Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

gegründet. -- Die Erwerbung der fürstlichen Macht und ihrer
sachlichen Grundlage erfolgt auf jegliche Weise, durch welche
überhaupt Rechte und Eigenthum erworben werden können:
also durch Erbschaft, Kauf, Tausch, Heirath, Occupation u. s. w.
Namentlich mag Eroberung die Grundlage sein, wenn nur
dieselbe später in ein Recht verwandelt worden ist, sei es durch
Anerkennung des bisherigen Besitzers, durch Verjährung oder
wie immer.

Die Regierung eines Patrimonialstaates ist im Wesentlichen
Besorgung der eigenen Angelegenheiten des Machthabers zu
seinen Zwecken und mit seinen Mitteln. Die Besorgung allge-
meiner Angelegenheiten ist nur eine Folge der besonderen Ver-
hältnisse und Verabredungen, welche durch die Ausdehnung des
Schutzes und der Gewalt über die Zugewendeten entstanden
sind. Eine Scheidung der Behörden für den Hofhalt und für
die Privatgüter und der für den Staatsdienst bestimmten findet
daher hier nicht statt; im Gegentheile sind die sämmtlichen Be-
amten im persönlichen Dienste des Fürsten und zur Besorgung
seiner Angelegenheiten bestimmt, in welcherlei Verbindung er
sie ihnen auftragen mag. -- Damit ist aber keineswegs gesagt,
daß der Fürst im Verhältnisse zu seinen Vasallen und Unter-
thanen nach Willkür zu handeln berechtigt sei. Vielmehr sind
ganz dieselben Verbindlichkeiten hier vorhanden, welche über-
haupt den menschlichen Verkehr regeln. Zunächst also müssen
solche rechtliche Verbindlichkeiten strenge eingehalten werden, welche
durch Verträge, einseitige Feststellung oder Gewohnheitsrecht
zwischen dem Fürsten und den Unterthanen entstanden sind, sei
es nun, daß sie die Gesammtheit umfassen oder nur einzelne
oder Abtheilungen betreffen 2). Sodann aber ist es sittliche und
religiöse Pflicht des Fürsten, seine Gewalt, auch wo er nicht
förmlich rechtlich verpflichtet ist, und darüber hinaus, zum
Wohle seiner Nebenmenschen, zunächst aber seinen Schutzbefohlnen,

gegründet. — Die Erwerbung der fürſtlichen Macht und ihrer
ſachlichen Grundlage erfolgt auf jegliche Weiſe, durch welche
überhaupt Rechte und Eigenthum erworben werden können:
alſo durch Erbſchaft, Kauf, Tauſch, Heirath, Occupation u. ſ. w.
Namentlich mag Eroberung die Grundlage ſein, wenn nur
dieſelbe ſpäter in ein Recht verwandelt worden iſt, ſei es durch
Anerkennung des bisherigen Beſitzers, durch Verjährung oder
wie immer.

Die Regierung eines Patrimonialſtaates iſt im Weſentlichen
Beſorgung der eigenen Angelegenheiten des Machthabers zu
ſeinen Zwecken und mit ſeinen Mitteln. Die Beſorgung allge-
meiner Angelegenheiten iſt nur eine Folge der beſonderen Ver-
hältniſſe und Verabredungen, welche durch die Ausdehnung des
Schutzes und der Gewalt über die Zugewendeten entſtanden
ſind. Eine Scheidung der Behörden für den Hofhalt und für
die Privatgüter und der für den Staatsdienſt beſtimmten findet
daher hier nicht ſtatt; im Gegentheile ſind die ſämmtlichen Be-
amten im perſönlichen Dienſte des Fürſten und zur Beſorgung
ſeiner Angelegenheiten beſtimmt, in welcherlei Verbindung er
ſie ihnen auftragen mag. — Damit iſt aber keineswegs geſagt,
daß der Fürſt im Verhältniſſe zu ſeinen Vaſallen und Unter-
thanen nach Willkür zu handeln berechtigt ſei. Vielmehr ſind
ganz dieſelben Verbindlichkeiten hier vorhanden, welche über-
haupt den menſchlichen Verkehr regeln. Zunächſt alſo müſſen
ſolche rechtliche Verbindlichkeiten ſtrenge eingehalten werden, welche
durch Verträge, einſeitige Feſtſtellung oder Gewohnheitsrecht
zwiſchen dem Fürſten und den Unterthanen entſtanden ſind, ſei
es nun, daß ſie die Geſammtheit umfaſſen oder nur einzelne
oder Abtheilungen betreffen 2). Sodann aber iſt es ſittliche und
religiöſe Pflicht des Fürſten, ſeine Gewalt, auch wo er nicht
förmlich rechtlich verpflichtet iſt, und darüber hinaus, zum
Wohle ſeiner Nebenmenſchen, zunächſt aber ſeinen Schutzbefohlnen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0317" n="303"/>
gegründet. &#x2014; Die Erwerbung der für&#x017F;tlichen Macht und ihrer<lb/>
&#x017F;achlichen Grundlage erfolgt auf jegliche Wei&#x017F;e, durch welche<lb/>
überhaupt Rechte und Eigenthum erworben werden können:<lb/>
al&#x017F;o durch Erb&#x017F;chaft, Kauf, Tau&#x017F;ch, Heirath, Occupation u. &#x017F;. w.<lb/>
Namentlich mag Eroberung die Grundlage &#x017F;ein, wenn nur<lb/>
die&#x017F;elbe &#x017F;päter in ein Recht verwandelt worden i&#x017F;t, &#x017F;ei es durch<lb/>
Anerkennung des bisherigen Be&#x017F;itzers, durch Verjährung oder<lb/>
wie immer.</p><lb/>
                  <p>Die Regierung eines Patrimonial&#x017F;taates i&#x017F;t im We&#x017F;entlichen<lb/>
Be&#x017F;orgung der eigenen Angelegenheiten des Machthabers zu<lb/>
&#x017F;einen Zwecken und mit &#x017F;einen Mitteln. Die Be&#x017F;orgung allge-<lb/>
meiner Angelegenheiten i&#x017F;t nur eine Folge der be&#x017F;onderen Ver-<lb/>
hältni&#x017F;&#x017F;e und Verabredungen, welche durch die Ausdehnung des<lb/>
Schutzes und der Gewalt über die Zugewendeten ent&#x017F;tanden<lb/>
&#x017F;ind. Eine Scheidung der Behörden für den Hofhalt und für<lb/>
die Privatgüter und der für den Staatsdien&#x017F;t be&#x017F;timmten findet<lb/>
daher hier nicht &#x017F;tatt; im Gegentheile &#x017F;ind die &#x017F;ämmtlichen Be-<lb/>
amten im per&#x017F;önlichen Dien&#x017F;te des Für&#x017F;ten und zur Be&#x017F;orgung<lb/>
&#x017F;einer Angelegenheiten be&#x017F;timmt, in welcherlei Verbindung er<lb/>
&#x017F;ie ihnen auftragen mag. &#x2014; Damit i&#x017F;t aber keineswegs ge&#x017F;agt,<lb/>
daß der Für&#x017F;t im Verhältni&#x017F;&#x017F;e zu &#x017F;einen Va&#x017F;allen und Unter-<lb/>
thanen nach Willkür zu handeln berechtigt &#x017F;ei. Vielmehr &#x017F;ind<lb/>
ganz die&#x017F;elben Verbindlichkeiten hier vorhanden, welche über-<lb/>
haupt den men&#x017F;chlichen Verkehr regeln. Zunäch&#x017F;t al&#x017F;o mü&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;olche rechtliche Verbindlichkeiten &#x017F;trenge eingehalten werden, welche<lb/>
durch Verträge, ein&#x017F;eitige Fe&#x017F;t&#x017F;tellung oder Gewohnheitsrecht<lb/>
zwi&#x017F;chen dem Für&#x017F;ten und den Unterthanen ent&#x017F;tanden &#x017F;ind, &#x017F;ei<lb/>
es nun, daß &#x017F;ie die Ge&#x017F;ammtheit umfa&#x017F;&#x017F;en oder nur einzelne<lb/>
oder Abtheilungen betreffen <hi rendition="#sup">2</hi>). Sodann aber i&#x017F;t es &#x017F;ittliche und<lb/>
religiö&#x017F;e Pflicht des Für&#x017F;ten, &#x017F;eine Gewalt, auch wo er nicht<lb/>
förmlich rechtlich verpflichtet i&#x017F;t, und darüber hinaus, zum<lb/>
Wohle &#x017F;einer Nebenmen&#x017F;chen, zunäch&#x017F;t aber &#x017F;einen Schutzbefohlnen,<lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[303/0317] gegründet. — Die Erwerbung der fürſtlichen Macht und ihrer ſachlichen Grundlage erfolgt auf jegliche Weiſe, durch welche überhaupt Rechte und Eigenthum erworben werden können: alſo durch Erbſchaft, Kauf, Tauſch, Heirath, Occupation u. ſ. w. Namentlich mag Eroberung die Grundlage ſein, wenn nur dieſelbe ſpäter in ein Recht verwandelt worden iſt, ſei es durch Anerkennung des bisherigen Beſitzers, durch Verjährung oder wie immer. Die Regierung eines Patrimonialſtaates iſt im Weſentlichen Beſorgung der eigenen Angelegenheiten des Machthabers zu ſeinen Zwecken und mit ſeinen Mitteln. Die Beſorgung allge- meiner Angelegenheiten iſt nur eine Folge der beſonderen Ver- hältniſſe und Verabredungen, welche durch die Ausdehnung des Schutzes und der Gewalt über die Zugewendeten entſtanden ſind. Eine Scheidung der Behörden für den Hofhalt und für die Privatgüter und der für den Staatsdienſt beſtimmten findet daher hier nicht ſtatt; im Gegentheile ſind die ſämmtlichen Be- amten im perſönlichen Dienſte des Fürſten und zur Beſorgung ſeiner Angelegenheiten beſtimmt, in welcherlei Verbindung er ſie ihnen auftragen mag. — Damit iſt aber keineswegs geſagt, daß der Fürſt im Verhältniſſe zu ſeinen Vaſallen und Unter- thanen nach Willkür zu handeln berechtigt ſei. Vielmehr ſind ganz dieſelben Verbindlichkeiten hier vorhanden, welche über- haupt den menſchlichen Verkehr regeln. Zunächſt alſo müſſen ſolche rechtliche Verbindlichkeiten ſtrenge eingehalten werden, welche durch Verträge, einſeitige Feſtſtellung oder Gewohnheitsrecht zwiſchen dem Fürſten und den Unterthanen entſtanden ſind, ſei es nun, daß ſie die Geſammtheit umfaſſen oder nur einzelne oder Abtheilungen betreffen 2). Sodann aber iſt es ſittliche und religiöſe Pflicht des Fürſten, ſeine Gewalt, auch wo er nicht förmlich rechtlich verpflichtet iſt, und darüber hinaus, zum Wohle ſeiner Nebenmenſchen, zunächſt aber ſeinen Schutzbefohlnen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/317
Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/317>, abgerufen am 23.11.2024.