IV. Ueber die Erziehung des Adels von einem Edelmanne.
Der unermüdete Eyfer, womit Euer Hochf. Durch- laucht sich der Erziehung der Jugend annehmen, läßt mich hoffen, daß Höchstdieselben, ens und anderes, was ich bey den in solcher Absicht gemachten Einrich- tungen zu erinnern finde, nicht ungnädig aufnehmen werden.
Diese sind, wie mir dünkt, größtentheils für künf- tige Gelehrte gemacht, und was sie zur Vorbereitung der Jugend für andre Stände beytragen sollen, scheint mir dasjenige bey weitem nicht zu würken, was die prak- tische Anführung zu denselben würken kann. So wie junge Leute, welche ein Handwerk lernen sollen, niemals dasjenige in einer Realschule lernen werden, was ihnen in der Werkstätte eines guten Meisters gelehrt wird; eben so wenig werden künftige Staatsmänner in einer Staats- oder Cameralschule vollkommen gebildet werden. Jene müssen, so wie sie ihr vierzehntes Jahr erreichet, und dasjenige erlernet haben, was sie erlernen können und müssen, die Schulen der Gelehrten verlassen, und sich einem Meister übergeben; und eben dieses müssen meiner Meinung nach auch diejenigen thun, welche sich andern Ständen widmen wollen.
Mit den Gelehrten ist es eine eigne Sache; ihre Anzahl wird in Verhältnis ihrer Mitbürger, immer nur gering seyn dürfen, wenn ein Staat, der viele ausü- bende und nur wenig lehrende Männer gebraucht, groß
und
B 2
IV. Ueber die Erziehung des Adels von einem Edelmanne.
Der unermuͤdete Eyfer, womit Euer Hochf. Durch- laucht ſich der Erziehung der Jugend annehmen, laͤßt mich hoffen, daß Hoͤchſtdieſelben, ens und anderes, was ich bey den in ſolcher Abſicht gemachten Einrich- tungen zu erinnern finde, nicht ungnaͤdig aufnehmen werden.
Dieſe ſind, wie mir duͤnkt, groͤßtentheils fuͤr kuͤnf- tige Gelehrte gemacht, und was ſie zur Vorbereitung der Jugend fuͤr andre Staͤnde beytragen ſollen, ſcheint mir dasjenige bey weitem nicht zu wuͤrken, was die prak- tiſche Anfuͤhrung zu denſelben wuͤrken kann. So wie junge Leute, welche ein Handwerk lernen ſollen, niemals dasjenige in einer Realſchule lernen werden, was ihnen in der Werkſtaͤtte eines guten Meiſters gelehrt wird; eben ſo wenig werden kuͤnftige Staatsmaͤnner in einer Staats- oder Cameralſchule vollkommen gebildet werden. Jene muͤſſen, ſo wie ſie ihr vierzehntes Jahr erreichet, und dasjenige erlernet haben, was ſie erlernen koͤnnen und muͤſſen, die Schulen der Gelehrten verlaſſen, und ſich einem Meiſter uͤbergeben; und eben dieſes muͤſſen meiner Meinung nach auch diejenigen thun, welche ſich andern Staͤnden widmen wollen.
Mit den Gelehrten iſt es eine eigne Sache; ihre Anzahl wird in Verhaͤltnis ihrer Mitbuͤrger, immer nur gering ſeyn duͤrfen, wenn ein Staat, der viele ausuͤ- bende und nur wenig lehrende Maͤnner gebraucht, groß
und
B 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0031"n="19"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">IV.</hi><lb/>
Ueber die Erziehung des Adels von einem<lb/>
Edelmanne.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>er unermuͤdete Eyfer, womit Euer Hochf. Durch-<lb/>
laucht ſich der Erziehung der Jugend annehmen,<lb/>
laͤßt mich hoffen, daß Hoͤchſtdieſelben, ens und anderes,<lb/>
was ich bey den in ſolcher Abſicht gemachten Einrich-<lb/>
tungen zu erinnern finde, nicht ungnaͤdig aufnehmen<lb/>
werden.</p><lb/><p>Dieſe ſind, wie mir duͤnkt, groͤßtentheils fuͤr kuͤnf-<lb/>
tige Gelehrte gemacht, und was ſie zur Vorbereitung<lb/>
der Jugend fuͤr andre Staͤnde beytragen ſollen, ſcheint<lb/>
mir dasjenige bey weitem nicht zu wuͤrken, was die prak-<lb/>
tiſche Anfuͤhrung zu denſelben wuͤrken kann. So wie<lb/>
junge Leute, welche ein Handwerk lernen ſollen, niemals<lb/>
dasjenige in einer Realſchule lernen werden, was ihnen<lb/>
in der Werkſtaͤtte eines guten Meiſters gelehrt wird;<lb/>
eben ſo wenig werden kuͤnftige Staatsmaͤnner in einer<lb/>
Staats- oder Cameralſchule vollkommen gebildet werden.<lb/>
Jene muͤſſen, ſo wie ſie ihr vierzehntes Jahr erreichet,<lb/>
und dasjenige erlernet haben, was ſie erlernen koͤnnen<lb/>
und muͤſſen, die Schulen der Gelehrten verlaſſen, und<lb/>ſich einem Meiſter uͤbergeben; und eben dieſes muͤſſen<lb/>
meiner Meinung nach auch diejenigen thun, welche ſich<lb/>
andern Staͤnden widmen wollen.</p><lb/><p>Mit den Gelehrten iſt es eine eigne Sache; ihre<lb/>
Anzahl wird in Verhaͤltnis ihrer Mitbuͤrger, immer nur<lb/>
gering ſeyn duͤrfen, wenn ein Staat, der viele ausuͤ-<lb/>
bende und nur wenig lehrende Maͤnner gebraucht, groß<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">und</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[19/0031]
IV.
Ueber die Erziehung des Adels von einem
Edelmanne.
Der unermuͤdete Eyfer, womit Euer Hochf. Durch-
laucht ſich der Erziehung der Jugend annehmen,
laͤßt mich hoffen, daß Hoͤchſtdieſelben, ens und anderes,
was ich bey den in ſolcher Abſicht gemachten Einrich-
tungen zu erinnern finde, nicht ungnaͤdig aufnehmen
werden.
Dieſe ſind, wie mir duͤnkt, groͤßtentheils fuͤr kuͤnf-
tige Gelehrte gemacht, und was ſie zur Vorbereitung
der Jugend fuͤr andre Staͤnde beytragen ſollen, ſcheint
mir dasjenige bey weitem nicht zu wuͤrken, was die prak-
tiſche Anfuͤhrung zu denſelben wuͤrken kann. So wie
junge Leute, welche ein Handwerk lernen ſollen, niemals
dasjenige in einer Realſchule lernen werden, was ihnen
in der Werkſtaͤtte eines guten Meiſters gelehrt wird;
eben ſo wenig werden kuͤnftige Staatsmaͤnner in einer
Staats- oder Cameralſchule vollkommen gebildet werden.
Jene muͤſſen, ſo wie ſie ihr vierzehntes Jahr erreichet,
und dasjenige erlernet haben, was ſie erlernen koͤnnen
und muͤſſen, die Schulen der Gelehrten verlaſſen, und
ſich einem Meiſter uͤbergeben; und eben dieſes muͤſſen
meiner Meinung nach auch diejenigen thun, welche ſich
andern Staͤnden widmen wollen.
Mit den Gelehrten iſt es eine eigne Sache; ihre
Anzahl wird in Verhaͤltnis ihrer Mitbuͤrger, immer nur
gering ſeyn duͤrfen, wenn ein Staat, der viele ausuͤ-
bende und nur wenig lehrende Maͤnner gebraucht, groß
und
B 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/31>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.