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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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nicht nach dem englischen.
ben, der als eine Kronwürde betrachtet, eben wie in
England, blos auf den Haupterben fällt. Jedoch sind
unsre Begriffe hievon nicht bestimmt und aufgeklärt ge-
nug. Wir machen keinen deutlichen Unterschied zwischen
Adel und Edelgebohrn, und so hilft es uns nichts, daß
wir auf den ersten Ursprung, oder auf den bösen Einfluß
der Sprache zurückgehen, und daraus die Geschichte der
Verwirrung wissen; es hilft uns nichts, daß der Gelehrte
in seiner Stube den Unterschied zwischen Adel (Kronehre)
und Edelbürtigkeit (Fähigkeit zu Kronehren) deutlich
denket: so lange wir im gemeinen Leben den Briefadel
als eine Würde, und nicht als eine Fähigkeit ansehen,
und die jüngern Söhne eines Freyherrn ohne Unterschied
Freyherrn nennen.

Jn dieser unsrer praktischen Denkungsart gehen wir
von den Engländern ab, bey denen die jüngern Söhne
des *) Adels, er mag so hoch seyn wie er will, blos Gen-
tlemens
im eigentlichen Verstande, das ist Kron-Lehnfä-
higgebohrne, und bis dahin, daß sie zu einem würklichen
Kronlehn gelangen, von allen Vorrechten des Adels aus-
geschlossen sind. Diese Denkungsart muß also erst geän-
dert, und der Unterschied zwischen dem Adel und den
Edelgebohrnen, oder wenn man dieses Wort nach dem
jetzigen Curs desselben, für ungeschickt hält, den adlich
gebohrnen,
deutlich festgesetzt, und gegen alle Misdeu-

tung
*) Große Herrn haben daher in ihren Familien für mehrere
jüngere Söhne eigne Würden, damit sie nicht unmittelbar
zu Gentlemens herabsinken -- Un Comte de Provence, un
Comte d' Artois
ist durch seine Grafschaft gleich vor diesen tie-
fen Fall bewahrt. Eben so machen es auch adliche Familien,
die ihren jüngeren Kindern besondere Herrlichkeiten, Stifts-
präbenden etc. etc. verschaffen.
Q 5

nicht nach dem engliſchen.
ben, der als eine Kronwuͤrde betrachtet, eben wie in
England, blos auf den Haupterben faͤllt. Jedoch ſind
unſre Begriffe hievon nicht beſtimmt und aufgeklaͤrt ge-
nug. Wir machen keinen deutlichen Unterſchied zwiſchen
Adel und Edelgebohrn, und ſo hilft es uns nichts, daß
wir auf den erſten Urſprung, oder auf den boͤſen Einfluß
der Sprache zuruͤckgehen, und daraus die Geſchichte der
Verwirrung wiſſen; es hilft uns nichts, daß der Gelehrte
in ſeiner Stube den Unterſchied zwiſchen Adel (Kronehre)
und Edelbuͤrtigkeit (Faͤhigkeit zu Kronehren) deutlich
denket: ſo lange wir im gemeinen Leben den Briefadel
als eine Wuͤrde, und nicht als eine Faͤhigkeit anſehen,
und die juͤngern Soͤhne eines Freyherrn ohne Unterſchied
Freyherrn nennen.

Jn dieſer unſrer praktiſchen Denkungsart gehen wir
von den Englaͤndern ab, bey denen die juͤngern Soͤhne
des *) Adels, er mag ſo hoch ſeyn wie er will, blos Gen-
tlemens
im eigentlichen Verſtande, das iſt Kron-Lehnfaͤ-
higgebohrne, und bis dahin, daß ſie zu einem wuͤrklichen
Kronlehn gelangen, von allen Vorrechten des Adels aus-
geſchloſſen ſind. Dieſe Denkungsart muß alſo erſt geaͤn-
dert, und der Unterſchied zwiſchen dem Adel und den
Edelgebohrnen, oder wenn man dieſes Wort nach dem
jetzigen Curs deſſelben, fuͤr ungeſchickt haͤlt, den adlich
gebohrnen,
deutlich feſtgeſetzt, und gegen alle Misdeu-

tung
*) Große Herrn haben daher in ihren Familien fuͤr mehrere
juͤngere Soͤhne eigne Wuͤrden, damit ſie nicht unmittelbar
zu Gentlemens herabſinken — Un Comte de Provence, un
Comte d’ Artois
iſt durch ſeine Grafſchaft gleich vor dieſen tie-
fen Fall bewahrt. Eben ſo machen es auch adliche Familien,
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Q 5
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[249/0261] nicht nach dem engliſchen. ben, der als eine Kronwuͤrde betrachtet, eben wie in England, blos auf den Haupterben faͤllt. Jedoch ſind unſre Begriffe hievon nicht beſtimmt und aufgeklaͤrt ge- nug. Wir machen keinen deutlichen Unterſchied zwiſchen Adel und Edelgebohrn, und ſo hilft es uns nichts, daß wir auf den erſten Urſprung, oder auf den boͤſen Einfluß der Sprache zuruͤckgehen, und daraus die Geſchichte der Verwirrung wiſſen; es hilft uns nichts, daß der Gelehrte in ſeiner Stube den Unterſchied zwiſchen Adel (Kronehre) und Edelbuͤrtigkeit (Faͤhigkeit zu Kronehren) deutlich denket: ſo lange wir im gemeinen Leben den Briefadel als eine Wuͤrde, und nicht als eine Faͤhigkeit anſehen, und die juͤngern Soͤhne eines Freyherrn ohne Unterſchied Freyherrn nennen. Jn dieſer unſrer praktiſchen Denkungsart gehen wir von den Englaͤndern ab, bey denen die juͤngern Soͤhne des *) Adels, er mag ſo hoch ſeyn wie er will, blos Gen- tlemens im eigentlichen Verſtande, das iſt Kron-Lehnfaͤ- higgebohrne, und bis dahin, daß ſie zu einem wuͤrklichen Kronlehn gelangen, von allen Vorrechten des Adels aus- geſchloſſen ſind. Dieſe Denkungsart muß alſo erſt geaͤn- dert, und der Unterſchied zwiſchen dem Adel und den Edelgebohrnen, oder wenn man dieſes Wort nach dem jetzigen Curs deſſelben, fuͤr ungeſchickt haͤlt, den adlich gebohrnen, deutlich feſtgeſetzt, und gegen alle Misdeu- tung *) Große Herrn haben daher in ihren Familien fuͤr mehrere juͤngere Soͤhne eigne Wuͤrden, damit ſie nicht unmittelbar zu Gentlemens herabſinken — Un Comte de Provence, un Comte d’ Artois iſt durch ſeine Grafſchaft gleich vor dieſen tie- fen Fall bewahrt. Eben ſo machen es auch adliche Familien, die ihren juͤngeren Kindern beſondere Herrlichkeiten, Stifts- praͤbenden ꝛc. ꝛc. verſchaffen. Q 5

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/261>, abgerufen am 25.11.2024.