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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Ueber die Adelsprobe in Deutschland.
verschwindet endlich ganz. Es geht dann mit dem Adel,
wie mit andern persönlichen Würden, die in einem glück-
lichen Augenblicke erschlichen, erkauft, und verdienet
werden können, aber auch eben durch diese Zufälligkeit
so sehr ihren Werth verlohren haben, daß kein Landgraf
von Hessen den Doctorhut, und kein Dallberg den Rit-
tersporn, noch wie ehedem verlangt. So wenig der Kay-
ser jetzo hiemit jemanden eine große Gnade erzeigen kann;
eben so wenig wird er es alsdann auch mit einem Adels-
briefe thun können. Blos der Umstand, daß der Adel
einige Jahrhunderte gebraucht, um zu seiner Vollkom-
menheit zu reifen, und daß der junge Edelmann dieser
Zukunft für seine Nachkommen mit Verlangen entgegen
sieht, macht ihm und allen bürgerlichen Standesperso-
nen den Adel wünschenswerth, und zum Bewegungs-
grunde, sich denselben durch Verdienste um den Staat
zu erwerben. Nur der Monarch, der sich zum Despo-
ten erheben, und alles unter sich in Sclaven von gleicher
Art verwandeln will, kann wünschen, daß er mit Titeln
und Adelsbriefen, nach seinem Gefallen schaffen und ver-
nichtigen könne, und daß alles vor ihm in gleicher Entfer-
nung kriechen und zittern, oder hassen und fluchen solle;
nicht der Unterthan. Dieser freuet sich, wenn er siehet,
daß der regierende Adel sich von dem dienenden trennt;
Könige und Fürsten ihre Gemalinnen außer Landes, und
ihre Minister unter dem Adel, suchen; Edelleute, wenn
sie Fürsten werden, auf Stand und Namen Verzicht thun,
und solchergestalt, die regierende, dienende, und ge-
meine Klasse der Menschen, auf eine Art geschieden wer-
den, daß die eine in der andern keine Vettern und Schwä-
ger hat, und der Nepotism nicht alles verschlingen kann.
Dem ganz großen Mann, einem Necker zum Beyspiele etc.,
bleibt dabey überall sein Recht, so wie dem ganz ver-

dienst-

Ueber die Adelsprobe in Deutſchland.
verſchwindet endlich ganz. Es geht dann mit dem Adel,
wie mit andern perſoͤnlichen Wuͤrden, die in einem gluͤck-
lichen Augenblicke erſchlichen, erkauft, und verdienet
werden koͤnnen, aber auch eben durch dieſe Zufaͤlligkeit
ſo ſehr ihren Werth verlohren haben, daß kein Landgraf
von Heſſen den Doctorhut, und kein Dallberg den Rit-
terſporn, noch wie ehedem verlangt. So wenig der Kay-
ſer jetzo hiemit jemanden eine große Gnade erzeigen kann;
eben ſo wenig wird er es alsdann auch mit einem Adels-
briefe thun koͤnnen. Blos der Umſtand, daß der Adel
einige Jahrhunderte gebraucht, um zu ſeiner Vollkom-
menheit zu reifen, und daß der junge Edelmann dieſer
Zukunft fuͤr ſeine Nachkommen mit Verlangen entgegen
ſieht, macht ihm und allen buͤrgerlichen Standesperſo-
nen den Adel wuͤnſchenswerth, und zum Bewegungs-
grunde, ſich denſelben durch Verdienſte um den Staat
zu erwerben. Nur der Monarch, der ſich zum Deſpo-
ten erheben, und alles unter ſich in Sclaven von gleicher
Art verwandeln will, kann wuͤnſchen, daß er mit Titeln
und Adelsbriefen, nach ſeinem Gefallen ſchaffen und ver-
nichtigen koͤnne, und daß alles vor ihm in gleicher Entfer-
nung kriechen und zittern, oder haſſen und fluchen ſolle;
nicht der Unterthan. Dieſer freuet ſich, wenn er ſiehet,
daß der regierende Adel ſich von dem dienenden trennt;
Koͤnige und Fuͤrſten ihre Gemalinnen außer Landes, und
ihre Miniſter unter dem Adel, ſuchen; Edelleute, wenn
ſie Fuͤrſten werden, auf Stand und Namen Verzicht thun,
und ſolchergeſtalt, die regierende, dienende, und ge-
meine Klaſſe der Menſchen, auf eine Art geſchieden wer-
den, daß die eine in der andern keine Vettern und Schwaͤ-
ger hat, und der Nepotism nicht alles verſchlingen kann.
Dem ganz großen Mann, einem Necker zum Beyſpiele ꝛc.,
bleibt dabey uͤberall ſein Recht, ſo wie dem ganz ver-

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[269/0281] Ueber die Adelsprobe in Deutſchland. verſchwindet endlich ganz. Es geht dann mit dem Adel, wie mit andern perſoͤnlichen Wuͤrden, die in einem gluͤck- lichen Augenblicke erſchlichen, erkauft, und verdienet werden koͤnnen, aber auch eben durch dieſe Zufaͤlligkeit ſo ſehr ihren Werth verlohren haben, daß kein Landgraf von Heſſen den Doctorhut, und kein Dallberg den Rit- terſporn, noch wie ehedem verlangt. So wenig der Kay- ſer jetzo hiemit jemanden eine große Gnade erzeigen kann; eben ſo wenig wird er es alsdann auch mit einem Adels- briefe thun koͤnnen. Blos der Umſtand, daß der Adel einige Jahrhunderte gebraucht, um zu ſeiner Vollkom- menheit zu reifen, und daß der junge Edelmann dieſer Zukunft fuͤr ſeine Nachkommen mit Verlangen entgegen ſieht, macht ihm und allen buͤrgerlichen Standesperſo- nen den Adel wuͤnſchenswerth, und zum Bewegungs- grunde, ſich denſelben durch Verdienſte um den Staat zu erwerben. Nur der Monarch, der ſich zum Deſpo- ten erheben, und alles unter ſich in Sclaven von gleicher Art verwandeln will, kann wuͤnſchen, daß er mit Titeln und Adelsbriefen, nach ſeinem Gefallen ſchaffen und ver- nichtigen koͤnne, und daß alles vor ihm in gleicher Entfer- nung kriechen und zittern, oder haſſen und fluchen ſolle; nicht der Unterthan. Dieſer freuet ſich, wenn er ſiehet, daß der regierende Adel ſich von dem dienenden trennt; Koͤnige und Fuͤrſten ihre Gemalinnen außer Landes, und ihre Miniſter unter dem Adel, ſuchen; Edelleute, wenn ſie Fuͤrſten werden, auf Stand und Namen Verzicht thun, und ſolchergeſtalt, die regierende, dienende, und ge- meine Klaſſe der Menſchen, auf eine Art geſchieden wer- den, daß die eine in der andern keine Vettern und Schwaͤ- ger hat, und der Nepotism nicht alles verſchlingen kann. Dem ganz großen Mann, einem Necker zum Beyſpiele ꝛc., bleibt dabey uͤberall ſein Recht, ſo wie dem ganz ver- dienſt-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/281>, abgerufen am 22.11.2024.