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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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und Launen kann Nutzen und Schaden, Lob und Tadel sehr
Verschiedenen zufallen.

7. Nicht zu verwechseln schließlich mit den Parteien inner-
halb desselben Staatsgedankens ist der Zustand, wenn ein
Staat anfängt, der Lebensauffassung des Volkes oder eines
namhaften Theiles desselben überhaupt nicht mehr zu genügen,
und sich in Folge dessen bei einer größern oder kleinern Anzahl
der Plan zu einer vollständigen und nöhigenfalls gewaltsamen
Umänderung ausbildet. Hier ist denn kein Ringen mehr um
eine gesetzliche Erwerbung von Einfluß, sondern vielmehr der
Anfang einer Auflösung und im günstigen Falle einer völligen
Neugestaltung.

1) Ueber Parteien s. Rohmer, Th., Die vier Parteien. Zürich, 1844;
eine geistreiche aber vielfach verschrobene Schrift, selbst nur Parteierzeugniß
in dogmatischem Gewande. Vgl. Welcker's Staatslexikon, 2. Aufl. Bd. X,
S. 479 ff.
2) Sehr verschieden von naturgemäßer und unschädlicher Gestaltung
der Parteien, nämlich von der freiwilligen Anerkennung bestimmter Männer
als Vorkämpfer und Häupter, dem Bestande eigener Organe zur Vertretung
der gemeinschaftlichen Meinung, endlich dem Gebrauche gewisser Mittel zur
Förderung der Zwecke, sind förmlich gegliederte Organisationen, welche einer
Partei eine befehlende Gewalt, regelmäßig vertheilte untergeordnete Behörden,
einen genau geregelten Zusammenhang und eine Verfügung über Geld und
Menschenkräfte geben. Eine solche Einrichtung ist ein Staat im Staate und
kann möglicherweise der gesetzlichen Gewalt unwiderstehliche Hindernisse in
den Weg legen. Besonders bedenklich ist, wenn sich die Mitglieder zu
unbedingtem Gehorsame verpflichten, vielleicht sogar nach den Befehlen
geheimer Oberen. Parteiorganismen dieser Art sind unverträglich mit einem
geordneten Staatswesen, und mit ihnen ist, welches immer ihr wirklicher
oder angeblicher Zweck sei, ein Kampf auf Leben und Tod gerechtfertigt,
überdies auf die Dauer nicht zu vermeiden. Beispiele solcher Vereine sind
die Jacobiner, die Carbonari, der badische Landesausschuß von 1849. Ein
großer Beweis von der politischen Durchbildung des englischen Volks ist es,
daß dasselbe zwar wohl zur Durchführung eines bestimmten Zweckes eine
formellen Organisation der Anhänger desselben duldet, (wie ihn z. B. die
Anticornleague besaß;) daß aber eine fortdauernde Unterordnung unter einem
obersten Rath und eine dadurch zu Stande kommende bleibende und im

und Launen kann Nutzen und Schaden, Lob und Tadel ſehr
Verſchiedenen zufallen.

7. Nicht zu verwechſeln ſchließlich mit den Parteien inner-
halb desſelben Staatsgedankens iſt der Zuſtand, wenn ein
Staat anfängt, der Lebensauffaſſung des Volkes oder eines
namhaften Theiles desſelben überhaupt nicht mehr zu genügen,
und ſich in Folge deſſen bei einer größern oder kleinern Anzahl
der Plan zu einer vollſtändigen und nöhigenfalls gewaltſamen
Umänderung ausbildet. Hier iſt denn kein Ringen mehr um
eine geſetzliche Erwerbung von Einfluß, ſondern vielmehr der
Anfang einer Auflöſung und im günſtigen Falle einer völligen
Neugeſtaltung.

1) Ueber Parteien ſ. Rohmer, Th., Die vier Parteien. Zürich, 1844;
eine geiſtreiche aber vielfach verſchrobene Schrift, ſelbſt nur Parteierzeugniß
in dogmatiſchem Gewande. Vgl. Welcker’s Staatslexikon, 2. Aufl. Bd. X,
S. 479 ff.
2) Sehr verſchieden von naturgemäßer und unſchädlicher Geſtaltung
der Parteien, nämlich von der freiwilligen Anerkennung beſtimmter Männer
als Vorkämpfer und Häupter, dem Beſtande eigener Organe zur Vertretung
der gemeinſchaftlichen Meinung, endlich dem Gebrauche gewiſſer Mittel zur
Förderung der Zwecke, ſind förmlich gegliederte Organiſationen, welche einer
Partei eine befehlende Gewalt, regelmäßig vertheilte untergeordnete Behörden,
einen genau geregelten Zuſammenhang und eine Verfügung über Geld und
Menſchenkräfte geben. Eine ſolche Einrichtung iſt ein Staat im Staate und
kann möglicherweiſe der geſetzlichen Gewalt unwiderſtehliche Hinderniſſe in
den Weg legen. Beſonders bedenklich iſt, wenn ſich die Mitglieder zu
unbedingtem Gehorſame verpflichten, vielleicht ſogar nach den Befehlen
geheimer Oberen. Parteiorganismen dieſer Art ſind unverträglich mit einem
geordneten Staatsweſen, und mit ihnen iſt, welches immer ihr wirklicher
oder angeblicher Zweck ſei, ein Kampf auf Leben und Tod gerechtfertigt,
überdies auf die Dauer nicht zu vermeiden. Beiſpiele ſolcher Vereine ſind
die Jacobiner, die Carbonari, der badiſche Landesausſchuß von 1849. Ein
großer Beweis von der politiſchen Durchbildung des engliſchen Volks iſt es,
daß daſſelbe zwar wohl zur Durchführung eines beſtimmten Zweckes eine
formellen Organiſation der Anhänger deſſelben duldet, (wie ihn z. B. die
Anticornleague beſaß;) daß aber eine fortdauernde Unterordnung unter einem
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[157/0171] und Launen kann Nutzen und Schaden, Lob und Tadel ſehr Verſchiedenen zufallen. 7. Nicht zu verwechſeln ſchließlich mit den Parteien inner- halb desſelben Staatsgedankens iſt der Zuſtand, wenn ein Staat anfängt, der Lebensauffaſſung des Volkes oder eines namhaften Theiles desſelben überhaupt nicht mehr zu genügen, und ſich in Folge deſſen bei einer größern oder kleinern Anzahl der Plan zu einer vollſtändigen und nöhigenfalls gewaltſamen Umänderung ausbildet. Hier iſt denn kein Ringen mehr um eine geſetzliche Erwerbung von Einfluß, ſondern vielmehr der Anfang einer Auflöſung und im günſtigen Falle einer völligen Neugeſtaltung. ¹⁾ Ueber Parteien ſ. Rohmer, Th., Die vier Parteien. Zürich, 1844; eine geiſtreiche aber vielfach verſchrobene Schrift, ſelbſt nur Parteierzeugniß in dogmatiſchem Gewande. Vgl. Welcker’s Staatslexikon, 2. Aufl. Bd. X, S. 479 ff. ²⁾ Sehr verſchieden von naturgemäßer und unſchädlicher Geſtaltung der Parteien, nämlich von der freiwilligen Anerkennung beſtimmter Männer als Vorkämpfer und Häupter, dem Beſtande eigener Organe zur Vertretung der gemeinſchaftlichen Meinung, endlich dem Gebrauche gewiſſer Mittel zur Förderung der Zwecke, ſind förmlich gegliederte Organiſationen, welche einer Partei eine befehlende Gewalt, regelmäßig vertheilte untergeordnete Behörden, einen genau geregelten Zuſammenhang und eine Verfügung über Geld und Menſchenkräfte geben. Eine ſolche Einrichtung iſt ein Staat im Staate und kann möglicherweiſe der geſetzlichen Gewalt unwiderſtehliche Hinderniſſe in den Weg legen. Beſonders bedenklich iſt, wenn ſich die Mitglieder zu unbedingtem Gehorſame verpflichten, vielleicht ſogar nach den Befehlen geheimer Oberen. Parteiorganismen dieſer Art ſind unverträglich mit einem geordneten Staatsweſen, und mit ihnen iſt, welches immer ihr wirklicher oder angeblicher Zweck ſei, ein Kampf auf Leben und Tod gerechtfertigt, überdies auf die Dauer nicht zu vermeiden. Beiſpiele ſolcher Vereine ſind die Jacobiner, die Carbonari, der badiſche Landesausſchuß von 1849. Ein großer Beweis von der politiſchen Durchbildung des engliſchen Volks iſt es, daß daſſelbe zwar wohl zur Durchführung eines beſtimmten Zweckes eine formellen Organiſation der Anhänger deſſelben duldet, (wie ihn z. B. die Anticornleague beſaß;) daß aber eine fortdauernde Unterordnung unter einem oberſten Rath und eine dadurch zu Stande kommende bleibende und im

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/171>, abgerufen am 24.11.2024.