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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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Anderer da, nur ein Mittel für fremde Zwecke; denn alle
Menschen sind mit gleichartigen, wenn schon dem Grade nach
verschiedenen, körperlichen und geistigen Kräften ausgestattet;
bei allen folgt die Entstehung, der Lebensverlauf und der Tod
denselben Gesetzen; und bei allen ist hinsichtlich des Zustandes
nach dem Tode dieselbe Wahrscheinlichkeit.

Zur Erreichung dieses Lebenszweckes ist der Mensch sittlich
verpflichtet, also auch berechtigt.

Die Erreichung aber ist bedingt durch die Aneignung der
nöthigen Mittel, das heißt deren Auffindung und Beziehung
auf die eigene Person. Soweit diese Mittel Sachen sind, ist
Erwerb, Besitz und -- weil sonst keine Sicherung des Besitzes
und Gebrauches wäre -- ausschließliches Eigenthum die Folge.
Gegenüber von anderen Menschen aber, welche zu gleichen
Lebenszwecken berufen und daher in denselben nicht zu stören
sind, entsteht theils gemeinschaftliche Erstrebung desselben Zweckes,
theils gegenseitiges Dienen. Diese beiden letzten Verhältnisse
sind aber wieder theils von der Natur selbst gegeben, theils
sind sie freiwillig. In dem einen wie in dem andern Falle
muß jeder Einzelne die Persönlichkeit aller Betheiligten achten,
d. h. denselben ebenfalls die Erreichung ihres eigenen Lebens-
zweckes gestatten.

Die Bestimmung des Lebenszweckes ist aus den Bedürf-
nissen und Anlagen der menschlichen Natur
zu
entnehmen, da keine äußere für alle Menschen geltende Aucto-
rität ihn feststellt.

Der Mensch ist nun aber, seiner Natur nach, ein sinn-
lich vernünftiges Wesen
.

1. Zwecke und Mittel des Menschen als sinnliches
Wesen:

Erhaltung des Körpers durch Nahrung, Kleidung, schützende
Wohnung, Bewahrung der Gesundheit. -- Die zu dem Ende

Anderer da, nur ein Mittel für fremde Zwecke; denn alle
Menſchen ſind mit gleichartigen, wenn ſchon dem Grade nach
verſchiedenen, körperlichen und geiſtigen Kräften ausgeſtattet;
bei allen folgt die Entſtehung, der Lebensverlauf und der Tod
denſelben Geſetzen; und bei allen iſt hinſichtlich des Zuſtandes
nach dem Tode dieſelbe Wahrſcheinlichkeit.

Zur Erreichung dieſes Lebenszweckes iſt der Menſch ſittlich
verpflichtet, alſo auch berechtigt.

Die Erreichung aber iſt bedingt durch die Aneignung der
nöthigen Mittel, das heißt deren Auffindung und Beziehung
auf die eigene Perſon. Soweit dieſe Mittel Sachen ſind, iſt
Erwerb, Beſitz und — weil ſonſt keine Sicherung des Beſitzes
und Gebrauches wäre — ausſchließliches Eigenthum die Folge.
Gegenüber von anderen Menſchen aber, welche zu gleichen
Lebenszwecken berufen und daher in denſelben nicht zu ſtören
ſind, entſteht theils gemeinſchaftliche Erſtrebung desſelben Zweckes,
theils gegenſeitiges Dienen. Dieſe beiden letzten Verhältniſſe
ſind aber wieder theils von der Natur ſelbſt gegeben, theils
ſind ſie freiwillig. In dem einen wie in dem andern Falle
muß jeder Einzelne die Perſönlichkeit aller Betheiligten achten,
d. h. denſelben ebenfalls die Erreichung ihres eigenen Lebens-
zweckes geſtatten.

Die Beſtimmung des Lebenszweckes iſt aus den Bedürf-
niſſen und Anlagen der menſchlichen Natur
zu
entnehmen, da keine äußere für alle Menſchen geltende Aucto-
rität ihn feſtſtellt.

Der Menſch iſt nun aber, ſeiner Natur nach, ein ſinn-
lich vernünftiges Weſen
.

1. Zwecke und Mittel des Menſchen als ſinnliches
Weſen:

Erhaltung des Körpers durch Nahrung, Kleidung, ſchützende
Wohnung, Bewahrung der Geſundheit. — Die zu dem Ende

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[6/0020] Anderer da, nur ein Mittel für fremde Zwecke; denn alle Menſchen ſind mit gleichartigen, wenn ſchon dem Grade nach verſchiedenen, körperlichen und geiſtigen Kräften ausgeſtattet; bei allen folgt die Entſtehung, der Lebensverlauf und der Tod denſelben Geſetzen; und bei allen iſt hinſichtlich des Zuſtandes nach dem Tode dieſelbe Wahrſcheinlichkeit. Zur Erreichung dieſes Lebenszweckes iſt der Menſch ſittlich verpflichtet, alſo auch berechtigt. Die Erreichung aber iſt bedingt durch die Aneignung der nöthigen Mittel, das heißt deren Auffindung und Beziehung auf die eigene Perſon. Soweit dieſe Mittel Sachen ſind, iſt Erwerb, Beſitz und — weil ſonſt keine Sicherung des Beſitzes und Gebrauches wäre — ausſchließliches Eigenthum die Folge. Gegenüber von anderen Menſchen aber, welche zu gleichen Lebenszwecken berufen und daher in denſelben nicht zu ſtören ſind, entſteht theils gemeinſchaftliche Erſtrebung desſelben Zweckes, theils gegenſeitiges Dienen. Dieſe beiden letzten Verhältniſſe ſind aber wieder theils von der Natur ſelbſt gegeben, theils ſind ſie freiwillig. In dem einen wie in dem andern Falle muß jeder Einzelne die Perſönlichkeit aller Betheiligten achten, d. h. denſelben ebenfalls die Erreichung ihres eigenen Lebens- zweckes geſtatten. Die Beſtimmung des Lebenszweckes iſt aus den Bedürf- niſſen und Anlagen der menſchlichen Natur zu entnehmen, da keine äußere für alle Menſchen geltende Aucto- rität ihn feſtſtellt. Der Menſch iſt nun aber, ſeiner Natur nach, ein ſinn- lich vernünftiges Weſen. 1. Zwecke und Mittel des Menſchen als ſinnliches Weſen: Erhaltung des Körpers durch Nahrung, Kleidung, ſchützende Wohnung, Bewahrung der Geſundheit. — Die zu dem Ende

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/20>, abgerufen am 28.03.2024.