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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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ihrem Culturgrade angemessener Verfassungen. Frankfurt, 1832. -- Roux, A
dissertation on the ruins or revolutions of Empires. Lond.
, 1832. --
Zachariä, K. S., Vierzig Bücher, Bd. III, S. 76 fg. -- Stahl, Lehre
vom Staate, 3. Aufl., S. 541 fg.
6) Mit Entschiedenheit muß der häufig aufgestellten und befolgten
Lehre entgegengetreten werden, daß eine verfassunggebende Versamm-
lung von allen Rechtsverpflichtungen befreit sei und alle Zustände im Staate
ganz nach ihrem Belieben ordnen könne. Wenn gültig entschieden ist, daß
wesentliche Aenderungen in den bisherigen Staatseinrichtungen getroffen
werden sollen, so hört freilich selbstredend jedes Recht auf, welches sich auf
die Erhaltung und Ausübung der zu ändernden Theile des Staatsorganismus
bezieht; und ebenso klar ist, daß der Gesetzgeber berechtigt ist, die der neuen
Ordnung der Dinge entsprechenden Rechte festzustellen. Allein Verhältnisse,
welche nicht in den Kreis des zu Aendernden fallen, unterliegen deßhalb,
weil Anderes neu gestaltet wird, keiner besondern Gewalt, sondern sind nach
den gewöhnlichen Grundsätzen zu behandeln und zu achten. Außerdem ist
zu bemerken, daß, wo Privatrechte durch die Anderungen berührt werden,
ein Anspruch auf Entschädigung besteht; und es ist, ganz abgesehen vom
Rechtspunkte, eine strenge Beobachtung dieses Grundsatzes schon aus Klug-
heitsgründen nöthig. Theils erspart man durch ein gerechtes Verfahren den
neuen Einrichtungen Widerwillen und spätere Angriffe, theils zeigt mehr-
fache Erfahrung, daß noch nach langer Zeit bei einer günstigen Wendung
der Verhältnisse Entschädigungsforderungen vorgebracht werden und dann
schwer zu tragen sind.
7) Wie ein Staat bei ursprünglich gesunder Grundlage durch Geist-
losigkeit und Erlahmen aller Springfedern ganz zu Grunde gehen kann, so
daß er beim ersten Stoße als ein Schutthaufen in sich zusammenfällt; wie
aber auch das Volk durch ein solches Unglück aufgerüttelt und gestählt werden
kann: dies zeigt Preußen in den Jahren 1806 und 1813. Nicht so glücklich ist
das gesammte Deutschland gewesen, als es sich davon gehandelt hat, an
die Stelle seines elend verkommenen und elend zu Grunde gegangenen
Reiches eine neue Ordnung zu setzen. Nur unvollkommenes Flickwerk ist
an die Stelle getreten, durch welches weder Ehre, noch Recht, noch endlich
Wohlfahrt der Nation gesichert wurde. Möge es ihm beschieden sein, noch
durch eine rechtzeitige und gründliche Verbesserung das sonst unvermeidlich
eintretende Unglück von sich abzuwenden! Der Untergang wäre sicher genug;
ob aber auch ein glücklicher Aufschwung darauf folgen würde, ist unge-
wiß. Jedenfalls wären ohne Zweifel die Leiden der Unglückszeit unermeßlich,
und die zur Aufraffung nöthigen Anstrengungen ohne Vergleich größer, als
die zu einer Vorbeugung und Verbesserung nöthigen.
8) Welchen Weg Staaten einzuschlagen haben, die zu selbstständigem
ihrem Culturgrade angemeſſener Verfaſſungen. Frankfurt, 1832. — Roux, A
dissertation on the ruins or revolutions of Empires. Lond.
, 1832. —
Zachariä, K. S., Vierzig Bücher, Bd. III, S. 76 fg. — Stahl, Lehre
vom Staate, 3. Aufl., S. 541 fg.
6) Mit Entſchiedenheit muß der häufig aufgeſtellten und befolgten
Lehre entgegengetreten werden, daß eine verfaſſunggebende Verſamm-
lung von allen Rechtsverpflichtungen befreit ſei und alle Zuſtände im Staate
ganz nach ihrem Belieben ordnen könne. Wenn gültig entſchieden iſt, daß
weſentliche Aenderungen in den bisherigen Staatseinrichtungen getroffen
werden ſollen, ſo hört freilich ſelbſtredend jedes Recht auf, welches ſich auf
die Erhaltung und Ausübung der zu ändernden Theile des Staatsorganismus
bezieht; und ebenſo klar iſt, daß der Geſetzgeber berechtigt iſt, die der neuen
Ordnung der Dinge entſprechenden Rechte feſtzuſtellen. Allein Verhältniſſe,
welche nicht in den Kreis des zu Aendernden fallen, unterliegen deßhalb,
weil Anderes neu geſtaltet wird, keiner beſondern Gewalt, ſondern ſind nach
den gewöhnlichen Grundſätzen zu behandeln und zu achten. Außerdem iſt
zu bemerken, daß, wo Privatrechte durch die Anderungen berührt werden,
ein Anſpruch auf Entſchädigung beſteht; und es iſt, ganz abgeſehen vom
Rechtspunkte, eine ſtrenge Beobachtung dieſes Grundſatzes ſchon aus Klug-
heitsgründen nöthig. Theils erſpart man durch ein gerechtes Verfahren den
neuen Einrichtungen Widerwillen und ſpätere Angriffe, theils zeigt mehr-
fache Erfahrung, daß noch nach langer Zeit bei einer günſtigen Wendung
der Verhältniſſe Entſchädigungsforderungen vorgebracht werden und dann
ſchwer zu tragen ſind.
7) Wie ein Staat bei urſprünglich geſunder Grundlage durch Geiſt-
loſigkeit und Erlahmen aller Springfedern ganz zu Grunde gehen kann, ſo
daß er beim erſten Stoße als ein Schutthaufen in ſich zuſammenfällt; wie
aber auch das Volk durch ein ſolches Unglück aufgerüttelt und geſtählt werden
kann: dies zeigt Preußen in den Jahren 1806 und 1813. Nicht ſo glücklich iſt
das geſammte Deutſchland geweſen, als es ſich davon gehandelt hat, an
die Stelle ſeines elend verkommenen und elend zu Grunde gegangenen
Reiches eine neue Ordnung zu ſetzen. Nur unvollkommenes Flickwerk iſt
an die Stelle getreten, durch welches weder Ehre, noch Recht, noch endlich
Wohlfahrt der Nation geſichert wurde. Möge es ihm beſchieden ſein, noch
durch eine rechtzeitige und gründliche Verbeſſerung das ſonſt unvermeidlich
eintretende Unglück von ſich abzuwenden! Der Untergang wäre ſicher genug;
ob aber auch ein glücklicher Aufſchwung darauf folgen würde, iſt unge-
wiß. Jedenfalls wären ohne Zweifel die Leiden der Unglückszeit unermeßlich,
und die zur Aufraffung nöthigen Anſtrengungen ohne Vergleich größer, als
die zu einer Vorbeugung und Verbeſſerung nöthigen.
8) Welchen Weg Staaten einzuſchlagen haben, die zu ſelbſtſtändigem
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[168/0182] ⁵⁾ ihrem Culturgrade angemeſſener Verfaſſungen. Frankfurt, 1832. — Roux, A dissertation on the ruins or revolutions of Empires. Lond., 1832. — Zachariä, K. S., Vierzig Bücher, Bd. III, S. 76 fg. — Stahl, Lehre vom Staate, 3. Aufl., S. 541 fg. ⁶⁾ Mit Entſchiedenheit muß der häufig aufgeſtellten und befolgten Lehre entgegengetreten werden, daß eine verfaſſunggebende Verſamm- lung von allen Rechtsverpflichtungen befreit ſei und alle Zuſtände im Staate ganz nach ihrem Belieben ordnen könne. Wenn gültig entſchieden iſt, daß weſentliche Aenderungen in den bisherigen Staatseinrichtungen getroffen werden ſollen, ſo hört freilich ſelbſtredend jedes Recht auf, welches ſich auf die Erhaltung und Ausübung der zu ändernden Theile des Staatsorganismus bezieht; und ebenſo klar iſt, daß der Geſetzgeber berechtigt iſt, die der neuen Ordnung der Dinge entſprechenden Rechte feſtzuſtellen. Allein Verhältniſſe, welche nicht in den Kreis des zu Aendernden fallen, unterliegen deßhalb, weil Anderes neu geſtaltet wird, keiner beſondern Gewalt, ſondern ſind nach den gewöhnlichen Grundſätzen zu behandeln und zu achten. Außerdem iſt zu bemerken, daß, wo Privatrechte durch die Anderungen berührt werden, ein Anſpruch auf Entſchädigung beſteht; und es iſt, ganz abgeſehen vom Rechtspunkte, eine ſtrenge Beobachtung dieſes Grundſatzes ſchon aus Klug- heitsgründen nöthig. Theils erſpart man durch ein gerechtes Verfahren den neuen Einrichtungen Widerwillen und ſpätere Angriffe, theils zeigt mehr- fache Erfahrung, daß noch nach langer Zeit bei einer günſtigen Wendung der Verhältniſſe Entſchädigungsforderungen vorgebracht werden und dann ſchwer zu tragen ſind. ⁷⁾ Wie ein Staat bei urſprünglich geſunder Grundlage durch Geiſt- loſigkeit und Erlahmen aller Springfedern ganz zu Grunde gehen kann, ſo daß er beim erſten Stoße als ein Schutthaufen in ſich zuſammenfällt; wie aber auch das Volk durch ein ſolches Unglück aufgerüttelt und geſtählt werden kann: dies zeigt Preußen in den Jahren 1806 und 1813. Nicht ſo glücklich iſt das geſammte Deutſchland geweſen, als es ſich davon gehandelt hat, an die Stelle ſeines elend verkommenen und elend zu Grunde gegangenen Reiches eine neue Ordnung zu ſetzen. Nur unvollkommenes Flickwerk iſt an die Stelle getreten, durch welches weder Ehre, noch Recht, noch endlich Wohlfahrt der Nation geſichert wurde. Möge es ihm beſchieden ſein, noch durch eine rechtzeitige und gründliche Verbeſſerung das ſonſt unvermeidlich eintretende Unglück von ſich abzuwenden! Der Untergang wäre ſicher genug; ob aber auch ein glücklicher Aufſchwung darauf folgen würde, iſt unge- wiß. Jedenfalls wären ohne Zweifel die Leiden der Unglückszeit unermeßlich, und die zur Aufraffung nöthigen Anſtrengungen ohne Vergleich größer, als die zu einer Vorbeugung und Verbeſſerung nöthigen. ⁸⁾ Welchen Weg Staaten einzuſchlagen haben, die zu ſelbſtſtändigem

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/182>, abgerufen am 27.11.2024.