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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Ueber die Osnabrückischen Zehnten.
kanft und das daraus erlösete Geld in den Schatzkasten
gelegt werden sollte.

v. add. IV. ad Capit. §. 89. beym Georgisch. in Corp.
J. G. p.
1821.

Dieses hatte natürlicher Weise die Folge, daß er nicht
mehr Zehnten vom Felde zog, als er zu obigem Ende nö-
thig hatte; und sich das übrige gern mit Gelde ablö-
sen ließ.

Wollte nun aber jetzt ein Bischof oder Regent seine
Bedürfnisse zum Grunde nehmen, warum er den Zehnten
vom Felde ziehen müßte: so konnte er doch einzelnen
Zehntpflichtigen ein mehrers nicht abfordern, als sie in
ihrem Verhältnisse dazu beytragen müßten; und nur als
denn den völligen Zehnten nehmen, wenn die Noth so
groß wäre, daß sie nicht anders als mit dem Zehnten des
ganzen Sprengels bestritten werden könnte. Die Cano-
nisten haben die Bischöflichen und Parochialzehnten begün-
stiget, weil diese, da sie einen Theil der öffentlichen Be-
soldung ausmachen, noch würklich die Eigenschaft einer
Steuer hätten. Allein es bleibt immer die Frage: warum
sollen einzelne Zehntpflichtige für das Ganze leiden; und
wie wenige ursprüngliche Parochialzehnten mögen annoch
vorhanden seyn, da zuerst alle abgelöset, und die heuti-
gen Zehnten fast alle durch Kauf und Vermächtnisse an
die Kirche zurückgekehrt sind!

Drittens verliert jede Steuer, so bald sie in die
Hände eines Privatmannes kömmt, ihre Natur, und ih-
ren Wachsthum; sie verwandelt sich von dem Augenblick
an, da sie verkauft oder verschenkt wird, in einen trock-
nen Zinß, weil das Bedürfniß des Privatmanns nicht
mehr das Bedürfniß des Staats ist; und es würde

Viertens der ärgste Wucher seyn, wenn jemand, der
denarios et solidos decimales für ein benanntes Capital

ge-

Ueber die Oſnabruͤckiſchen Zehnten.
kanft und das daraus erloͤſete Geld in den Schatzkaſten
gelegt werden ſollte.

v. add. IV. ad Capit. §. 89. beym Georgiſch. in Corp.
J. G. p.
1821.

Dieſes hatte natuͤrlicher Weiſe die Folge, daß er nicht
mehr Zehnten vom Felde zog, als er zu obigem Ende noͤ-
thig hatte; und ſich das uͤbrige gern mit Gelde abloͤ-
ſen ließ.

Wollte nun aber jetzt ein Biſchof oder Regent ſeine
Beduͤrfniſſe zum Grunde nehmen, warum er den Zehnten
vom Felde ziehen muͤßte: ſo konnte er doch einzelnen
Zehntpflichtigen ein mehrers nicht abfordern, als ſie in
ihrem Verhaͤltniſſe dazu beytragen muͤßten; und nur als
denn den voͤlligen Zehnten nehmen, wenn die Noth ſo
groß waͤre, daß ſie nicht anders als mit dem Zehnten des
ganzen Sprengels beſtritten werden koͤnnte. Die Cano-
niſten haben die Biſchoͤflichen und Parochialzehnten beguͤn-
ſtiget, weil dieſe, da ſie einen Theil der oͤffentlichen Be-
ſoldung ausmachen, noch wuͤrklich die Eigenſchaft einer
Steuer haͤtten. Allein es bleibt immer die Frage: warum
ſollen einzelne Zehntpflichtige fuͤr das Ganze leiden; und
wie wenige urſpruͤngliche Parochialzehnten moͤgen annoch
vorhanden ſeyn, da zuerſt alle abgeloͤſet, und die heuti-
gen Zehnten faſt alle durch Kauf und Vermaͤchtniſſe an
die Kirche zuruͤckgekehrt ſind!

Drittens verliert jede Steuer, ſo bald ſie in die
Haͤnde eines Privatmannes koͤmmt, ihre Natur, und ih-
ren Wachsthum; ſie verwandelt ſich von dem Augenblick
an, da ſie verkauft oder verſchenkt wird, in einen trock-
nen Zinß, weil das Beduͤrfniß des Privatmanns nicht
mehr das Beduͤrfniß des Staats iſt; und es wuͤrde

Viertens der aͤrgſte Wucher ſeyn, wenn jemand, der
denarios et ſolidos decimales fuͤr ein benanntes Capital

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[371/0383] Ueber die Oſnabruͤckiſchen Zehnten. kanft und das daraus erloͤſete Geld in den Schatzkaſten gelegt werden ſollte. v. add. IV. ad Capit. §. 89. beym Georgiſch. in Corp. J. G. p. 1821. Dieſes hatte natuͤrlicher Weiſe die Folge, daß er nicht mehr Zehnten vom Felde zog, als er zu obigem Ende noͤ- thig hatte; und ſich das uͤbrige gern mit Gelde abloͤ- ſen ließ. Wollte nun aber jetzt ein Biſchof oder Regent ſeine Beduͤrfniſſe zum Grunde nehmen, warum er den Zehnten vom Felde ziehen muͤßte: ſo konnte er doch einzelnen Zehntpflichtigen ein mehrers nicht abfordern, als ſie in ihrem Verhaͤltniſſe dazu beytragen muͤßten; und nur als denn den voͤlligen Zehnten nehmen, wenn die Noth ſo groß waͤre, daß ſie nicht anders als mit dem Zehnten des ganzen Sprengels beſtritten werden koͤnnte. Die Cano- niſten haben die Biſchoͤflichen und Parochialzehnten beguͤn- ſtiget, weil dieſe, da ſie einen Theil der oͤffentlichen Be- ſoldung ausmachen, noch wuͤrklich die Eigenſchaft einer Steuer haͤtten. Allein es bleibt immer die Frage: warum ſollen einzelne Zehntpflichtige fuͤr das Ganze leiden; und wie wenige urſpruͤngliche Parochialzehnten moͤgen annoch vorhanden ſeyn, da zuerſt alle abgeloͤſet, und die heuti- gen Zehnten faſt alle durch Kauf und Vermaͤchtniſſe an die Kirche zuruͤckgekehrt ſind! Drittens verliert jede Steuer, ſo bald ſie in die Haͤnde eines Privatmannes koͤmmt, ihre Natur, und ih- ren Wachsthum; ſie verwandelt ſich von dem Augenblick an, da ſie verkauft oder verſchenkt wird, in einen trock- nen Zinß, weil das Beduͤrfniß des Privatmanns nicht mehr das Beduͤrfniß des Staats iſt; und es wuͤrde Viertens der aͤrgſte Wucher ſeyn, wenn jemand, der denarios et ſolidos decimales fuͤr ein benanntes Capital ge-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/383>, abgerufen am 06.05.2024.