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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Ueber die Osnabrückischen Zehnten.
Nos considerantes, pium et justum esse, redimi deci-
mas de manu laicorum redemtionem totalis decimae
curtis in Honen, a nobili viro de Stenvordia, nostro
consanguineo, redemerunt.

Wenn nun aber solchergestalt von den ältesten Zeiten
her die Zehnten gelöset worden; wenn dadurch das Wort
Zehntlose, wie aus obigen Urkunden erhellet, in die
Volkssprache aufgenommen worden. Wenn in alten Rach-
richten von libris, talentis, folidis et denariis decimalibus,
als von einer Bankomünze gesprochen, und dagegen gar
keines einzigen Naturalzehnten vom Felde gedacht wird.
Wenn diejenigen, welche den Zehnten vom Felde ziehen
wollten, von den Bischöfen selbst injuriosi et onerosi de-
cimatores
genannt werden; und wenn endlich diese in
plena synodo
erkennen, daß die Zehnten über aller Men-
schen Gedenken gelöset gewesen: so glaube ich, daß man
wenigstens in unserm Stifte (von andern sächsischen Stif-
tern wird sich aber der Beweis auch führen lassen) die
Vermuthung gegen den Naturalzehnten, und für eine
ursprüngliche Verpachtung fassen könne.

Die Ursachen dieser großen und wichtigen Verände-
rung mag ich nicht darin suchen, daß die Sachsen sich
wegerten den Zehnten zu geben, und daß vielleicht die
ersten Bischöfe, wie auch schon von Esgen
in jure eccl. p. II. lit. 23. c. 2.

bemerkt, um das Volk zu gewinnen, sich ihres Rechts
nicht nach aller Strenge bedient, sondern den Zehnten
zu einem leidlichen Pachtgelde erlassen haben. Nein!
ich bedarf dieser Vermuthung nicht; so sehr ihr auch die
Geschichte dieser Zeit, das Capitular von 829, de deci-
mis, quas populus dare non vult, nisi quolibet modo ab
eo redimantur,
und der bekannte Brief Alcuins, Carls

des
A a 5
Ueber die Oſnabruͤckiſchen Zehnten.
Nos conſiderantes, pium et juſtum eſſe, redimi deci-
mas de manu laicorum redemtionem totalis decimae
curtis in Honen, a nobili viro de Stenvordia, noſtro
conſanguineo, redemerunt.

Wenn nun aber ſolchergeſtalt von den aͤlteſten Zeiten
her die Zehnten geloͤſet worden; wenn dadurch das Wort
Zehntloſe, wie aus obigen Urkunden erhellet, in die
Volksſprache aufgenommen worden. Wenn in alten Rach-
richten von libris, talentis, folidis et denariis decimalibus,
als von einer Bankomuͤnze geſprochen, und dagegen gar
keines einzigen Naturalzehnten vom Felde gedacht wird.
Wenn diejenigen, welche den Zehnten vom Felde ziehen
wollten, von den Biſchoͤfen ſelbſt injurioſi et oneroſi de-
cimatores
genannt werden; und wenn endlich dieſe in
plena ſynodo
erkennen, daß die Zehnten uͤber aller Men-
ſchen Gedenken geloͤſet geweſen: ſo glaube ich, daß man
wenigſtens in unſerm Stifte (von andern ſaͤchſiſchen Stif-
tern wird ſich aber der Beweis auch fuͤhren laſſen) die
Vermuthung gegen den Naturalzehnten, und fuͤr eine
urſpruͤngliche Verpachtung faſſen koͤnne.

Die Urſachen dieſer großen und wichtigen Veraͤnde-
rung mag ich nicht darin ſuchen, daß die Sachſen ſich
wegerten den Zehnten zu geben, und daß vielleicht die
erſten Biſchoͤfe, wie auch ſchon von Eſgen
in jure eccl. p. II. lit. 23. c. 2.

bemerkt, um das Volk zu gewinnen, ſich ihres Rechts
nicht nach aller Strenge bedient, ſondern den Zehnten
zu einem leidlichen Pachtgelde erlaſſen haben. Nein!
ich bedarf dieſer Vermuthung nicht; ſo ſehr ihr auch die
Geſchichte dieſer Zeit, das Capitular von 829, de deci-
mis, quas populus dare non vult, niſi quolibet modo ab
eo redimantur,
und der bekannte Brief Alcuins, Carls

des
A a 5
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[369/0381] Ueber die Oſnabruͤckiſchen Zehnten. Nos conſiderantes, pium et juſtum eſſe, redimi deci- mas de manu laicorum redemtionem totalis decimae curtis in Honen, a nobili viro de Stenvordia, noſtro conſanguineo, redemerunt. Wenn nun aber ſolchergeſtalt von den aͤlteſten Zeiten her die Zehnten geloͤſet worden; wenn dadurch das Wort Zehntloſe, wie aus obigen Urkunden erhellet, in die Volksſprache aufgenommen worden. Wenn in alten Rach- richten von libris, talentis, folidis et denariis decimalibus, als von einer Bankomuͤnze geſprochen, und dagegen gar keines einzigen Naturalzehnten vom Felde gedacht wird. Wenn diejenigen, welche den Zehnten vom Felde ziehen wollten, von den Biſchoͤfen ſelbſt injurioſi et oneroſi de- cimatores genannt werden; und wenn endlich dieſe in plena ſynodo erkennen, daß die Zehnten uͤber aller Men- ſchen Gedenken geloͤſet geweſen: ſo glaube ich, daß man wenigſtens in unſerm Stifte (von andern ſaͤchſiſchen Stif- tern wird ſich aber der Beweis auch fuͤhren laſſen) die Vermuthung gegen den Naturalzehnten, und fuͤr eine urſpruͤngliche Verpachtung faſſen koͤnne. Die Urſachen dieſer großen und wichtigen Veraͤnde- rung mag ich nicht darin ſuchen, daß die Sachſen ſich wegerten den Zehnten zu geben, und daß vielleicht die erſten Biſchoͤfe, wie auch ſchon von Eſgen in jure eccl. p. II. lit. 23. c. 2. bemerkt, um das Volk zu gewinnen, ſich ihres Rechts nicht nach aller Strenge bedient, ſondern den Zehnten zu einem leidlichen Pachtgelde erlaſſen haben. Nein! ich bedarf dieſer Vermuthung nicht; ſo ſehr ihr auch die Geſchichte dieſer Zeit, das Capitular von 829, de deci- mis, quas populus dare non vult, niſi quolibet modo ab eo redimantur, und der bekannte Brief Alcuins, Carls des A a 5

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/381>, abgerufen am 05.05.2024.