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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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5. Der Staat wartet nicht auf eine Klage, um einem
bedrohtem Rechte seinen vorbeugenden Schutz angedeihen zu
lassen; vielmehr handelt er, sobald ihm aus zureichenden
Gründen die Wahrscheinlichkeit einer künftigen Rechtsverletzung
vorliegt.

6. Je wichtiger das bedrohte Recht ist, und je weniger
der bereits Verletzte wieder in den vorigen Stand versetzt oder
vollständig entschädigt werden kann, desto kräftiger und um-
fassender müssen die Abwendungsmaßregeln sein. -- Dasselbe
gilt von besonders frechen oder sehr häufigen Störungen.

7. Beschränkungen in der präventiven Thätigkeit des Staates
treten ein:

a) Wenn sachliche und geistige Unmöglichkeit oder auch nur
große Unwahrscheinlichkeit des Gelingens von Vorbeugungs-
maßregeln vorliegt. Nicht nur würde in solchem Falle die Kraft
des Staates zwecklos verschwendet, sondern auch sein Ansehen
geschwächt; überdies die natürliche Freiheit ohne entgegenstehenden
Gewinn beschränkt.

b) Eine Staatshülfe unterbleibt, wo und soweit der Ein-
zelne durch Anwendung eigener Kraft und Vorsicht und inner-
halb der gesetzlichen Ordnung sich selbst zu schützen vermag.
Auch bei dieser Schutzaufgabe darf und will der Staat nicht
an der Stelle des Einzelnen handeln und so wenig dessen Frei-
heit verkümmern als die Pflichten desselben auf sich nehmen;
sondern er tritt nur ein, wo eine Gesammtkraft nöthig ist.

c) Eine Beschränkung bereits bestehender Rechte Einzelner
darf als Vorbeugungsmittel nur da gebraucht werden, wo andere
Mittel nicht ausreichen, und wo das zu schützende Recht dem
des Schutzes wegen zu beschränkenden an Bedeutung wenigstens
gleichsteht. Ueberhaupt ist die Anwendung unverhältnißmäßiger
Mittel unerlaubt.

d) Eine Entschädigung für eine zugefügte Beschränkung

5. Der Staat wartet nicht auf eine Klage, um einem
bedrohtem Rechte ſeinen vorbeugenden Schutz angedeihen zu
laſſen; vielmehr handelt er, ſobald ihm aus zureichenden
Gründen die Wahrſcheinlichkeit einer künftigen Rechtsverletzung
vorliegt.

6. Je wichtiger das bedrohte Recht iſt, und je weniger
der bereits Verletzte wieder in den vorigen Stand verſetzt oder
vollſtändig entſchädigt werden kann, deſto kräftiger und um-
faſſender müſſen die Abwendungsmaßregeln ſein. — Daſſelbe
gilt von beſonders frechen oder ſehr häufigen Störungen.

7. Beſchränkungen in der präventiven Thätigkeit des Staates
treten ein:

a) Wenn ſachliche und geiſtige Unmöglichkeit oder auch nur
große Unwahrſcheinlichkeit des Gelingens von Vorbeugungs-
maßregeln vorliegt. Nicht nur würde in ſolchem Falle die Kraft
des Staates zwecklos verſchwendet, ſondern auch ſein Anſehen
geſchwächt; überdies die natürliche Freiheit ohne entgegenſtehenden
Gewinn beſchränkt.

b) Eine Staatshülfe unterbleibt, wo und ſoweit der Ein-
zelne durch Anwendung eigener Kraft und Vorſicht und inner-
halb der geſetzlichen Ordnung ſich ſelbſt zu ſchützen vermag.
Auch bei dieſer Schutzaufgabe darf und will der Staat nicht
an der Stelle des Einzelnen handeln und ſo wenig deſſen Frei-
heit verkümmern als die Pflichten deſſelben auf ſich nehmen;
ſondern er tritt nur ein, wo eine Geſammtkraft nöthig iſt.

c) Eine Beſchränkung bereits beſtehender Rechte Einzelner
darf als Vorbeugungsmittel nur da gebraucht werden, wo andere
Mittel nicht ausreichen, und wo das zu ſchützende Recht dem
des Schutzes wegen zu beſchränkenden an Bedeutung wenigſtens
gleichſteht. Ueberhaupt iſt die Anwendung unverhältnißmäßiger
Mittel unerlaubt.

d) Eine Entſchädigung für eine zugefügte Beſchränkung

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[267/0281] 5. Der Staat wartet nicht auf eine Klage, um einem bedrohtem Rechte ſeinen vorbeugenden Schutz angedeihen zu laſſen; vielmehr handelt er, ſobald ihm aus zureichenden Gründen die Wahrſcheinlichkeit einer künftigen Rechtsverletzung vorliegt. 6. Je wichtiger das bedrohte Recht iſt, und je weniger der bereits Verletzte wieder in den vorigen Stand verſetzt oder vollſtändig entſchädigt werden kann, deſto kräftiger und um- faſſender müſſen die Abwendungsmaßregeln ſein. — Daſſelbe gilt von beſonders frechen oder ſehr häufigen Störungen. 7. Beſchränkungen in der präventiven Thätigkeit des Staates treten ein: a) Wenn ſachliche und geiſtige Unmöglichkeit oder auch nur große Unwahrſcheinlichkeit des Gelingens von Vorbeugungs- maßregeln vorliegt. Nicht nur würde in ſolchem Falle die Kraft des Staates zwecklos verſchwendet, ſondern auch ſein Anſehen geſchwächt; überdies die natürliche Freiheit ohne entgegenſtehenden Gewinn beſchränkt. b) Eine Staatshülfe unterbleibt, wo und ſoweit der Ein- zelne durch Anwendung eigener Kraft und Vorſicht und inner- halb der geſetzlichen Ordnung ſich ſelbſt zu ſchützen vermag. Auch bei dieſer Schutzaufgabe darf und will der Staat nicht an der Stelle des Einzelnen handeln und ſo wenig deſſen Frei- heit verkümmern als die Pflichten deſſelben auf ſich nehmen; ſondern er tritt nur ein, wo eine Geſammtkraft nöthig iſt. c) Eine Beſchränkung bereits beſtehender Rechte Einzelner darf als Vorbeugungsmittel nur da gebraucht werden, wo andere Mittel nicht ausreichen, und wo das zu ſchützende Recht dem des Schutzes wegen zu beſchränkenden an Bedeutung wenigſtens gleichſteht. Ueberhaupt iſt die Anwendung unverhältnißmäßiger Mittel unerlaubt. d) Eine Entſchädigung für eine zugefügte Beſchränkung

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/281>, abgerufen am 24.11.2024.