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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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williger Beweis milder Gesinnung, nicht aber als Pflicht be-
trachtet.

Hinsichtlich des Verfahrens gegen bewaffnete Feinde
verlangt das positive Völkerrecht einige Milderung des allge-
meinen Grundsatzes, daß sie mit List oder Gewalt vertheidi-
gungsunfähig gemacht, also gefangen genommen, verwundet und
getödtet werden dürfen. Es ist nämlich gewohnheitsrechtlich
nicht erlaubt: einen Preis auf den Kopf eines rechtmäßigen
Gegners zu setzen; Meuchelmord gegen Feinde zu üben; Brunnen
und Lebensmittel zu vergiften, oder Gefangene mit ansteckenden
Krankheiten zurückzusenden; vergiftete oder nutzlos grausame
Waffen zu gebrauchen. In allen diesen Fällen sind nicht nur
Repressalien gestattet, sondern es wird namentlich auch Todes-
strafe gegen die auf solche verbotene Weise Kriegführenden ver-
hängt. -- Eine Tödtung des Feindes ist nicht gestattet, wenn
derselbe zur Niederlegung der Waffen bereit ist und um sein
Leben bittet, vorausgesetzt daß ein solcher sich vorher keiner
völkerrechtswidrigen Handlung selbst schuldig gemacht hat, und
daß Bewachung von Gefangenen mit der eigenen Sicherheit
vereinbar ist. Zu dem Ende müssen belagerte Festungen vor
dem Sturme zur Ergebung aufgefordert und muß die bedingungs-
lose Anerbietung zur Gefangengebung angenommen werden.

Die Person unbewaffneter Unterthanen des Feindes,
selbst der sogenannten Nichtstreitenden beim Heere, darf nicht
muthwillig und absichtlich verletzt werden; namentlich ist Ver-
wundung oder Tödtung von Wehrlosen und Gewalt an Frauen
gegen das Völkerrecht. Eine traurige Ausnahme macht freilich
die Behandlung auch der nichtkriegerischen Einwohner einer mit
Sturm genommenen Stadt.

Hinsichtlich des Eigenthumes des Feindes gelten nach-
stehende besondere Grundsätze:

Das bewegliche Eigenthum des feindlichen Staates

williger Beweis milder Geſinnung, nicht aber als Pflicht be-
trachtet.

Hinſichtlich des Verfahrens gegen bewaffnete Feinde
verlangt das poſitive Völkerrecht einige Milderung des allge-
meinen Grundſatzes, daß ſie mit Liſt oder Gewalt vertheidi-
gungsunfähig gemacht, alſo gefangen genommen, verwundet und
getödtet werden dürfen. Es iſt nämlich gewohnheitsrechtlich
nicht erlaubt: einen Preis auf den Kopf eines rechtmäßigen
Gegners zu ſetzen; Meuchelmord gegen Feinde zu üben; Brunnen
und Lebensmittel zu vergiften, oder Gefangene mit anſteckenden
Krankheiten zurückzuſenden; vergiftete oder nutzlos grauſame
Waffen zu gebrauchen. In allen dieſen Fällen ſind nicht nur
Repreſſalien geſtattet, ſondern es wird namentlich auch Todes-
ſtrafe gegen die auf ſolche verbotene Weiſe Kriegführenden ver-
hängt. — Eine Tödtung des Feindes iſt nicht geſtattet, wenn
derſelbe zur Niederlegung der Waffen bereit iſt und um ſein
Leben bittet, vorausgeſetzt daß ein ſolcher ſich vorher keiner
völkerrechtswidrigen Handlung ſelbſt ſchuldig gemacht hat, und
daß Bewachung von Gefangenen mit der eigenen Sicherheit
vereinbar iſt. Zu dem Ende müſſen belagerte Feſtungen vor
dem Sturme zur Ergebung aufgefordert und muß die bedingungs-
loſe Anerbietung zur Gefangengebung angenommen werden.

Die Perſon unbewaffneter Unterthanen des Feindes,
ſelbſt der ſogenannten Nichtſtreitenden beim Heere, darf nicht
muthwillig und abſichtlich verletzt werden; namentlich iſt Ver-
wundung oder Tödtung von Wehrloſen und Gewalt an Frauen
gegen das Völkerrecht. Eine traurige Ausnahme macht freilich
die Behandlung auch der nichtkriegeriſchen Einwohner einer mit
Sturm genommenen Stadt.

Hinſichtlich des Eigenthumes des Feindes gelten nach-
ſtehende beſondere Grundſätze:

Das bewegliche Eigenthum des feindlichen Staates

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[486/0500] williger Beweis milder Geſinnung, nicht aber als Pflicht be- trachtet. Hinſichtlich des Verfahrens gegen bewaffnete Feinde verlangt das poſitive Völkerrecht einige Milderung des allge- meinen Grundſatzes, daß ſie mit Liſt oder Gewalt vertheidi- gungsunfähig gemacht, alſo gefangen genommen, verwundet und getödtet werden dürfen. Es iſt nämlich gewohnheitsrechtlich nicht erlaubt: einen Preis auf den Kopf eines rechtmäßigen Gegners zu ſetzen; Meuchelmord gegen Feinde zu üben; Brunnen und Lebensmittel zu vergiften, oder Gefangene mit anſteckenden Krankheiten zurückzuſenden; vergiftete oder nutzlos grauſame Waffen zu gebrauchen. In allen dieſen Fällen ſind nicht nur Repreſſalien geſtattet, ſondern es wird namentlich auch Todes- ſtrafe gegen die auf ſolche verbotene Weiſe Kriegführenden ver- hängt. — Eine Tödtung des Feindes iſt nicht geſtattet, wenn derſelbe zur Niederlegung der Waffen bereit iſt und um ſein Leben bittet, vorausgeſetzt daß ein ſolcher ſich vorher keiner völkerrechtswidrigen Handlung ſelbſt ſchuldig gemacht hat, und daß Bewachung von Gefangenen mit der eigenen Sicherheit vereinbar iſt. Zu dem Ende müſſen belagerte Feſtungen vor dem Sturme zur Ergebung aufgefordert und muß die bedingungs- loſe Anerbietung zur Gefangengebung angenommen werden. Die Perſon unbewaffneter Unterthanen des Feindes, ſelbſt der ſogenannten Nichtſtreitenden beim Heere, darf nicht muthwillig und abſichtlich verletzt werden; namentlich iſt Ver- wundung oder Tödtung von Wehrloſen und Gewalt an Frauen gegen das Völkerrecht. Eine traurige Ausnahme macht freilich die Behandlung auch der nichtkriegeriſchen Einwohner einer mit Sturm genommenen Stadt. Hinſichtlich des Eigenthumes des Feindes gelten nach- ſtehende beſondere Grundſätze: Das bewegliche Eigenthum des feindlichen Staates

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/500>, abgerufen am 24.11.2024.