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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Ueber die Adelsprobe in Deutschland.
cher einen Lehnshof hat, sich wohl auf seine Dienstmann-
schaft beziehen, und durch den Beweis, daß seine Ahnen
in dergleichen Dienstmannschaft gestanden haben, seinen
alten Adel erweisen. Jndem es aber auch mittelbare oder
Unterdienstmannschaften, worunter die sogenannten Ho-
fes oder Hausgenossenschaften, und andere gemeine
Ganerbschaften gehören, gegeben hat: so mag der Be-
weis, daß jemand unter seinen Vorfahren ministeriales
gehabt habe, nicht hinreichen, sondern es muß erwiesen
werden, daß sie ministeriales curiae superioris gewesen;
mithin entweder bey öffentlichen Belehnungen, unter dem
persönlichen Vorsitze ihres Herrn (den personalis praesen-
tiae locum tenentem
nicht ausgeschlossen), Lehnsrichter,
Lehnsschöpfen, oder Pares curiae abgegeben, oder doch
solche Dienststellen bekleidet haben, welche nicht anders
als mit Reichs- oder Landes unmittelbaren Dienstleuten
besetzt waren. Jn den Landen, worin der Adel allein
Lehnsfähig ist, wird dieser Beweis leicht zu führen seyn.
Doch mag hierauf nur da mit Grunde gebauet werden,
wo die Lehne mit Herrlichkeiten oder doch mit Gerichts-
barkeiten verknüpft sind, als welche letztere nur guten
Dienstleuten verliehen zu werden pflegten.

Was die vom Adel aus der dritten Quelle zu erwei-
sen haben sollen, wenn sie als alte Edelleute in geschlos-
sene adeliche Gesellschaften aufgenommen werden wollen,
ist überall nicht gleich bestimmt. Jm Grunde aber hängt
die Bestimmung in diesem Falle überall, wo noch kein zu
Rechte beständiges Herkommen auf andre Schlüsse füh-
ret, von einer politischen Betrachtung ab. Vorher ist
festgesetzet worden, daß der Adel für alle und jede um so
viel angenehmer sey, je größer der Zeitraum ist, worin
er zu seiner Vollkommenheit reifet. Nach diesem Grund-
satze sollte der Reugeadelte unter den Ahnen, deren Adel

nach

Ueber die Adelsprobe in Deutſchland.
cher einen Lehnshof hat, ſich wohl auf ſeine Dienſtmann-
ſchaft beziehen, und durch den Beweis, daß ſeine Ahnen
in dergleichen Dienſtmannſchaft geſtanden haben, ſeinen
alten Adel erweiſen. Jndem es aber auch mittelbare oder
Unterdienſtmannſchaften, worunter die ſogenannten Ho-
fes oder Hausgenoſſenſchaften, und andere gemeine
Ganerbſchaften gehoͤren, gegeben hat: ſo mag der Be-
weis, daß jemand unter ſeinen Vorfahren miniſteriales
gehabt habe, nicht hinreichen, ſondern es muß erwieſen
werden, daß ſie miniſteriales curiae ſuperioris geweſen;
mithin entweder bey oͤffentlichen Belehnungen, unter dem
perſoͤnlichen Vorſitze ihres Herrn (den perſonalis praeſen-
tiae locum tenentem
nicht ausgeſchloſſen), Lehnsrichter,
Lehnsſchoͤpfen, oder Pares curiae abgegeben, oder doch
ſolche Dienſtſtellen bekleidet haben, welche nicht anders
als mit Reichs- oder Landes unmittelbaren Dienſtleuten
beſetzt waren. Jn den Landen, worin der Adel allein
Lehnsfaͤhig iſt, wird dieſer Beweis leicht zu fuͤhren ſeyn.
Doch mag hierauf nur da mit Grunde gebauet werden,
wo die Lehne mit Herrlichkeiten oder doch mit Gerichts-
barkeiten verknuͤpft ſind, als welche letztere nur guten
Dienſtleuten verliehen zu werden pflegten.

Was die vom Adel aus der dritten Quelle zu erwei-
ſen haben ſollen, wenn ſie als alte Edelleute in geſchloſ-
ſene adeliche Geſellſchaften aufgenommen werden wollen,
iſt uͤberall nicht gleich beſtimmt. Jm Grunde aber haͤngt
die Beſtimmung in dieſem Falle uͤberall, wo noch kein zu
Rechte beſtaͤndiges Herkommen auf andre Schluͤſſe fuͤh-
ret, von einer politiſchen Betrachtung ab. Vorher iſt
feſtgeſetzet worden, daß der Adel fuͤr alle und jede um ſo
viel angenehmer ſey, je groͤßer der Zeitraum iſt, worin
er zu ſeiner Vollkommenheit reifet. Nach dieſem Grund-
ſatze ſollte der Reugeadelte unter den Ahnen, deren Adel

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[278/0290] Ueber die Adelsprobe in Deutſchland. cher einen Lehnshof hat, ſich wohl auf ſeine Dienſtmann- ſchaft beziehen, und durch den Beweis, daß ſeine Ahnen in dergleichen Dienſtmannſchaft geſtanden haben, ſeinen alten Adel erweiſen. Jndem es aber auch mittelbare oder Unterdienſtmannſchaften, worunter die ſogenannten Ho- fes oder Hausgenoſſenſchaften, und andere gemeine Ganerbſchaften gehoͤren, gegeben hat: ſo mag der Be- weis, daß jemand unter ſeinen Vorfahren miniſteriales gehabt habe, nicht hinreichen, ſondern es muß erwieſen werden, daß ſie miniſteriales curiae ſuperioris geweſen; mithin entweder bey oͤffentlichen Belehnungen, unter dem perſoͤnlichen Vorſitze ihres Herrn (den perſonalis praeſen- tiae locum tenentem nicht ausgeſchloſſen), Lehnsrichter, Lehnsſchoͤpfen, oder Pares curiae abgegeben, oder doch ſolche Dienſtſtellen bekleidet haben, welche nicht anders als mit Reichs- oder Landes unmittelbaren Dienſtleuten beſetzt waren. Jn den Landen, worin der Adel allein Lehnsfaͤhig iſt, wird dieſer Beweis leicht zu fuͤhren ſeyn. Doch mag hierauf nur da mit Grunde gebauet werden, wo die Lehne mit Herrlichkeiten oder doch mit Gerichts- barkeiten verknuͤpft ſind, als welche letztere nur guten Dienſtleuten verliehen zu werden pflegten. Was die vom Adel aus der dritten Quelle zu erwei- ſen haben ſollen, wenn ſie als alte Edelleute in geſchloſ- ſene adeliche Geſellſchaften aufgenommen werden wollen, iſt uͤberall nicht gleich beſtimmt. Jm Grunde aber haͤngt die Beſtimmung in dieſem Falle uͤberall, wo noch kein zu Rechte beſtaͤndiges Herkommen auf andre Schluͤſſe fuͤh- ret, von einer politiſchen Betrachtung ab. Vorher iſt feſtgeſetzet worden, daß der Adel fuͤr alle und jede um ſo viel angenehmer ſey, je groͤßer der Zeitraum iſt, worin er zu ſeiner Vollkommenheit reifet. Nach dieſem Grund- ſatze ſollte der Reugeadelte unter den Ahnen, deren Adel nach

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/290>, abgerufen am 12.05.2024.