Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite
Es sollten die Wochenschr. auch die Anzeigen

Jedoch Sie sind diese Art der Philosophie an mir
nicht gewohnt, und haben also unmöglich solche Ursa-
chen errathen können, die mir nie in den Sinn gekom-
men sind. Also fort mit den Abführungsmitteln, und
weg ins Feuer weg, mit diesem Theile eines Briefes,
worin ich es einmal habe versuchen wollen, ob ich auch
wohl grämlich seyn könnte, wenn es meine Jahre erfor-
dern sollten. Jch befürchte es gelingt mir nicht, und ich
gehe sicherer, wenn ich Jhnen theureste Amalia, das
Glück unsrer Zeiten von seiner besseren Seite und in die-
sem einige bessere Gründe für mein Betragen zeige.

Wissen Sie also, daß Sie von der großen Ursache,
warum ich dem fortrauschenden Strome der Moden so
gelassen nachgesehen habe, so viel als gar nichts errathen
haben; sie sind edler, sie sind folgende. Ueberall wohin
wir unsre Augen wenden, hat die Natur nicht blos für
unsre Erhaltung, sondern auch für unser Vergnügen ge-
sorgt. So bald sie nur das Wasser erschaffen hatte, ließ
sie auch den Weinstock blühen, und pflanzte die Rose ne-
ben dem Kornfelde. Sie sorgte mit gleich mütterlicher
Sorgfalt für alle unsre Sinne, und auch für edlere Ge-
fühle, indem sie das holde Mädgen, was uns glücklich
machen sollte, nicht wie eine Truffel unter der Erde rei-
fen, sondern zur allgemeinen Freude über derselben auf-
blühen ließ. Jhre Mannigfaltigkeit ist unendlich, und
sie haßt die Einförmigkeit dergestalt, daß sie auch nicht
einmal die Pflanzen von einer Gattung sich völlig ähnlich
gemacht hat.

Schwerlich hat der Mensch, ihr edelstes Werk, min-
der vollkommen werden sollen. Auch hier in dieser klei-
nen Welt, wie man den Menschen nicht ganz unrecht
nennt, hat sie Blumen und Korn, Wasser und Wein,
und Truffeln und Mädgen erschaffen, und jedem seinen

gehöri-
Es ſollten die Wochenſchr. auch die Anzeigen

Jedoch Sie ſind dieſe Art der Philoſophie an mir
nicht gewohnt, und haben alſo unmoͤglich ſolche Urſa-
chen errathen koͤnnen, die mir nie in den Sinn gekom-
men ſind. Alſo fort mit den Abfuͤhrungsmitteln, und
weg ins Feuer weg, mit dieſem Theile eines Briefes,
worin ich es einmal habe verſuchen wollen, ob ich auch
wohl graͤmlich ſeyn koͤnnte, wenn es meine Jahre erfor-
dern ſollten. Jch befuͤrchte es gelingt mir nicht, und ich
gehe ſicherer, wenn ich Jhnen theureſte Amalia, das
Gluͤck unſrer Zeiten von ſeiner beſſeren Seite und in die-
ſem einige beſſere Gruͤnde fuͤr mein Betragen zeige.

Wiſſen Sie alſo, daß Sie von der großen Urſache,
warum ich dem fortrauſchenden Strome der Moden ſo
gelaſſen nachgeſehen habe, ſo viel als gar nichts errathen
haben; ſie ſind edler, ſie ſind folgende. Ueberall wohin
wir unſre Augen wenden, hat die Natur nicht blos fuͤr
unſre Erhaltung, ſondern auch fuͤr unſer Vergnuͤgen ge-
ſorgt. So bald ſie nur das Waſſer erſchaffen hatte, ließ
ſie auch den Weinſtock bluͤhen, und pflanzte die Roſe ne-
ben dem Kornfelde. Sie ſorgte mit gleich muͤtterlicher
Sorgfalt fuͤr alle unſre Sinne, und auch fuͤr edlere Ge-
fuͤhle, indem ſie das holde Maͤdgen, was uns gluͤcklich
machen ſollte, nicht wie eine Truffel unter der Erde rei-
fen, ſondern zur allgemeinen Freude uͤber derſelben auf-
bluͤhen ließ. Jhre Mannigfaltigkeit iſt unendlich, und
ſie haßt die Einfoͤrmigkeit dergeſtalt, daß ſie auch nicht
einmal die Pflanzen von einer Gattung ſich voͤllig aͤhnlich
gemacht hat.

Schwerlich hat der Menſch, ihr edelſtes Werk, min-
der vollkommen werden ſollen. Auch hier in dieſer klei-
nen Welt, wie man den Menſchen nicht ganz unrecht
nennt, hat ſie Blumen und Korn, Waſſer und Wein,
und Truffeln und Maͤdgen erſchaffen, und jedem ſeinen

gehoͤri-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0054" n="42"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Es &#x017F;ollten die Wochen&#x017F;chr. auch die Anzeigen</hi> </fw><lb/>
            <p>Jedoch Sie &#x017F;ind die&#x017F;e Art der Philo&#x017F;ophie an mir<lb/>
nicht gewohnt, und haben al&#x017F;o unmo&#x0364;glich &#x017F;olche Ur&#x017F;a-<lb/>
chen errathen ko&#x0364;nnen, die mir nie in den Sinn gekom-<lb/>
men &#x017F;ind. Al&#x017F;o fort mit den Abfu&#x0364;hrungsmitteln, und<lb/>
weg ins Feuer weg, mit die&#x017F;em Theile eines Briefes,<lb/>
worin ich es einmal habe ver&#x017F;uchen wollen, ob ich auch<lb/>
wohl gra&#x0364;mlich &#x017F;eyn ko&#x0364;nnte, wenn es meine Jahre erfor-<lb/>
dern &#x017F;ollten. Jch befu&#x0364;rchte es gelingt mir nicht, und ich<lb/>
gehe &#x017F;icherer, wenn ich Jhnen theure&#x017F;te Amalia, das<lb/>
Glu&#x0364;ck un&#x017F;rer Zeiten von &#x017F;einer be&#x017F;&#x017F;eren Seite und in die-<lb/>
&#x017F;em einige be&#x017F;&#x017F;ere Gru&#x0364;nde fu&#x0364;r mein Betragen zeige.</p><lb/>
            <p>Wi&#x017F;&#x017F;en Sie al&#x017F;o, daß Sie von der großen Ur&#x017F;ache,<lb/>
warum ich dem fortrau&#x017F;chenden Strome der Moden &#x017F;o<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;en nachge&#x017F;ehen habe, &#x017F;o viel als gar nichts errathen<lb/>
haben; &#x017F;ie &#x017F;ind edler, &#x017F;ie &#x017F;ind folgende. Ueberall wohin<lb/>
wir un&#x017F;re Augen wenden, hat die Natur nicht blos fu&#x0364;r<lb/>
un&#x017F;re Erhaltung, &#x017F;ondern auch fu&#x0364;r un&#x017F;er Vergnu&#x0364;gen ge-<lb/>
&#x017F;orgt. So bald &#x017F;ie nur das Wa&#x017F;&#x017F;er er&#x017F;chaffen hatte, ließ<lb/>
&#x017F;ie auch den Wein&#x017F;tock blu&#x0364;hen, und pflanzte die Ro&#x017F;e ne-<lb/>
ben dem Kornfelde. Sie &#x017F;orgte mit gleich mu&#x0364;tterlicher<lb/>
Sorgfalt fu&#x0364;r alle un&#x017F;re Sinne, und auch fu&#x0364;r edlere Ge-<lb/>
fu&#x0364;hle, indem &#x017F;ie das holde Ma&#x0364;dgen, was uns glu&#x0364;cklich<lb/>
machen &#x017F;ollte, nicht wie eine Truffel unter der Erde rei-<lb/>
fen, &#x017F;ondern zur allgemeinen Freude u&#x0364;ber der&#x017F;elben auf-<lb/>
blu&#x0364;hen ließ. Jhre Mannigfaltigkeit i&#x017F;t unendlich, und<lb/>
&#x017F;ie haßt die Einfo&#x0364;rmigkeit derge&#x017F;talt, daß &#x017F;ie auch nicht<lb/>
einmal die Pflanzen von einer Gattung &#x017F;ich vo&#x0364;llig a&#x0364;hnlich<lb/>
gemacht hat.</p><lb/>
            <p>Schwerlich hat der Men&#x017F;ch, ihr edel&#x017F;tes Werk, min-<lb/>
der vollkommen werden &#x017F;ollen. Auch hier in die&#x017F;er klei-<lb/>
nen Welt, wie man den Men&#x017F;chen nicht ganz unrecht<lb/>
nennt, hat &#x017F;ie Blumen und Korn, Wa&#x017F;&#x017F;er und Wein,<lb/>
und Truffeln und Ma&#x0364;dgen er&#x017F;chaffen, und jedem &#x017F;einen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">geho&#x0364;ri-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0054] Es ſollten die Wochenſchr. auch die Anzeigen Jedoch Sie ſind dieſe Art der Philoſophie an mir nicht gewohnt, und haben alſo unmoͤglich ſolche Urſa- chen errathen koͤnnen, die mir nie in den Sinn gekom- men ſind. Alſo fort mit den Abfuͤhrungsmitteln, und weg ins Feuer weg, mit dieſem Theile eines Briefes, worin ich es einmal habe verſuchen wollen, ob ich auch wohl graͤmlich ſeyn koͤnnte, wenn es meine Jahre erfor- dern ſollten. Jch befuͤrchte es gelingt mir nicht, und ich gehe ſicherer, wenn ich Jhnen theureſte Amalia, das Gluͤck unſrer Zeiten von ſeiner beſſeren Seite und in die- ſem einige beſſere Gruͤnde fuͤr mein Betragen zeige. Wiſſen Sie alſo, daß Sie von der großen Urſache, warum ich dem fortrauſchenden Strome der Moden ſo gelaſſen nachgeſehen habe, ſo viel als gar nichts errathen haben; ſie ſind edler, ſie ſind folgende. Ueberall wohin wir unſre Augen wenden, hat die Natur nicht blos fuͤr unſre Erhaltung, ſondern auch fuͤr unſer Vergnuͤgen ge- ſorgt. So bald ſie nur das Waſſer erſchaffen hatte, ließ ſie auch den Weinſtock bluͤhen, und pflanzte die Roſe ne- ben dem Kornfelde. Sie ſorgte mit gleich muͤtterlicher Sorgfalt fuͤr alle unſre Sinne, und auch fuͤr edlere Ge- fuͤhle, indem ſie das holde Maͤdgen, was uns gluͤcklich machen ſollte, nicht wie eine Truffel unter der Erde rei- fen, ſondern zur allgemeinen Freude uͤber derſelben auf- bluͤhen ließ. Jhre Mannigfaltigkeit iſt unendlich, und ſie haßt die Einfoͤrmigkeit dergeſtalt, daß ſie auch nicht einmal die Pflanzen von einer Gattung ſich voͤllig aͤhnlich gemacht hat. Schwerlich hat der Menſch, ihr edelſtes Werk, min- der vollkommen werden ſollen. Auch hier in dieſer klei- nen Welt, wie man den Menſchen nicht ganz unrecht nennt, hat ſie Blumen und Korn, Waſſer und Wein, und Truffeln und Maͤdgen erſchaffen, und jedem ſeinen gehoͤri-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/54
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/54>, abgerufen am 22.11.2024.