5. Der Staat wartet nicht auf eine Klage, um einem bedrohtem Rechte seinen vorbeugenden Schutz angedeihen zu lassen; vielmehr handelt er, sobald ihm aus zureichenden Gründen die Wahrscheinlichkeit einer künftigen Rechtsverletzung vorliegt.
6. Je wichtiger das bedrohte Recht ist, und je weniger der bereits Verletzte wieder in den vorigen Stand versetzt oder vollständig entschädigt werden kann, desto kräftiger und um- fassender müssen die Abwendungsmaßregeln sein. -- Dasselbe gilt von besonders frechen oder sehr häufigen Störungen.
7. Beschränkungen in der präventiven Thätigkeit des Staates treten ein:
a) Wenn sachliche und geistige Unmöglichkeit oder auch nur große Unwahrscheinlichkeit des Gelingens von Vorbeugungs- maßregeln vorliegt. Nicht nur würde in solchem Falle die Kraft des Staates zwecklos verschwendet, sondern auch sein Ansehen geschwächt; überdies die natürliche Freiheit ohne entgegenstehenden Gewinn beschränkt.
b) Eine Staatshülfe unterbleibt, wo und soweit der Ein- zelne durch Anwendung eigener Kraft und Vorsicht und inner- halb der gesetzlichen Ordnung sich selbst zu schützen vermag. Auch bei dieser Schutzaufgabe darf und will der Staat nicht an der Stelle des Einzelnen handeln und so wenig dessen Frei- heit verkümmern als die Pflichten desselben auf sich nehmen; sondern er tritt nur ein, wo eine Gesammtkraft nöthig ist.
c) Eine Beschränkung bereits bestehender Rechte Einzelner darf als Vorbeugungsmittel nur da gebraucht werden, wo andere Mittel nicht ausreichen, und wo das zu schützende Recht dem des Schutzes wegen zu beschränkenden an Bedeutung wenigstens gleichsteht. Ueberhaupt ist die Anwendung unverhältnißmäßiger Mittel unerlaubt.
d) Eine Entschädigung für eine zugefügte Beschränkung
5. Der Staat wartet nicht auf eine Klage, um einem bedrohtem Rechte ſeinen vorbeugenden Schutz angedeihen zu laſſen; vielmehr handelt er, ſobald ihm aus zureichenden Gründen die Wahrſcheinlichkeit einer künftigen Rechtsverletzung vorliegt.
6. Je wichtiger das bedrohte Recht iſt, und je weniger der bereits Verletzte wieder in den vorigen Stand verſetzt oder vollſtändig entſchädigt werden kann, deſto kräftiger und um- faſſender müſſen die Abwendungsmaßregeln ſein. — Daſſelbe gilt von beſonders frechen oder ſehr häufigen Störungen.
7. Beſchränkungen in der präventiven Thätigkeit des Staates treten ein:
a) Wenn ſachliche und geiſtige Unmöglichkeit oder auch nur große Unwahrſcheinlichkeit des Gelingens von Vorbeugungs- maßregeln vorliegt. Nicht nur würde in ſolchem Falle die Kraft des Staates zwecklos verſchwendet, ſondern auch ſein Anſehen geſchwächt; überdies die natürliche Freiheit ohne entgegenſtehenden Gewinn beſchränkt.
b) Eine Staatshülfe unterbleibt, wo und ſoweit der Ein- zelne durch Anwendung eigener Kraft und Vorſicht und inner- halb der geſetzlichen Ordnung ſich ſelbſt zu ſchützen vermag. Auch bei dieſer Schutzaufgabe darf und will der Staat nicht an der Stelle des Einzelnen handeln und ſo wenig deſſen Frei- heit verkümmern als die Pflichten deſſelben auf ſich nehmen; ſondern er tritt nur ein, wo eine Geſammtkraft nöthig iſt.
c) Eine Beſchränkung bereits beſtehender Rechte Einzelner darf als Vorbeugungsmittel nur da gebraucht werden, wo andere Mittel nicht ausreichen, und wo das zu ſchützende Recht dem des Schutzes wegen zu beſchränkenden an Bedeutung wenigſtens gleichſteht. Ueberhaupt iſt die Anwendung unverhältnißmäßiger Mittel unerlaubt.
d) Eine Entſchädigung für eine zugefügte Beſchränkung
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><pbfacs="#f0281"n="267"/><p>5. Der Staat wartet nicht auf eine Klage, um einem<lb/>
bedrohtem Rechte ſeinen vorbeugenden Schutz angedeihen zu<lb/>
laſſen; vielmehr handelt er, ſobald ihm aus zureichenden<lb/>
Gründen die Wahrſcheinlichkeit einer künftigen Rechtsverletzung<lb/>
vorliegt.</p><lb/><p>6. Je wichtiger das bedrohte Recht iſt, und je weniger<lb/>
der bereits Verletzte wieder in den vorigen Stand verſetzt oder<lb/>
vollſtändig entſchädigt werden kann, deſto kräftiger und um-<lb/>
faſſender müſſen die Abwendungsmaßregeln ſein. — Daſſelbe<lb/>
gilt von beſonders frechen oder ſehr häufigen Störungen.</p><lb/><p>7. Beſchränkungen in der präventiven Thätigkeit des Staates<lb/>
treten ein:</p><lb/><p><hirendition="#aq">a)</hi> Wenn ſachliche und geiſtige Unmöglichkeit oder auch nur<lb/>
große Unwahrſcheinlichkeit des Gelingens von Vorbeugungs-<lb/>
maßregeln vorliegt. Nicht nur würde in ſolchem Falle die Kraft<lb/>
des Staates zwecklos verſchwendet, ſondern auch ſein Anſehen<lb/>
geſchwächt; überdies die natürliche Freiheit ohne entgegenſtehenden<lb/>
Gewinn beſchränkt.</p><lb/><p><hirendition="#aq">b)</hi> Eine Staatshülfe unterbleibt, wo und ſoweit der Ein-<lb/>
zelne durch Anwendung eigener Kraft und Vorſicht und inner-<lb/>
halb der geſetzlichen Ordnung ſich ſelbſt zu ſchützen vermag.<lb/>
Auch bei dieſer Schutzaufgabe darf und will der Staat nicht<lb/>
an der Stelle des Einzelnen handeln und ſo wenig deſſen Frei-<lb/>
heit verkümmern als die Pflichten deſſelben auf ſich nehmen;<lb/>ſondern er tritt nur ein, wo eine Geſammtkraft nöthig iſt.</p><lb/><p><hirendition="#aq">c)</hi> Eine Beſchränkung bereits beſtehender Rechte Einzelner<lb/>
darf als Vorbeugungsmittel nur da gebraucht werden, wo andere<lb/>
Mittel nicht ausreichen, und wo das zu ſchützende Recht dem<lb/>
des Schutzes wegen zu beſchränkenden an Bedeutung wenigſtens<lb/>
gleichſteht. Ueberhaupt iſt die Anwendung unverhältnißmäßiger<lb/>
Mittel unerlaubt.</p><lb/><p><hirendition="#aq">d)</hi> Eine Entſchädigung für eine zugefügte Beſchränkung<lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[267/0281]
5. Der Staat wartet nicht auf eine Klage, um einem
bedrohtem Rechte ſeinen vorbeugenden Schutz angedeihen zu
laſſen; vielmehr handelt er, ſobald ihm aus zureichenden
Gründen die Wahrſcheinlichkeit einer künftigen Rechtsverletzung
vorliegt.
6. Je wichtiger das bedrohte Recht iſt, und je weniger
der bereits Verletzte wieder in den vorigen Stand verſetzt oder
vollſtändig entſchädigt werden kann, deſto kräftiger und um-
faſſender müſſen die Abwendungsmaßregeln ſein. — Daſſelbe
gilt von beſonders frechen oder ſehr häufigen Störungen.
7. Beſchränkungen in der präventiven Thätigkeit des Staates
treten ein:
a) Wenn ſachliche und geiſtige Unmöglichkeit oder auch nur
große Unwahrſcheinlichkeit des Gelingens von Vorbeugungs-
maßregeln vorliegt. Nicht nur würde in ſolchem Falle die Kraft
des Staates zwecklos verſchwendet, ſondern auch ſein Anſehen
geſchwächt; überdies die natürliche Freiheit ohne entgegenſtehenden
Gewinn beſchränkt.
b) Eine Staatshülfe unterbleibt, wo und ſoweit der Ein-
zelne durch Anwendung eigener Kraft und Vorſicht und inner-
halb der geſetzlichen Ordnung ſich ſelbſt zu ſchützen vermag.
Auch bei dieſer Schutzaufgabe darf und will der Staat nicht
an der Stelle des Einzelnen handeln und ſo wenig deſſen Frei-
heit verkümmern als die Pflichten deſſelben auf ſich nehmen;
ſondern er tritt nur ein, wo eine Geſammtkraft nöthig iſt.
c) Eine Beſchränkung bereits beſtehender Rechte Einzelner
darf als Vorbeugungsmittel nur da gebraucht werden, wo andere
Mittel nicht ausreichen, und wo das zu ſchützende Recht dem
des Schutzes wegen zu beſchränkenden an Bedeutung wenigſtens
gleichſteht. Ueberhaupt iſt die Anwendung unverhältnißmäßiger
Mittel unerlaubt.
d) Eine Entſchädigung für eine zugefügte Beſchränkung
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/281>, abgerufen am 12.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.