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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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Ansicht vereinbar ist, versteht sich von selbst. Hier hat sie denn
aber auch bei einem ungewöhnlich großen und in seiner Fort-
dauer erblich gesicherten Maße von Rechtsbesitz lediglich nichts
Auffallendes oder Widersprechendes. Ebenso mag hier die Be-
kleidung gewisser Aemter, mit welchen entsprechende Rechte
verbunden sind, als genügende Berechtigung und Befähigung
betrachtet werden.

1) Ueber das Wesen der Rechtsvertheidigung und der Theilnahme an
Staatsangelegenheiten durch Vertreter sehe man unter Anderen: (Thilo,)
Was ist Verfassung und was Volksrepräsentation? Breslau, 1835. --
Sismonde de Sismondi, J. C., Etudes s. l. constitutions des
peuples libres. Brux., 1836. -- Cherbuliez, A., Theorie des
garanties constitutionelles. I. II. Paris,
1838. -- Möhl, A., Ueber
das Repräsentativsystem. Mannh., 1840. -- Witzleben, C. D. von,
Die Grenzen der Volksrepräsentation in der constitutionellen Monarchie.
Leipz., 1847. -- Meine Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften.
Bd. I, S. 265 u. ff.
2) Unger, F. W., Geschichte der deutschen Landstände. I. II. Han-
nover, 1844. -- Guizot, F., Histoire des origines du gouvernement
representatif. I. II. Brux.,
1851.
3) Vgl. Dahlmann, Politik, 2. Aufl., S. 164.
4) Die Meinungsverschiedenheit der Theoretiker über das richtige Wahl-
system und die Unzufriedenheit im Leben über die bestehenden Einrichtungen
stammen beide aus der herrschenden Unklarheit über den zu befolgenden
Grundgedanken. Wenn man zu gleicher Zeit dem Systeme der Berechtigung
Rechnung trägt durch eine gleichmäßige Vertheilung der Wähler über das
ganze Land, aber auch dem Systeme der Einsicht durch die Vorschrift von
Eigenschaften, welche mit dem Gesammtauftrage der Versammlung in
keinem sachlichen Zusammenhange stehen, sondern nur wünschenswerthe
geistige Kräfte sichern sollen: so ist man in unlösbarem Widerspruche mit
sich selbst. Kommt nun aber noch dazu, daß die Garantie der Wählereinsicht
und -Absicht ausschließlich in Vermögensverhältnissen gesucht wird, so steigt
nothwendig die Verwirrung im Systeme und die Unzufriedenheit auf beiden
Seiten. Die ihr Recht Anrufenden sind zum größern oder kleinern Theile
ausgeschlossen, und zwar durch den verhaßtesten aller Unterschiede, den des
Vermögens; die ihrer Tauglichkeit zur Vornahme guter Wahlen sich Bewußten
aber verlangen, und mit Recht, die Berücksichtigung anderer Eigenschaften,
als die des Vermögens und der hieraus zur Noth abzuleitenden besseren
allgemeinen Bildung und erhaltenden Gesinnung. Nachbesserungen im Ein-
16*

Anſicht vereinbar iſt, verſteht ſich von ſelbſt. Hier hat ſie denn
aber auch bei einem ungewöhnlich großen und in ſeiner Fort-
dauer erblich geſicherten Maße von Rechtsbeſitz lediglich nichts
Auffallendes oder Widerſprechendes. Ebenſo mag hier die Be-
kleidung gewiſſer Aemter, mit welchen entſprechende Rechte
verbunden ſind, als genügende Berechtigung und Befähigung
betrachtet werden.

1) Ueber das Weſen der Rechtsvertheidigung und der Theilnahme an
Staatsangelegenheiten durch Vertreter ſehe man unter Anderen: (Thilo,)
Was iſt Verfaſſung und was Volksrepräſentation? Breslau, 1835. —
Sismonde de Sismondi, J. C., Études s. l. constitutions des
peuples libres. Brux., 1836. — Cherbuliez, A., Théorie des
garanties constitutionelles. I. II. Paris,
1838. — Möhl, A., Ueber
das Repräſentativſyſtem. Mannh., 1840. — Witzleben, C. D. von,
Die Grenzen der Volksrepräſentation in der conſtitutionellen Monarchie.
Leipz., 1847. — Meine Geſchichte und Literatur der Staatswiſſenſchaften.
Bd. I, S. 265 u. ff.
2) Unger, F. W., Geſchichte der deutſchen Landſtände. I. II. Han-
nover, 1844. — Guizot, F., Histoire des origines du gouvernement
réprésentatif. I. II. Brux.,
1851.
3) Vgl. Dahlmann, Politik, 2. Aufl., S. 164.
4) Die Meinungsverſchiedenheit der Theoretiker über das richtige Wahl-
ſyſtem und die Unzufriedenheit im Leben über die beſtehenden Einrichtungen
ſtammen beide aus der herrſchenden Unklarheit über den zu befolgenden
Grundgedanken. Wenn man zu gleicher Zeit dem Syſteme der Berechtigung
Rechnung trägt durch eine gleichmäßige Vertheilung der Wähler über das
ganze Land, aber auch dem Syſteme der Einſicht durch die Vorſchrift von
Eigenſchaften, welche mit dem Geſammtauftrage der Verſammlung in
keinem ſachlichen Zuſammenhange ſtehen, ſondern nur wünſchenswerthe
geiſtige Kräfte ſichern ſollen: ſo iſt man in unlösbarem Widerſpruche mit
ſich ſelbſt. Kommt nun aber noch dazu, daß die Garantie der Wählereinſicht
und -Abſicht ausſchließlich in Vermögensverhältniſſen geſucht wird, ſo ſteigt
nothwendig die Verwirrung im Syſteme und die Unzufriedenheit auf beiden
Seiten. Die ihr Recht Anrufenden ſind zum größern oder kleinern Theile
ausgeſchloſſen, und zwar durch den verhaßteſten aller Unterſchiede, den des
Vermögens; die ihrer Tauglichkeit zur Vornahme guter Wahlen ſich Bewußten
aber verlangen, und mit Recht, die Berückſichtigung anderer Eigenſchaften,
als die des Vermögens und der hieraus zur Noth abzuleitenden beſſeren
allgemeinen Bildung und erhaltenden Geſinnung. Nachbeſſerungen im Ein-
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[243/0257] Anſicht vereinbar iſt, verſteht ſich von ſelbſt. Hier hat ſie denn aber auch bei einem ungewöhnlich großen und in ſeiner Fort- dauer erblich geſicherten Maße von Rechtsbeſitz lediglich nichts Auffallendes oder Widerſprechendes. Ebenſo mag hier die Be- kleidung gewiſſer Aemter, mit welchen entſprechende Rechte verbunden ſind, als genügende Berechtigung und Befähigung betrachtet werden. ¹⁾ Ueber das Weſen der Rechtsvertheidigung und der Theilnahme an Staatsangelegenheiten durch Vertreter ſehe man unter Anderen: (Thilo,) Was iſt Verfaſſung und was Volksrepräſentation? Breslau, 1835. — Sismonde de Sismondi, J. C., Études s. l. constitutions des peuples libres. Brux., 1836. — Cherbuliez, A., Théorie des garanties constitutionelles. I. II. Paris, 1838. — Möhl, A., Ueber das Repräſentativſyſtem. Mannh., 1840. — Witzleben, C. D. von, Die Grenzen der Volksrepräſentation in der conſtitutionellen Monarchie. Leipz., 1847. — Meine Geſchichte und Literatur der Staatswiſſenſchaften. Bd. I, S. 265 u. ff. ²⁾ Unger, F. W., Geſchichte der deutſchen Landſtände. I. II. Han- nover, 1844. — Guizot, F., Histoire des origines du gouvernement réprésentatif. I. II. Brux., 1851. ³⁾ Vgl. Dahlmann, Politik, 2. Aufl., S. 164. ⁴⁾ Die Meinungsverſchiedenheit der Theoretiker über das richtige Wahl- ſyſtem und die Unzufriedenheit im Leben über die beſtehenden Einrichtungen ſtammen beide aus der herrſchenden Unklarheit über den zu befolgenden Grundgedanken. Wenn man zu gleicher Zeit dem Syſteme der Berechtigung Rechnung trägt durch eine gleichmäßige Vertheilung der Wähler über das ganze Land, aber auch dem Syſteme der Einſicht durch die Vorſchrift von Eigenſchaften, welche mit dem Geſammtauftrage der Verſammlung in keinem ſachlichen Zuſammenhange ſtehen, ſondern nur wünſchenswerthe geiſtige Kräfte ſichern ſollen: ſo iſt man in unlösbarem Widerſpruche mit ſich ſelbſt. Kommt nun aber noch dazu, daß die Garantie der Wählereinſicht und -Abſicht ausſchließlich in Vermögensverhältniſſen geſucht wird, ſo ſteigt nothwendig die Verwirrung im Syſteme und die Unzufriedenheit auf beiden Seiten. Die ihr Recht Anrufenden ſind zum größern oder kleinern Theile ausgeſchloſſen, und zwar durch den verhaßteſten aller Unterſchiede, den des Vermögens; die ihrer Tauglichkeit zur Vornahme guter Wahlen ſich Bewußten aber verlangen, und mit Recht, die Berückſichtigung anderer Eigenſchaften, als die des Vermögens und der hieraus zur Noth abzuleitenden beſſeren allgemeinen Bildung und erhaltenden Geſinnung. Nachbeſſerungen im Ein- 16*

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/257>, abgerufen am 13.05.2024.