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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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unvermeidliche Folge der Unvollkommenheit menschlicher Einrich-
tungen doch weit weniger nachtheilig, als wenn kurzweg und
ganz im Allgemeinen von der Betheiligung bei einem Rechte
auf eine sittliche und geistige Befähigung zur Vornahme einer
schwierigen Handlung geschlossen würde 4).

Eben so fallen die Bestimmungen hinsichtlich des passiven
Wahlrechtes
, d. h. hinsichtlich der Berechtigung die angetra-
gene Vertretung gewisser Rechte und Interessen anzunehmen,
verschieden aus, je nachdem die Gewählten als der Ausdruck des
persönlichen Anspruches oder als die Erkorenen der Einsich-
tigen betrachtet werden. -- Im ersten Falle ist nur eine Wahl
aus der Mitte der Vollberechtigten selbst folgerichtig. Die
Inhaber eines bestimmten Rechtes haben, in dieser Voraus-
setzung, einen gewissen Antheil an den Staatsgeschäften;
eine unmittelbare Ausübung durch Alle ist unthunlich, und
muß auf einzelne im Namen Aller Handelnde beschränkt
werden. Diese Stellvertreter sind also ein Ausschuß der
Berechtigten, und müssen aus ihrer Mitte genommen sein.
Mit anderen Worten: hier deckt sich das passive und das
active Wahlrecht; und wie die Befugniß zur Theilnahme
überhaupt von dem Besitze eines Rechtes abhängig gemacht ist,
so muß letzterer auch als genügende Sicherheit für die zur
Handhabung der fraglichen Stellung erforderliche Befähigung
gelten. -- Ist dagegen die Wahl besonders Befähigten übertra-
gen, so liegt die Bezeichnung der zu Ernennenden je nach ihrer
Tauglichkeit gleichfalls im weiteren Verfolge desselben Gedankens.
Hier kann denn also ein weit ausgedehnteres und selbst ein nach
wesentlich verschiedenen Eigenschaften bemessenes passives Wahl-
recht gar wohl stattfinden. Je mehr man sich bemüht hat,
einsichtsvolle Wähler zu erhalten, desto freiere Wahlen können
ihnen überlassen sein. -- Daß erbliches Recht zur Rechtsver-
tretung gegenüber von der Regierung nur mit der ersteren

unvermeidliche Folge der Unvollkommenheit menſchlicher Einrich-
tungen doch weit weniger nachtheilig, als wenn kurzweg und
ganz im Allgemeinen von der Betheiligung bei einem Rechte
auf eine ſittliche und geiſtige Befähigung zur Vornahme einer
ſchwierigen Handlung geſchloſſen würde 4).

Eben ſo fallen die Beſtimmungen hinſichtlich des paſſiven
Wahlrechtes
, d. h. hinſichtlich der Berechtigung die angetra-
gene Vertretung gewiſſer Rechte und Intereſſen anzunehmen,
verſchieden aus, je nachdem die Gewählten als der Ausdruck des
perſönlichen Anſpruches oder als die Erkorenen der Einſich-
tigen betrachtet werden. — Im erſten Falle iſt nur eine Wahl
aus der Mitte der Vollberechtigten ſelbſt folgerichtig. Die
Inhaber eines beſtimmten Rechtes haben, in dieſer Voraus-
ſetzung, einen gewiſſen Antheil an den Staatsgeſchäften;
eine unmittelbare Ausübung durch Alle iſt unthunlich, und
muß auf einzelne im Namen Aller Handelnde beſchränkt
werden. Dieſe Stellvertreter ſind alſo ein Ausſchuß der
Berechtigten, und müſſen aus ihrer Mitte genommen ſein.
Mit anderen Worten: hier deckt ſich das paſſive und das
active Wahlrecht; und wie die Befugniß zur Theilnahme
überhaupt von dem Beſitze eines Rechtes abhängig gemacht iſt,
ſo muß letzterer auch als genügende Sicherheit für die zur
Handhabung der fraglichen Stellung erforderliche Befähigung
gelten. — Iſt dagegen die Wahl beſonders Befähigten übertra-
gen, ſo liegt die Bezeichnung der zu Ernennenden je nach ihrer
Tauglichkeit gleichfalls im weiteren Verfolge deſſelben Gedankens.
Hier kann denn alſo ein weit ausgedehnteres und ſelbſt ein nach
weſentlich verſchiedenen Eigenſchaften bemeſſenes paſſives Wahl-
recht gar wohl ſtattfinden. Je mehr man ſich bemüht hat,
einſichtsvolle Wähler zu erhalten, deſto freiere Wahlen können
ihnen überlaſſen ſein. — Daß erbliches Recht zur Rechtsver-
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[242/0256] unvermeidliche Folge der Unvollkommenheit menſchlicher Einrich- tungen doch weit weniger nachtheilig, als wenn kurzweg und ganz im Allgemeinen von der Betheiligung bei einem Rechte auf eine ſittliche und geiſtige Befähigung zur Vornahme einer ſchwierigen Handlung geſchloſſen würde 4). Eben ſo fallen die Beſtimmungen hinſichtlich des paſſiven Wahlrechtes, d. h. hinſichtlich der Berechtigung die angetra- gene Vertretung gewiſſer Rechte und Intereſſen anzunehmen, verſchieden aus, je nachdem die Gewählten als der Ausdruck des perſönlichen Anſpruches oder als die Erkorenen der Einſich- tigen betrachtet werden. — Im erſten Falle iſt nur eine Wahl aus der Mitte der Vollberechtigten ſelbſt folgerichtig. Die Inhaber eines beſtimmten Rechtes haben, in dieſer Voraus- ſetzung, einen gewiſſen Antheil an den Staatsgeſchäften; eine unmittelbare Ausübung durch Alle iſt unthunlich, und muß auf einzelne im Namen Aller Handelnde beſchränkt werden. Dieſe Stellvertreter ſind alſo ein Ausſchuß der Berechtigten, und müſſen aus ihrer Mitte genommen ſein. Mit anderen Worten: hier deckt ſich das paſſive und das active Wahlrecht; und wie die Befugniß zur Theilnahme überhaupt von dem Beſitze eines Rechtes abhängig gemacht iſt, ſo muß letzterer auch als genügende Sicherheit für die zur Handhabung der fraglichen Stellung erforderliche Befähigung gelten. — Iſt dagegen die Wahl beſonders Befähigten übertra- gen, ſo liegt die Bezeichnung der zu Ernennenden je nach ihrer Tauglichkeit gleichfalls im weiteren Verfolge deſſelben Gedankens. Hier kann denn alſo ein weit ausgedehnteres und ſelbſt ein nach weſentlich verſchiedenen Eigenſchaften bemeſſenes paſſives Wahl- recht gar wohl ſtattfinden. Je mehr man ſich bemüht hat, einſichtsvolle Wähler zu erhalten, deſto freiere Wahlen können ihnen überlaſſen ſein. — Daß erbliches Recht zur Rechtsver- tretung gegenüber von der Regierung nur mit der erſteren

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/256>, abgerufen am 13.05.2024.