Grenzen vermieden werden soll, eine scharfe Unterscheidung zwischen der im innern Staatsleben zur Erscheinung kommenden Bedingungen oder Folgen einer Regelung der auswärtigen Ver- hältnisse, und diesen selbst, welche dem Völkerrechte anheim- fallen 1).
4. Die Ableitung der Rechtssätze aus dem Wesen des Staates überhaupt und der Gattungen und Arten desselben insbesondere ist das Bezeichnende des philosophischen Staats- rechtes, im Gegensatze des positiven. Ein Gesetz kann bestehen, entweder weil es von einer äußeren, mit entsprechender Macht begleiteten Auctorität ausgeht; oder aber weil es sich aus einer inneren Nothwendigkeit ergiebt, somit ohne äußeren Zwang und Befehl. Ein Widerspruch zwischen beiden Arten von Ge- setzen ist an und für sich nicht nothwendig, weil das positiv vorgeschriebene auch an sich vernünftig sein kann und sogar sein soll. Allein nicht nur kann das positive Gesetz bestimmter und in den Einzelnheiten ausführlicher sein, während dagegen das aus innerer Nothwendigkeit rührende in der Regel um- fassender und durchgreifender ist; sondern es sind allerdings selbst Widersprüche nicht unmöglich. Wenn nämlich die positive Auctorität entweder eine falsche Auffassung von ihrer Aufgabe hat, oder wenn sie glaubt, wegen thatsächlicher Verhältnisse eine vollkommene Durchführung des Vernünftigen nicht anordnen zu können: so mag allerdings zwischen dem philosophischen und dem positiven Rechte ein größerer oder kleinerer Unterschied sein. In diesem Falle gilt jedes der beiden verschiedenen Gesetze auf seinem Gebiete, und keines wird durch das Bestehen und die relative Richtigkeit des andern beeinträchtigt. Welche Anwendung im Leben sodann solche von einander abweichende Gesetze finden, ist eine andere, hier nicht weiter zu besprechende Frage.
Der letzte Grund der Gültigkeit des philosophischen Rechtes ist seine logische Nothwendigkeit zu Erreichung des concreten,
Grenzen vermieden werden ſoll, eine ſcharfe Unterſcheidung zwiſchen der im innern Staatsleben zur Erſcheinung kommenden Bedingungen oder Folgen einer Regelung der auswärtigen Ver- hältniſſe, und dieſen ſelbſt, welche dem Völkerrechte anheim- fallen 1).
4. Die Ableitung der Rechtsſätze aus dem Weſen des Staates überhaupt und der Gattungen und Arten deſſelben insbeſondere iſt das Bezeichnende des philoſophiſchen Staats- rechtes, im Gegenſatze des poſitiven. Ein Geſetz kann beſtehen, entweder weil es von einer äußeren, mit entſprechender Macht begleiteten Auctorität ausgeht; oder aber weil es ſich aus einer inneren Nothwendigkeit ergiebt, ſomit ohne äußeren Zwang und Befehl. Ein Widerſpruch zwiſchen beiden Arten von Ge- ſetzen iſt an und für ſich nicht nothwendig, weil das poſitiv vorgeſchriebene auch an ſich vernünftig ſein kann und ſogar ſein ſoll. Allein nicht nur kann das poſitive Geſetz beſtimmter und in den Einzelnheiten ausführlicher ſein, während dagegen das aus innerer Nothwendigkeit rührende in der Regel um- faſſender und durchgreifender iſt; ſondern es ſind allerdings ſelbſt Widerſprüche nicht unmöglich. Wenn nämlich die poſitive Auctorität entweder eine falſche Auffaſſung von ihrer Aufgabe hat, oder wenn ſie glaubt, wegen thatſächlicher Verhältniſſe eine vollkommene Durchführung des Vernünftigen nicht anordnen zu können: ſo mag allerdings zwiſchen dem philoſophiſchen und dem poſitiven Rechte ein größerer oder kleinerer Unterſchied ſein. In dieſem Falle gilt jedes der beiden verſchiedenen Geſetze auf ſeinem Gebiete, und keines wird durch das Beſtehen und die relative Richtigkeit des andern beeinträchtigt. Welche Anwendung im Leben ſodann ſolche von einander abweichende Geſetze finden, iſt eine andere, hier nicht weiter zu beſprechende Frage.
Der letzte Grund der Gültigkeit des philoſophiſchen Rechtes iſt ſeine logiſche Nothwendigkeit zu Erreichung des concreten,
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Grenzen vermieden werden ſoll, eine ſcharfe Unterſcheidung
zwiſchen der im innern Staatsleben zur Erſcheinung kommenden
Bedingungen oder Folgen einer Regelung der auswärtigen Ver-
hältniſſe, und dieſen ſelbſt, welche dem Völkerrechte anheim-
fallen 1).
4. Die Ableitung der Rechtsſätze aus dem Weſen des
Staates überhaupt und der Gattungen und Arten deſſelben
insbeſondere iſt das Bezeichnende des philoſophiſchen Staats-
rechtes, im Gegenſatze des poſitiven. Ein Geſetz kann beſtehen,
entweder weil es von einer äußeren, mit entſprechender Macht
begleiteten Auctorität ausgeht; oder aber weil es ſich aus einer
inneren Nothwendigkeit ergiebt, ſomit ohne äußeren Zwang
und Befehl. Ein Widerſpruch zwiſchen beiden Arten von Ge-
ſetzen iſt an und für ſich nicht nothwendig, weil das poſitiv
vorgeſchriebene auch an ſich vernünftig ſein kann und ſogar
ſein ſoll. Allein nicht nur kann das poſitive Geſetz beſtimmter
und in den Einzelnheiten ausführlicher ſein, während dagegen
das aus innerer Nothwendigkeit rührende in der Regel um-
faſſender und durchgreifender iſt; ſondern es ſind allerdings
ſelbſt Widerſprüche nicht unmöglich. Wenn nämlich die poſitive
Auctorität entweder eine falſche Auffaſſung von ihrer Aufgabe
hat, oder wenn ſie glaubt, wegen thatſächlicher Verhältniſſe
eine vollkommene Durchführung des Vernünftigen nicht anordnen
zu können: ſo mag allerdings zwiſchen dem philoſophiſchen und
dem poſitiven Rechte ein größerer oder kleinerer Unterſchied ſein.
In dieſem Falle gilt jedes der beiden verſchiedenen Geſetze auf
ſeinem Gebiete, und keines wird durch das Beſtehen und die
relative Richtigkeit des andern beeinträchtigt. Welche Anwendung
im Leben ſodann ſolche von einander abweichende Geſetze finden,
iſt eine andere, hier nicht weiter zu beſprechende Frage.
Der letzte Grund der Gültigkeit des philoſophiſchen Rechtes
iſt ſeine logiſche Nothwendigkeit zu Erreichung des concreten,
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/187>, abgerufen am 24.11.2024.
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