Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

als das Verschiedenartige hervorzuheben, Verständniß und Beur-
theilung aber durch Gegenüberstellung zu ermitteln. Eine Ver-
gleichung dieser Art kann übrigens, wenn sie wirklich ihren
Zweck erreichen, nämlich das bestehende Recht des bestimmten
Staates kennen lehren soll, nur mit verwandten Zuständen
und Rechtssystemen vorgenommen werden. Eine Zusammen-
stellung mit ganz Fremdartigem gibt zwar wohl stark in die
Augen fallende Gegensätze, bietet aber keinerlei Anleitung zur
Erläuterung des diesseits bestehenden Rechtes, zur Ausfüllung
seiner Lücken, zur Kritik der einzelnen Sätze und Institute.
Eine richtige Vergleichung kann aber sowohl gleichzeitige als
gleichartige Staaten umfassen; und es ist an sich sowohl eine
Nebeneinanderstellung verschiedener stofflicher Entwicklungen als
verschiedener Systeme denkbar. Die Form der Darstellung
mag entweder tabellarisch oder nach bestimmter Reihenfolge
der Gegenstände angelegt sein; Auslegung schwieriger Stellen
und Weiterführung der Lehre ist natürlich hier nicht die
Aufgabe.

Jede dieser drei Behandlungsarten hat ihren eigenthüm-
lichen Werth, welcher durch keine der beiden andern ersetzt
werden kann.

Eine tüchtige dogmatische Darstellung setzt sowohl das
Staatsoberhaupt als die Unterthanen ins Klare über ihre Rechte
und über ihre Pflichten im Staate; gibt den Beamten und den
Volksvertretern Anleitung zur richtigen Auffassung ihrer Auf-
gaben und zeichnet ihr Handeln im einzelnen Falle vor; belehrt
den Gesetzgeber über den Stand der Rechtsentwickelung, über
deren Lücken und Widersprüche, so wie über die Folgerungen,
welche die Wissenschaft aus seinen Bestimmungen ziehen muß,
weist ihm also das Feld und die Richtung neuer Thätigkeit an.
Dadurch, daß die Streitfragen auf eine umsichtige und rein-
wissenschaftliche Weise besprochen und entschieden sind, wird bei

als das Verſchiedenartige hervorzuheben, Verſtändniß und Beur-
theilung aber durch Gegenüberſtellung zu ermitteln. Eine Ver-
gleichung dieſer Art kann übrigens, wenn ſie wirklich ihren
Zweck erreichen, nämlich das beſtehende Recht des beſtimmten
Staates kennen lehren ſoll, nur mit verwandten Zuſtänden
und Rechtsſyſtemen vorgenommen werden. Eine Zuſammen-
ſtellung mit ganz Fremdartigem gibt zwar wohl ſtark in die
Augen fallende Gegenſätze, bietet aber keinerlei Anleitung zur
Erläuterung des dieſſeits beſtehenden Rechtes, zur Ausfüllung
ſeiner Lücken, zur Kritik der einzelnen Sätze und Inſtitute.
Eine richtige Vergleichung kann aber ſowohl gleichzeitige als
gleichartige Staaten umfaſſen; und es iſt an ſich ſowohl eine
Nebeneinanderſtellung verſchiedener ſtofflicher Entwicklungen als
verſchiedener Syſteme denkbar. Die Form der Darſtellung
mag entweder tabellariſch oder nach beſtimmter Reihenfolge
der Gegenſtände angelegt ſein; Auslegung ſchwieriger Stellen
und Weiterführung der Lehre iſt natürlich hier nicht die
Aufgabe.

Jede dieſer drei Behandlungsarten hat ihren eigenthüm-
lichen Werth, welcher durch keine der beiden andern erſetzt
werden kann.

Eine tüchtige dogmatiſche Darſtellung ſetzt ſowohl das
Staatsoberhaupt als die Unterthanen ins Klare über ihre Rechte
und über ihre Pflichten im Staate; gibt den Beamten und den
Volksvertretern Anleitung zur richtigen Auffaſſung ihrer Auf-
gaben und zeichnet ihr Handeln im einzelnen Falle vor; belehrt
den Geſetzgeber über den Stand der Rechtsentwickelung, über
deren Lücken und Widerſprüche, ſo wie über die Folgerungen,
welche die Wiſſenſchaft aus ſeinen Beſtimmungen ziehen muß,
weiſt ihm alſo das Feld und die Richtung neuer Thätigkeit an.
Dadurch, daß die Streitfragen auf eine umſichtige und rein-
wiſſenſchaftliche Weiſe beſprochen und entſchieden ſind, wird bei

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0400" n="386"/>
als das Ver&#x017F;chiedenartige hervorzuheben, Ver&#x017F;tändniß und Beur-<lb/>
theilung aber durch Gegenüber&#x017F;tellung zu ermitteln. Eine Ver-<lb/>
gleichung die&#x017F;er Art kann übrigens, wenn &#x017F;ie wirklich ihren<lb/>
Zweck erreichen, nämlich das be&#x017F;tehende Recht des be&#x017F;timmten<lb/>
Staates kennen lehren &#x017F;oll, nur mit verwandten Zu&#x017F;tänden<lb/>
und Rechts&#x017F;y&#x017F;temen vorgenommen werden. Eine Zu&#x017F;ammen-<lb/>
&#x017F;tellung mit ganz Fremdartigem gibt zwar wohl &#x017F;tark in die<lb/>
Augen fallende Gegen&#x017F;ätze, bietet aber keinerlei Anleitung zur<lb/>
Erläuterung des die&#x017F;&#x017F;eits be&#x017F;tehenden Rechtes, zur Ausfüllung<lb/>
&#x017F;einer Lücken, zur Kritik der einzelnen Sätze und In&#x017F;titute.<lb/>
Eine richtige Vergleichung kann aber &#x017F;owohl gleichzeitige als<lb/>
gleichartige Staaten umfa&#x017F;&#x017F;en; und es i&#x017F;t an &#x017F;ich &#x017F;owohl eine<lb/>
Nebeneinander&#x017F;tellung ver&#x017F;chiedener &#x017F;tofflicher Entwicklungen als<lb/>
ver&#x017F;chiedener Sy&#x017F;teme denkbar. Die Form der Dar&#x017F;tellung<lb/>
mag entweder tabellari&#x017F;ch oder nach be&#x017F;timmter Reihenfolge<lb/>
der Gegen&#x017F;tände angelegt &#x017F;ein; Auslegung &#x017F;chwieriger Stellen<lb/>
und Weiterführung der Lehre i&#x017F;t natürlich hier nicht die<lb/>
Aufgabe.</p><lb/>
                <p>Jede die&#x017F;er drei Behandlungsarten hat ihren eigenthüm-<lb/>
lichen Werth, welcher durch keine der beiden andern er&#x017F;etzt<lb/>
werden kann.</p><lb/>
                <p>Eine tüchtige dogmati&#x017F;che Dar&#x017F;tellung &#x017F;etzt &#x017F;owohl das<lb/>
Staatsoberhaupt als die Unterthanen ins Klare über ihre Rechte<lb/>
und über ihre Pflichten im Staate; gibt den Beamten und den<lb/>
Volksvertretern Anleitung zur richtigen Auffa&#x017F;&#x017F;ung ihrer Auf-<lb/>
gaben und zeichnet ihr Handeln im einzelnen Falle vor; belehrt<lb/>
den Ge&#x017F;etzgeber über den Stand der Rechtsentwickelung, über<lb/>
deren Lücken und Wider&#x017F;prüche, &#x017F;o wie über die Folgerungen,<lb/>
welche die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft aus &#x017F;einen Be&#x017F;timmungen ziehen muß,<lb/>
wei&#x017F;t ihm al&#x017F;o das Feld und die Richtung neuer Thätigkeit an.<lb/>
Dadurch, daß die Streitfragen auf eine um&#x017F;ichtige und rein-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche Wei&#x017F;e be&#x017F;prochen und ent&#x017F;chieden &#x017F;ind, wird bei<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[386/0400] als das Verſchiedenartige hervorzuheben, Verſtändniß und Beur- theilung aber durch Gegenüberſtellung zu ermitteln. Eine Ver- gleichung dieſer Art kann übrigens, wenn ſie wirklich ihren Zweck erreichen, nämlich das beſtehende Recht des beſtimmten Staates kennen lehren ſoll, nur mit verwandten Zuſtänden und Rechtsſyſtemen vorgenommen werden. Eine Zuſammen- ſtellung mit ganz Fremdartigem gibt zwar wohl ſtark in die Augen fallende Gegenſätze, bietet aber keinerlei Anleitung zur Erläuterung des dieſſeits beſtehenden Rechtes, zur Ausfüllung ſeiner Lücken, zur Kritik der einzelnen Sätze und Inſtitute. Eine richtige Vergleichung kann aber ſowohl gleichzeitige als gleichartige Staaten umfaſſen; und es iſt an ſich ſowohl eine Nebeneinanderſtellung verſchiedener ſtofflicher Entwicklungen als verſchiedener Syſteme denkbar. Die Form der Darſtellung mag entweder tabellariſch oder nach beſtimmter Reihenfolge der Gegenſtände angelegt ſein; Auslegung ſchwieriger Stellen und Weiterführung der Lehre iſt natürlich hier nicht die Aufgabe. Jede dieſer drei Behandlungsarten hat ihren eigenthüm- lichen Werth, welcher durch keine der beiden andern erſetzt werden kann. Eine tüchtige dogmatiſche Darſtellung ſetzt ſowohl das Staatsoberhaupt als die Unterthanen ins Klare über ihre Rechte und über ihre Pflichten im Staate; gibt den Beamten und den Volksvertretern Anleitung zur richtigen Auffaſſung ihrer Auf- gaben und zeichnet ihr Handeln im einzelnen Falle vor; belehrt den Geſetzgeber über den Stand der Rechtsentwickelung, über deren Lücken und Widerſprüche, ſo wie über die Folgerungen, welche die Wiſſenſchaft aus ſeinen Beſtimmungen ziehen muß, weiſt ihm alſo das Feld und die Richtung neuer Thätigkeit an. Dadurch, daß die Streitfragen auf eine umſichtige und rein- wiſſenſchaftliche Weiſe beſprochen und entſchieden ſind, wird bei

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/400
Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/400>, abgerufen am 12.05.2024.