Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.Der Wirth muß vorauf. Arbeit seyn, und sich nicht auch eine verstohlne Freudemachen sollte. Wie es des andern Morgens drey schlug, sagte ich daher zu meinem Mann: Der Wirth muß vor- auf, und so wie er dieses einigemal gethan hatte, war alles Gefinde so geschwind bey der Hand, daß ich seit der Zeit nicht nöthig gehabt habe, ein einziges Mal mit der Viehmagd über ihren langen Schlaf zu schmählen. An- fangs fiel es uns etwas hart, so früh die warmen Fe- dern zu verlassen. Wie wir es aber erst eine Zeit lang gethan hatten, war es uns nicht möglich lange über die gewohnte Zeit darinn zu verweilen, und wenn ein Feyer- tag uns eine Stunde später aufforderte: so waren wir doch zu rechter Zeit munter und feyerten nicht in süßen Umarmungen. Jeder Feyertag war uns dann doppelt willkommen, und wir freueten uns oft seines Anbruchs. Nun mein Schatz, weißt du mein ganzes Geheim- XXVII.
Der Wirth muß vorauf. Arbeit ſeyn, und ſich nicht auch eine verſtohlne Freudemachen ſollte. Wie es des andern Morgens drey ſchlug, ſagte ich daher zu meinem Mann: Der Wirth muß vor- auf, und ſo wie er dieſes einigemal gethan hatte, war alles Gefinde ſo geſchwind bey der Hand, daß ich ſeit der Zeit nicht noͤthig gehabt habe, ein einziges Mal mit der Viehmagd uͤber ihren langen Schlaf zu ſchmaͤhlen. An- fangs fiel es uns etwas hart, ſo fruͤh die warmen Fe- dern zu verlaſſen. Wie wir es aber erſt eine Zeit lang gethan hatten, war es uns nicht moͤglich lange uͤber die gewohnte Zeit darinn zu verweilen, und wenn ein Feyer- tag uns eine Stunde ſpaͤter aufforderte: ſo waren wir doch zu rechter Zeit munter und feyerten nicht in ſuͤßen Umarmungen. Jeder Feyertag war uns dann doppelt willkommen, und wir freueten uns oft ſeines Anbruchs. Nun mein Schatz, weißt du mein ganzes Geheim- XXVII.
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Der Wirth muß vorauf.
Arbeit ſeyn, und ſich nicht auch eine verſtohlne Freude
machen ſollte. Wie es des andern Morgens drey ſchlug,
ſagte ich daher zu meinem Mann: Der Wirth muß vor-
auf, und ſo wie er dieſes einigemal gethan hatte, war
alles Gefinde ſo geſchwind bey der Hand, daß ich ſeit der
Zeit nicht noͤthig gehabt habe, ein einziges Mal mit der
Viehmagd uͤber ihren langen Schlaf zu ſchmaͤhlen. An-
fangs fiel es uns etwas hart, ſo fruͤh die warmen Fe-
dern zu verlaſſen. Wie wir es aber erſt eine Zeit lang
gethan hatten, war es uns nicht moͤglich lange uͤber die
gewohnte Zeit darinn zu verweilen, und wenn ein Feyer-
tag uns eine Stunde ſpaͤter aufforderte: ſo waren wir
doch zu rechter Zeit munter und feyerten nicht in ſuͤßen
Umarmungen. Jeder Feyertag war uns dann doppelt
willkommen, und wir freueten uns oft ſeines Anbruchs.
Nun mein Schatz, weißt du mein ganzes Geheim-
niß, und wenn du daßelbe wohl anwendeſt: ſo wirſt du
nicht noͤthig haben dich uͤber Unordnung im Haushalt zu
beſchweren. Andern zu befehlen und Vorſchriften zu
geben iſt keine Kunſt; man muß vorauf gehn, wenn man
gefolgt ſeyn will, auf die Breſche wie auf die Droͤſche,
und der Soldat lacht uͤber den Hauptmann, der ihm
hinterm Eichbaume befehlen will, als ein braver Kerl
die Sturmleiter hinauf zu klettern. So handeln aber
unſre mehrſten Haushalter; ſie ſelbſt wollen ſchlafen, Cof-
fee trinken, und hinterm Ofen ſitzen; das Geſinde aber
ſoll ſich quaͤlen und ſchlecht behelfen. Das geht nicht,
und wird in Ewigkeit nicht gehen, der Wirth muß vor-
auf. Naͤchſtens ein mehrers und damit Gott befohlen.
XXVII.
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