker auch noch nicht so weit in der Ge-

beſtimmter Zeichen, zur See namentlich durch Aufſteckung der
Parlamentärsflagge, zu ſchützen. Eine Verletzung deſſelben bei
vollſtändiger Einhaltung der Vorſichtsregeln iſt ein Verbrechen
gegen das Völkerrecht; es ſteht jedoch jedem Kriegführenden
frei, den Ort, die Zahl und die Form feindlicher Annäherungen
nach ſeinem Belieben beſonders zu beſtimmen und davon Nach-
achtung zu verlangen. Im Falle einer Uebertretung der allge-
meinen oder der beſonderen Regeln findet Anwendung von
Waffen rechtlicher Weiſe ſtatt.

Waffenſtillſtände können entweder ganz örtlich ſein,
oder einen größern Kriegsſchauplatz umfaſſen, oder endlich die
ganze Kriegführung zwiſchen den ſtreitenden Mächten einſtellen.
Eine Berechtigung zum Abſchluſſe der beiden erſten Arten ſteht
dem an Ort und Stelle befindliche höchſten militäriſchen
Befehlshaber zu. Abſchluß eines unzweckmäßigen Vertrages
dieſer Art mag den Fehlenden gegenüber von ſeiner eigenen
Regierung verantwortlich machen, allein der Feind erwirbt
jedenfalls ein Recht auf Einhaltung der Verabredung. Allge-
meine Einſtellungen ſämmtlicher Feindſeligkeiten dagegen ſind,
weil ſie auch eine große politiſche Tragweite haben, der Ge-
nehmigung der beiderſeitigen Staatsoberhäupter unterworfen.

Zur Abſchließung von Kapitulationen ſind regelmäßig
die an Ort und Stelle den oberſten Befehl Führenden berechtigt,
und es bedarf zu ihrer rechtlichen Verbindlichkeit keiner Geneh-
migung der Staatsregierung, wenn ſich die Bedingungen nicht
über die militäriſchen Verhältniſſe und etwa über die unmittel-
bare Behandlung der Einwohner einer belagerten Feſtung hinaus
erſtrecken. Außergewöhnliche Beſchränkungen des Befehlenden in
dieſem Rechte und die daraus folgende Nothwendigkeit einer
Ratifikation ſind dem Feinde vor dem Abſchluſſe des Vertrages
zur Nachachtung mitzutheilen 5).

1) Wenn die europäiſchen Völker auch noch nicht ſo weit in der Ge-
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[489/0503] beſtimmter Zeichen, zur See namentlich durch Aufſteckung der Parlamentärsflagge, zu ſchützen. Eine Verletzung deſſelben bei vollſtändiger Einhaltung der Vorſichtsregeln iſt ein Verbrechen gegen das Völkerrecht; es ſteht jedoch jedem Kriegführenden frei, den Ort, die Zahl und die Form feindlicher Annäherungen nach ſeinem Belieben beſonders zu beſtimmen und davon Nach- achtung zu verlangen. Im Falle einer Uebertretung der allge- meinen oder der beſonderen Regeln findet Anwendung von Waffen rechtlicher Weiſe ſtatt. Waffenſtillſtände können entweder ganz örtlich ſein, oder einen größern Kriegsſchauplatz umfaſſen, oder endlich die ganze Kriegführung zwiſchen den ſtreitenden Mächten einſtellen. Eine Berechtigung zum Abſchluſſe der beiden erſten Arten ſteht dem an Ort und Stelle befindliche höchſten militäriſchen Befehlshaber zu. Abſchluß eines unzweckmäßigen Vertrages dieſer Art mag den Fehlenden gegenüber von ſeiner eigenen Regierung verantwortlich machen, allein der Feind erwirbt jedenfalls ein Recht auf Einhaltung der Verabredung. Allge- meine Einſtellungen ſämmtlicher Feindſeligkeiten dagegen ſind, weil ſie auch eine große politiſche Tragweite haben, der Ge- nehmigung der beiderſeitigen Staatsoberhäupter unterworfen. Zur Abſchließung von Kapitulationen ſind regelmäßig die an Ort und Stelle den oberſten Befehl Führenden berechtigt, und es bedarf zu ihrer rechtlichen Verbindlichkeit keiner Geneh- migung der Staatsregierung, wenn ſich die Bedingungen nicht über die militäriſchen Verhältniſſe und etwa über die unmittel- bare Behandlung der Einwohner einer belagerten Feſtung hinaus erſtrecken. Außergewöhnliche Beſchränkungen des Befehlenden in dieſem Rechte und die daraus folgende Nothwendigkeit einer Ratifikation ſind dem Feinde vor dem Abſchluſſe des Vertrages zur Nachachtung mitzutheilen 5). ¹⁾ Wenn die europäiſchen Völker auch noch nicht ſo weit in der Ge-

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/503>, abgerufen am 20.05.2024.