Das geht nun freylich so nicht, wenn man immer den Mann gehen läßt, bis er von selbst kommt, ihn nie anhäkelt, oder wohl gar vor ihm mit einem langen Zuge von Verdruß im Gesicht erscheinet. Aber es ist doch auch so schwer nicht, mein liebes Kind! wie Sie glauben, einen Mann auf jene Art so zu regieren, daß er noch immer einigermaaßen Liebhaber bleibt. Jch bin nur eine alte Frau; aber Sie können noch was sie wollen, ein Wort von Jhnen zur rechten Zeit, thut gewiß seine Würkung. Was brauchen Sie eben die leidende Tugend zu spielen? Die Seufzer einer Frau sind gut zum verscheuchen, aber nicht zum anholen; die Thräne des liebenden Mädgens, sagt ein altes Buch, steht wie der Thau auf der Rose; aber die auf den Wangen einer Frau, ist für den Mann ein Tropfen Gift, den er um alles in der Welt nicht ver- schlucken möchte. Stellen Sie sich nur immer freudig und hehr, so wird es der Mann auch werden, und wenn er es geworden ist, werden Sie es auch von Herzen werden.
Die Kunst so dazu gehört, ist so groß nicht. Nichts schmeichelt einem Manne mehr als die Freude seiner Frau, er sieht sich immer stolz als den Urheber derselben an. So bald Sie aber recht freudig sind: so werden Sie auch lebhaft und aufmerksam werden; jeder Augenblick wird Jhnen eine Gelegenheit geben, ein gefälliges Wort anzubringen, und Sie werden bald darin so geläufig werden, daß Sie nicht nöthig haben Jhren Verstand in große Unkosten zu setzen. Zuerst erfordert es freylich ein kleines Studium, und ich erinnere mich noch, wenn ich vordem in Gesellschaft gieng, daß ich vorher die Cha- rakter aller Personen, welche darinn erscheinen würden, mühsam überdachte, um dasjenige ausfindig zu machen, was ich einer jeden passendes und angenehmes sagen
wollte,
D 5
Nachſchrift.
Das geht nun freylich ſo nicht, wenn man immer den Mann gehen laͤßt, bis er von ſelbſt kommt, ihn nie anhaͤkelt, oder wohl gar vor ihm mit einem langen Zuge von Verdruß im Geſicht erſcheinet. Aber es iſt doch auch ſo ſchwer nicht, mein liebes Kind! wie Sie glauben, einen Mann auf jene Art ſo zu regieren, daß er noch immer einigermaaßen Liebhaber bleibt. Jch bin nur eine alte Frau; aber Sie koͤnnen noch was ſie wollen, ein Wort von Jhnen zur rechten Zeit, thut gewiß ſeine Wuͤrkung. Was brauchen Sie eben die leidende Tugend zu ſpielen? Die Seufzer einer Frau ſind gut zum verſcheuchen, aber nicht zum anholen; die Thraͤne des liebenden Maͤdgens, ſagt ein altes Buch, ſteht wie der Thau auf der Roſe; aber die auf den Wangen einer Frau, iſt fuͤr den Mann ein Tropfen Gift, den er um alles in der Welt nicht ver- ſchlucken moͤchte. Stellen Sie ſich nur immer freudig und hehr, ſo wird es der Mann auch werden, und wenn er es geworden iſt, werden Sie es auch von Herzen werden.
Die Kunſt ſo dazu gehoͤrt, iſt ſo groß nicht. Nichts ſchmeichelt einem Manne mehr als die Freude ſeiner Frau, er ſieht ſich immer ſtolz als den Urheber derſelben an. So bald Sie aber recht freudig ſind: ſo werden Sie auch lebhaft und aufmerkſam werden; jeder Augenblick wird Jhnen eine Gelegenheit geben, ein gefaͤlliges Wort anzubringen, und Sie werden bald darin ſo gelaͤufig werden, daß Sie nicht noͤthig haben Jhren Verſtand in große Unkoſten zu ſetzen. Zuerſt erfordert es freylich ein kleines Studium, und ich erinnere mich noch, wenn ich vordem in Geſellſchaft gieng, daß ich vorher die Cha- rakter aller Perſonen, welche darinn erſcheinen wuͤrden, muͤhſam uͤberdachte, um dasjenige ausfindig zu machen, was ich einer jeden paſſendes und angenehmes ſagen
wollte,
D 5
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Nachſchrift.
Das geht nun freylich ſo nicht, wenn man immer
den Mann gehen laͤßt, bis er von ſelbſt kommt, ihn nie
anhaͤkelt, oder wohl gar vor ihm mit einem langen Zuge
von Verdruß im Geſicht erſcheinet. Aber es iſt doch auch
ſo ſchwer nicht, mein liebes Kind! wie Sie glauben, einen
Mann auf jene Art ſo zu regieren, daß er noch immer
einigermaaßen Liebhaber bleibt. Jch bin nur eine alte
Frau; aber Sie koͤnnen noch was ſie wollen, ein Wort
von Jhnen zur rechten Zeit, thut gewiß ſeine Wuͤrkung.
Was brauchen Sie eben die leidende Tugend zu ſpielen?
Die Seufzer einer Frau ſind gut zum verſcheuchen, aber
nicht zum anholen; die Thraͤne des liebenden Maͤdgens,
ſagt ein altes Buch, ſteht wie der Thau auf der Roſe;
aber die auf den Wangen einer Frau, iſt fuͤr den Mann
ein Tropfen Gift, den er um alles in der Welt nicht ver-
ſchlucken moͤchte. Stellen Sie ſich nur immer freudig
und hehr, ſo wird es der Mann auch werden, und wenn
er es geworden iſt, werden Sie es auch von Herzen
werden.
Die Kunſt ſo dazu gehoͤrt, iſt ſo groß nicht. Nichts
ſchmeichelt einem Manne mehr als die Freude ſeiner
Frau, er ſieht ſich immer ſtolz als den Urheber derſelben
an. So bald Sie aber recht freudig ſind: ſo werden Sie
auch lebhaft und aufmerkſam werden; jeder Augenblick
wird Jhnen eine Gelegenheit geben, ein gefaͤlliges Wort
anzubringen, und Sie werden bald darin ſo gelaͤufig
werden, daß Sie nicht noͤthig haben Jhren Verſtand
in große Unkoſten zu ſetzen. Zuerſt erfordert es freylich
ein kleines Studium, und ich erinnere mich noch, wenn
ich vordem in Geſellſchaft gieng, daß ich vorher die Cha-
rakter aller Perſonen, welche darinn erſcheinen wuͤrden,
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/69>, abgerufen am 22.11.2024.
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