Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.Ueber die Absteuer der Töchter letzt ganz. Man langt also damit zu alten Zeiten nichtaus; und so muß man auf ein anders Mittel denken, um die armen Mädgen zu versorgen, und die jungen Bur- schen nicht in die Sclaverey ihrer Brüder und Verwand- ten zu jagen. Aber woher nimmt man dieses, in einer Verfassung, worin wie gesagt, keine Städte und Dör- fer geduldet, keine neue Wohnungen erbauet, und keine Gelübde angenommen wurden? wo alle Bedienungen Reihelasten waren, die von den Hofgesessenen selbst ge- tragen wurden, wo man keine stehenden Armeen hatte, wo man von Krämern und Handwerkern nichts mehr wußte, als wir jetzt von Tyrolern und Jtalienern wissen, die mit Wettergläsern und Mausefallen zu uns kommen; und wo endlich niem and von seinen Jnteressen leben konn- te, weil man kein Geld zu Zinsen hatte? Jch gestehe gern, daß ich solches in dieser Verfas- Der Kayser vermehrte immer mehr und mehr seine Städte,
Ueber die Abſteuer der Toͤchter letzt ganz. Man langt alſo damit zu alten Zeiten nichtaus; und ſo muß man auf ein anders Mittel denken, um die armen Maͤdgen zu verſorgen, und die jungen Bur- ſchen nicht in die Sclaverey ihrer Bruͤder und Verwand- ten zu jagen. Aber woher nimmt man dieſes, in einer Verfaſſung, worin wie geſagt, keine Staͤdte und Doͤr- fer geduldet, keine neue Wohnungen erbauet, und keine Geluͤbde angenommen wurden? wo alle Bedienungen Reihelaſten waren, die von den Hofgeſeſſenen ſelbſt ge- tragen wurden, wo man keine ſtehenden Armeen hatte, wo man von Kraͤmern und Handwerkern nichts mehr wußte, als wir jetzt von Tyrolern und Jtalienern wiſſen, die mit Wetterglaͤſern und Mauſefallen zu uns kommen; und wo endlich niem and von ſeinen Jntereſſen leben konn- te, weil man kein Geld zu Zinſen hatte? Jch geſtehe gern, daß ich ſolches in dieſer Verfaſ- Der Kayſer vermehrte immer mehr und mehr ſeine Staͤdte,
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0230" n="218"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Ueber die Abſteuer der Toͤchter</hi></fw><lb/> letzt ganz. Man langt alſo damit zu alten Zeiten nicht<lb/> aus; und ſo muß man auf ein anders Mittel denken, um<lb/> die armen Maͤdgen zu verſorgen, und die jungen Bur-<lb/> ſchen nicht in die Sclaverey ihrer Bruͤder und Verwand-<lb/> ten zu jagen. Aber woher nimmt man dieſes, in einer<lb/> Verfaſſung, worin wie geſagt, keine Staͤdte und Doͤr-<lb/> fer geduldet, keine neue Wohnungen erbauet, und keine<lb/> Geluͤbde angenommen wurden? wo alle Bedienungen<lb/> Reihelaſten waren, die von den Hofgeſeſſenen ſelbſt ge-<lb/> tragen wurden, wo man keine ſtehenden Armeen hatte,<lb/> wo man von Kraͤmern und Handwerkern nichts mehr<lb/> wußte, als wir jetzt von Tyrolern und Jtalienern wiſſen,<lb/> die mit Wetterglaͤſern und Mauſefallen zu uns kommen;<lb/> und wo endlich niem and von ſeinen Jntereſſen leben konn-<lb/> te, weil man kein Geld zu Zinſen hatte?</p><lb/> <p>Jch geſtehe gern, daß ich ſolches in dieſer Verfaſ-<lb/> ſung nicht zu finden, und außer der von der Vorſehung<lb/> ſo weislich beguͤnſtigten Voͤlkerwandlung kein Mittel an-<lb/> zugeben weiß. Es bleibt mir daher nichts uͤbrig als die<lb/> Verfaſſung ſelbſt ſich ſo nach und nach abaͤndern zu laſ-<lb/> ſen, als es die Beduͤrfniſſe ſo vieler jungen Leute, die<lb/> doch auch heyrathen, und ihr Geſchlecht in Ehren fort-<lb/> pflanzen wollten, erfordert. Hiezu zeigen ſich nun fol-<lb/> gende Umſtaͤnde in der Geſchichte.</p><lb/> <p>Der Kayſer vermehrte immer mehr und mehr ſeine<lb/> Dienſtfolge; die Herzoge, Biſchoͤfe, Grafen und Herrn<lb/> thaten nach und nach ein gleiches, und hierin begab ſich<lb/> der vornehmſte Ueberſchuß. Es entſtanden Schutzgerech-<lb/> tigkeiten unter Kayſern, Herzogen, Biſchoͤfen, Grafen<lb/> und Herrn, und in dieſelben zog ſich eine Menge von<lb/> Leuten, welche ſich mit Kraͤmerey und Handwerk zu er-<lb/> naͤhren ſuchte; aus denſelben erwuchſen mit der Zeit<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Staͤdte,</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [218/0230]
Ueber die Abſteuer der Toͤchter
letzt ganz. Man langt alſo damit zu alten Zeiten nicht
aus; und ſo muß man auf ein anders Mittel denken, um
die armen Maͤdgen zu verſorgen, und die jungen Bur-
ſchen nicht in die Sclaverey ihrer Bruͤder und Verwand-
ten zu jagen. Aber woher nimmt man dieſes, in einer
Verfaſſung, worin wie geſagt, keine Staͤdte und Doͤr-
fer geduldet, keine neue Wohnungen erbauet, und keine
Geluͤbde angenommen wurden? wo alle Bedienungen
Reihelaſten waren, die von den Hofgeſeſſenen ſelbſt ge-
tragen wurden, wo man keine ſtehenden Armeen hatte,
wo man von Kraͤmern und Handwerkern nichts mehr
wußte, als wir jetzt von Tyrolern und Jtalienern wiſſen,
die mit Wetterglaͤſern und Mauſefallen zu uns kommen;
und wo endlich niem and von ſeinen Jntereſſen leben konn-
te, weil man kein Geld zu Zinſen hatte?
Jch geſtehe gern, daß ich ſolches in dieſer Verfaſ-
ſung nicht zu finden, und außer der von der Vorſehung
ſo weislich beguͤnſtigten Voͤlkerwandlung kein Mittel an-
zugeben weiß. Es bleibt mir daher nichts uͤbrig als die
Verfaſſung ſelbſt ſich ſo nach und nach abaͤndern zu laſ-
ſen, als es die Beduͤrfniſſe ſo vieler jungen Leute, die
doch auch heyrathen, und ihr Geſchlecht in Ehren fort-
pflanzen wollten, erfordert. Hiezu zeigen ſich nun fol-
gende Umſtaͤnde in der Geſchichte.
Der Kayſer vermehrte immer mehr und mehr ſeine
Dienſtfolge; die Herzoge, Biſchoͤfe, Grafen und Herrn
thaten nach und nach ein gleiches, und hierin begab ſich
der vornehmſte Ueberſchuß. Es entſtanden Schutzgerech-
tigkeiten unter Kayſern, Herzogen, Biſchoͤfen, Grafen
und Herrn, und in dieſelben zog ſich eine Menge von
Leuten, welche ſich mit Kraͤmerey und Handwerk zu er-
naͤhren ſuchte; aus denſelben erwuchſen mit der Zeit
Staͤdte,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |