an den Organismus der Gesammtheit berechtigt, als anderer- seits zu gewissen Leistungen verpflichtet. Dies allerdings in verschiedenem Maße; und das Urtheil über die Leistungen eines Staates so wie über den Grad der von ihm gewährten Freiheit bestimmt sich eben darnach, ob mehr Leistungen oder mehr Berechtigungen vorliegen.
In den meisten Staatsgattungen also findet der Begriff von Unterthan und von Bürger Anwendung auf jede Person, mit einziger Ausnahme des Staatsoberhauptes. Unter- than ist der Staatsgenosse insoferne er zu gehorchen und zu den Gesammtlasten beizutragen hat. Als Bürger aber ist er zu bezeichnen, insoferne er die Förderung seiner Zwecke vom Staate zu verlangen befugt ist; mit besonderem Nachdruck aber ist er so genannt, wo und soweit er an der Leitung des Staates selbst, zur Vergewisserung dieser seiner Ansprüche, gesetzlichen Antheil nimmt.
Wenn alle Diejenigen, welche der Staatsgewalt unter- worfen sind, als Unterthanen bezeichnet werden müssen, so sind auch Solche hiervon nicht ausgenommen, welche eine aus- nahmsweise berechtigte Stellung in anderen Beziehungen haben. So z. B. in einer Monarchie die sämmtlichen Prinzen des Hauses, vom Thronfolger an; die Regenten früher unabhängiger Staaten, welche aber jetzt einem größeren einverleibt und seiner Gewalt unterworfen sind; die Häupter kirchlicher Genossen- schaften innerhalb des Staates, welchem sie nach Wohnort und sonstigen bürgerlichen Verhältnissen angehören 1). Die Stellung eines Unterthanen ist weder rechtlos noch ehrenrührig. Nicht rechtlos, weil die Verpflichtungen nur gesetzlich bestimmte sind, und weil neben ihrer Leistung derselben Person auch Ansprüche, vielleicht sogar sehr weitgehende, zustehen, da mit der Unter- werfung unter den Staatsgedanken und unter dessen Handhabung die mannigfachsten Rechte und ein genügender Schutz gegen
an den Organismus der Geſammtheit berechtigt, als anderer- ſeits zu gewiſſen Leiſtungen verpflichtet. Dies allerdings in verſchiedenem Maße; und das Urtheil über die Leiſtungen eines Staates ſo wie über den Grad der von ihm gewährten Freiheit beſtimmt ſich eben darnach, ob mehr Leiſtungen oder mehr Berechtigungen vorliegen.
In den meiſten Staatsgattungen alſo findet der Begriff von Unterthan und von Bürger Anwendung auf jede Perſon, mit einziger Ausnahme des Staatsoberhauptes. Unter- than iſt der Staatsgenoſſe inſoferne er zu gehorchen und zu den Geſammtlaſten beizutragen hat. Als Bürger aber iſt er zu bezeichnen, inſoferne er die Förderung ſeiner Zwecke vom Staate zu verlangen befugt iſt; mit beſonderem Nachdruck aber iſt er ſo genannt, wo und ſoweit er an der Leitung des Staates ſelbſt, zur Vergewiſſerung dieſer ſeiner Anſprüche, geſetzlichen Antheil nimmt.
Wenn alle Diejenigen, welche der Staatsgewalt unter- worfen ſind, als Unterthanen bezeichnet werden müſſen, ſo ſind auch Solche hiervon nicht ausgenommen, welche eine aus- nahmsweiſe berechtigte Stellung in anderen Beziehungen haben. So z. B. in einer Monarchie die ſämmtlichen Prinzen des Hauſes, vom Thronfolger an; die Regenten früher unabhängiger Staaten, welche aber jetzt einem größeren einverleibt und ſeiner Gewalt unterworfen ſind; die Häupter kirchlicher Genoſſen- ſchaften innerhalb des Staates, welchem ſie nach Wohnort und ſonſtigen bürgerlichen Verhältniſſen angehören 1). Die Stellung eines Unterthanen iſt weder rechtlos noch ehrenrührig. Nicht rechtlos, weil die Verpflichtungen nur geſetzlich beſtimmte ſind, und weil neben ihrer Leiſtung derſelben Perſon auch Anſprüche, vielleicht ſogar ſehr weitgehende, zuſtehen, da mit der Unter- werfung unter den Staatsgedanken und unter deſſen Handhabung die mannigfachſten Rechte und ein genügender Schutz gegen
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an den Organismus der Geſammtheit berechtigt, als anderer-
ſeits zu gewiſſen Leiſtungen verpflichtet. Dies allerdings in
verſchiedenem Maße; und das Urtheil über die Leiſtungen eines
Staates ſo wie über den Grad der von ihm gewährten Freiheit
beſtimmt ſich eben darnach, ob mehr Leiſtungen oder mehr
Berechtigungen vorliegen.
In den meiſten Staatsgattungen alſo findet der Begriff
von Unterthan und von Bürger Anwendung auf jede
Perſon, mit einziger Ausnahme des Staatsoberhauptes. Unter-
than iſt der Staatsgenoſſe inſoferne er zu gehorchen und zu den
Geſammtlaſten beizutragen hat. Als Bürger aber iſt er zu
bezeichnen, inſoferne er die Förderung ſeiner Zwecke vom Staate
zu verlangen befugt iſt; mit beſonderem Nachdruck aber iſt er
ſo genannt, wo und ſoweit er an der Leitung des Staates
ſelbſt, zur Vergewiſſerung dieſer ſeiner Anſprüche, geſetzlichen
Antheil nimmt.
Wenn alle Diejenigen, welche der Staatsgewalt unter-
worfen ſind, als Unterthanen bezeichnet werden müſſen, ſo
ſind auch Solche hiervon nicht ausgenommen, welche eine aus-
nahmsweiſe berechtigte Stellung in anderen Beziehungen haben.
So z. B. in einer Monarchie die ſämmtlichen Prinzen des
Hauſes, vom Thronfolger an; die Regenten früher unabhängiger
Staaten, welche aber jetzt einem größeren einverleibt und ſeiner
Gewalt unterworfen ſind; die Häupter kirchlicher Genoſſen-
ſchaften innerhalb des Staates, welchem ſie nach Wohnort und
ſonſtigen bürgerlichen Verhältniſſen angehören 1). Die Stellung
eines Unterthanen iſt weder rechtlos noch ehrenrührig. Nicht
rechtlos, weil die Verpflichtungen nur geſetzlich beſtimmte ſind,
und weil neben ihrer Leiſtung derſelben Perſon auch Anſprüche,
vielleicht ſogar ſehr weitgehende, zuſtehen, da mit der Unter-
werfung unter den Staatsgedanken und unter deſſen Handhabung
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/128>, abgerufen am 22.11.2024.
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