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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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Vergewaltigung gar wohl vereinbar sind. Nicht ehrenrührig
aber, weil die sittliche Würde des Menschen unter der Aner-
kennung einer nützlichen und nothwendigen Einrichtung, also
auch der Handhabung der Staatsgewalt, nicht leidet.

In der Regel ist das Unterthanenverhältniß ein bleiben-
des
und ausschließendes. Jenes, weil man dem Staate
im Zweifel für das ganze Leben angehört; dieses, weil man
naturgemäß nur Angehöriger Eines Volkes und Eines ein-
heitlichen Organismus ist. Doch sind Ausnahmen möglich.
Einmal vorübergehend, während des Aufenthaltes in einem
fremden Staate, dessen Mitglied man allerdings durch das
Betreten seiner Grenzen nicht wird, dessen Gesetzen und Ein-
richtungen aber man während des Aufenthaltes zu folgen hat.
Ein Fremder ist nicht schuldig, zur Aufrechterhaltung des
gastlichen Staates positiv beizutragen; allein er darf dessen
Einrichtungen und Gesetze in keiner Weise stören und ist in-
soferne denselben unterthan. Sodann kann, zweitens, durch
Ansässigkeit in zwei Staaten ein Doppelverhältniß entstehen,
wo denn in Beziehung auf die sachlichen Verhältnisse den beiden
betreffenden Staaten zu gehorchen ist, in persönlichen jedem
während der Dauer des Aufenthalts, bei nur einmal möglichen
je nach einer Wahl. Endlich noch drittens, wenn der Unter-
than eines Staates (gesetzliche Erlaubniß vorausgesetzt) in den
Dienst eines anderen tritt. Hier ist er Unterthan des letztern
während der ganzen Dienstzeit, kann aber mannchfach auch in
Unterthanenverhältnissen zu dem angebornen Staate bleiben,
und kehrt auch wohl nach Aufhören des besondern Verhältnisses
ausschließlich zu dem letzteren zurück. -- Nicht zu verwechseln
natürlich mit einem solchen doppelten Unterthanenverhältnisse
ist die Stellung Solcher, welche Theilnehmer an einer colle-
gialisch geordneten Staatsgewalt sind, z. B. in einer Aristokratie
oder reinen Demokratie. Bei diesen kommt allerdings zu dem

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Vergewaltigung gar wohl vereinbar ſind. Nicht ehrenrührig
aber, weil die ſittliche Würde des Menſchen unter der Aner-
kennung einer nützlichen und nothwendigen Einrichtung, alſo
auch der Handhabung der Staatsgewalt, nicht leidet.

In der Regel iſt das Unterthanenverhältniß ein bleiben-
des
und ausſchließendes. Jenes, weil man dem Staate
im Zweifel für das ganze Leben angehört; dieſes, weil man
naturgemäß nur Angehöriger Eines Volkes und Eines ein-
heitlichen Organismus iſt. Doch ſind Ausnahmen möglich.
Einmal vorübergehend, während des Aufenthaltes in einem
fremden Staate, deſſen Mitglied man allerdings durch das
Betreten ſeiner Grenzen nicht wird, deſſen Geſetzen und Ein-
richtungen aber man während des Aufenthaltes zu folgen hat.
Ein Fremder iſt nicht ſchuldig, zur Aufrechterhaltung des
gaſtlichen Staates poſitiv beizutragen; allein er darf deſſen
Einrichtungen und Geſetze in keiner Weiſe ſtören und iſt in-
ſoferne denſelben unterthan. Sodann kann, zweitens, durch
Anſäſſigkeit in zwei Staaten ein Doppelverhältniß entſtehen,
wo denn in Beziehung auf die ſachlichen Verhältniſſe den beiden
betreffenden Staaten zu gehorchen iſt, in perſönlichen jedem
während der Dauer des Aufenthalts, bei nur einmal möglichen
je nach einer Wahl. Endlich noch drittens, wenn der Unter-
than eines Staates (geſetzliche Erlaubniß vorausgeſetzt) in den
Dienſt eines anderen tritt. Hier iſt er Unterthan des letztern
während der ganzen Dienſtzeit, kann aber mannchfach auch in
Unterthanenverhältniſſen zu dem angebornen Staate bleiben,
und kehrt auch wohl nach Aufhören des beſondern Verhältniſſes
ausſchließlich zu dem letzteren zurück. — Nicht zu verwechſeln
natürlich mit einem ſolchen doppelten Unterthanenverhältniſſe
iſt die Stellung Solcher, welche Theilnehmer an einer colle-
gialiſch geordneten Staatsgewalt ſind, z. B. in einer Ariſtokratie
oder reinen Demokratie. Bei dieſen kommt allerdings zu dem

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[115/0129] Vergewaltigung gar wohl vereinbar ſind. Nicht ehrenrührig aber, weil die ſittliche Würde des Menſchen unter der Aner- kennung einer nützlichen und nothwendigen Einrichtung, alſo auch der Handhabung der Staatsgewalt, nicht leidet. In der Regel iſt das Unterthanenverhältniß ein bleiben- des und ausſchließendes. Jenes, weil man dem Staate im Zweifel für das ganze Leben angehört; dieſes, weil man naturgemäß nur Angehöriger Eines Volkes und Eines ein- heitlichen Organismus iſt. Doch ſind Ausnahmen möglich. Einmal vorübergehend, während des Aufenthaltes in einem fremden Staate, deſſen Mitglied man allerdings durch das Betreten ſeiner Grenzen nicht wird, deſſen Geſetzen und Ein- richtungen aber man während des Aufenthaltes zu folgen hat. Ein Fremder iſt nicht ſchuldig, zur Aufrechterhaltung des gaſtlichen Staates poſitiv beizutragen; allein er darf deſſen Einrichtungen und Geſetze in keiner Weiſe ſtören und iſt in- ſoferne denſelben unterthan. Sodann kann, zweitens, durch Anſäſſigkeit in zwei Staaten ein Doppelverhältniß entſtehen, wo denn in Beziehung auf die ſachlichen Verhältniſſe den beiden betreffenden Staaten zu gehorchen iſt, in perſönlichen jedem während der Dauer des Aufenthalts, bei nur einmal möglichen je nach einer Wahl. Endlich noch drittens, wenn der Unter- than eines Staates (geſetzliche Erlaubniß vorausgeſetzt) in den Dienſt eines anderen tritt. Hier iſt er Unterthan des letztern während der ganzen Dienſtzeit, kann aber mannchfach auch in Unterthanenverhältniſſen zu dem angebornen Staate bleiben, und kehrt auch wohl nach Aufhören des beſondern Verhältniſſes ausſchließlich zu dem letzteren zurück. — Nicht zu verwechſeln natürlich mit einem ſolchen doppelten Unterthanenverhältniſſe iſt die Stellung Solcher, welche Theilnehmer an einer colle- gialiſch geordneten Staatsgewalt ſind, z. B. in einer Ariſtokratie oder reinen Demokratie. Bei dieſen kommt allerdings zu dem 8*

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/129>, abgerufen am 01.05.2024.