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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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zogen werden darf, wenn genügend nachgewiesen ist, daß die
verbotene Handlung wirklich und daß sie von einer bestimmten
Person begangen wurde; endlich, daß der Thäter zurechnungs-
fähig, auch nicht etwa in gerechter Nothwehr begriffen war.
Die vom Gesetze anzudrohenden Strafübel müssen verhältniß-
mäßig, d. h. mit der Wichtigkeit des verletzten Rechtes steigend
oder fallend sein; sie dürfen keine zwecklosen, unberechenbaren
und das Gefühl empörenden, also auch Dritte entsittlichenden
Leiden zufügen; vielmehr sollen sie sowohl den Gestraften als
Dritte, welche von der Sache Kunde erhalten, rechtlich zu
bessern geeignet sein.

3. Beide Arten der wiederherstellenden Rechtspflege geben
im Uebrigen noch zu folgenden Forderungen vom Rechtsstand-
punkte aus Veranlassung:

Vor Allem ist das Bedürfniß einer sehr ausgedehnten
Gesetzgebung einleuchtend. Wenn auch Gewohnheitsrecht
und vielleicht, je nach der Verfassung des Staates, autono-
mische Bestimmungen in größerem oder kleinerem Maße bestehen
sollten, so verlangt doch sowohl die Strafrechtspflege eine aus-
führliche Feststellung aller verbotenen Handlungen und der darauf
gesetzten Strafen, also auch die Regelung der privatrechtlichen
Verhältnisse ein wohlgeordnetes und höchst umfangreiches System
von Regeln. In beiden Beziehungen machen die Veränderungen
in den Lebenseinrichtungen und in der Gesittigungsstufe der
Völker von Zeit zu Zeit Umgestaltungen nothwendig. Auch
das Verfahren sowohl in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten als
in Straffällen muß strenge durch Gesetz geregelt sein, damit
nicht im einzelnen Falle Streit und Verzögerung entstehe, Jeder
die ihm zur Seite stehenden Rechtsgründe vorzubringen vermöge,
und jede Willkür von Seiten der Rechtsbeamten des Staates
unmöglich sei.

Die Gründe, warum die zur Besorgung der Rechtspflege

zogen werden darf, wenn genügend nachgewieſen iſt, daß die
verbotene Handlung wirklich und daß ſie von einer beſtimmten
Perſon begangen wurde; endlich, daß der Thäter zurechnungs-
fähig, auch nicht etwa in gerechter Nothwehr begriffen war.
Die vom Geſetze anzudrohenden Strafübel müſſen verhältniß-
mäßig, d. h. mit der Wichtigkeit des verletzten Rechtes ſteigend
oder fallend ſein; ſie dürfen keine zweckloſen, unberechenbaren
und das Gefühl empörenden, alſo auch Dritte entſittlichenden
Leiden zufügen; vielmehr ſollen ſie ſowohl den Geſtraften als
Dritte, welche von der Sache Kunde erhalten, rechtlich zu
beſſern geeignet ſein.

3. Beide Arten der wiederherſtellenden Rechtspflege geben
im Uebrigen noch zu folgenden Forderungen vom Rechtsſtand-
punkte aus Veranlaſſung:

Vor Allem iſt das Bedürfniß einer ſehr ausgedehnten
Geſetzgebung einleuchtend. Wenn auch Gewohnheitsrecht
und vielleicht, je nach der Verfaſſung des Staates, autono-
miſche Beſtimmungen in größerem oder kleinerem Maße beſtehen
ſollten, ſo verlangt doch ſowohl die Strafrechtspflege eine aus-
führliche Feſtſtellung aller verbotenen Handlungen und der darauf
geſetzten Strafen, alſo auch die Regelung der privatrechtlichen
Verhältniſſe ein wohlgeordnetes und höchſt umfangreiches Syſtem
von Regeln. In beiden Beziehungen machen die Veränderungen
in den Lebenseinrichtungen und in der Geſittigungsſtufe der
Völker von Zeit zu Zeit Umgeſtaltungen nothwendig. Auch
das Verfahren ſowohl in bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten als
in Straffällen muß ſtrenge durch Geſetz geregelt ſein, damit
nicht im einzelnen Falle Streit und Verzögerung entſtehe, Jeder
die ihm zur Seite ſtehenden Rechtsgründe vorzubringen vermöge,
und jede Willkür von Seiten der Rechtsbeamten des Staates
unmöglich ſei.

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[270/0284] zogen werden darf, wenn genügend nachgewieſen iſt, daß die verbotene Handlung wirklich und daß ſie von einer beſtimmten Perſon begangen wurde; endlich, daß der Thäter zurechnungs- fähig, auch nicht etwa in gerechter Nothwehr begriffen war. Die vom Geſetze anzudrohenden Strafübel müſſen verhältniß- mäßig, d. h. mit der Wichtigkeit des verletzten Rechtes ſteigend oder fallend ſein; ſie dürfen keine zweckloſen, unberechenbaren und das Gefühl empörenden, alſo auch Dritte entſittlichenden Leiden zufügen; vielmehr ſollen ſie ſowohl den Geſtraften als Dritte, welche von der Sache Kunde erhalten, rechtlich zu beſſern geeignet ſein. 3. Beide Arten der wiederherſtellenden Rechtspflege geben im Uebrigen noch zu folgenden Forderungen vom Rechtsſtand- punkte aus Veranlaſſung: Vor Allem iſt das Bedürfniß einer ſehr ausgedehnten Geſetzgebung einleuchtend. Wenn auch Gewohnheitsrecht und vielleicht, je nach der Verfaſſung des Staates, autono- miſche Beſtimmungen in größerem oder kleinerem Maße beſtehen ſollten, ſo verlangt doch ſowohl die Strafrechtspflege eine aus- führliche Feſtſtellung aller verbotenen Handlungen und der darauf geſetzten Strafen, alſo auch die Regelung der privatrechtlichen Verhältniſſe ein wohlgeordnetes und höchſt umfangreiches Syſtem von Regeln. In beiden Beziehungen machen die Veränderungen in den Lebenseinrichtungen und in der Geſittigungsſtufe der Völker von Zeit zu Zeit Umgeſtaltungen nothwendig. Auch das Verfahren ſowohl in bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten als in Straffällen muß ſtrenge durch Geſetz geregelt ſein, damit nicht im einzelnen Falle Streit und Verzögerung entſtehe, Jeder die ihm zur Seite ſtehenden Rechtsgründe vorzubringen vermöge, und jede Willkür von Seiten der Rechtsbeamten des Staates unmöglich ſei. Die Gründe, warum die zur Beſorgung der Rechtspflege

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/284>, abgerufen am 24.11.2024.