Und wenn man Ihren dritten und vierten Vorschlag vereinigen, mithin die Lösbarkeit aller auf schatzbaren Hö- fen haftenden Capitalien durch einen Machtspruch, der sich doch, da die Gesetze wenigstens den Leibeignen die unbe- willigten Schulden verbieten, gar wohl in einen Rechts- spruch verwandeln liesse, aufheben, und dafür jedem Gläu- biger eine sichere nach der Menge der Schulden und dem Ertrag des Hofes abgemessene jährliche Rente verschreiben wollte: so würde dennoch in jedem Kirchspiel einmal eine eigne öffentliche Anstalt, oder eine Art von ofnem Renten- buch, worinn diese Renten eingetragen würden; und hier- nächst ein naher Schulthets nöthig seyn, der diese mit dem jährlichen Ertrage des Hofes in einer möglichen Gleichheit stehenden Renten zeitig und für eine kleine Gebühr einmahn- te, so dann aber die Schuldner von Zeit zu Zeit zur Ein- lösung dieser Renten anhielte, damit solche nicht in Ewig- keit stehen blieben und vermehret würden. Wie vieles wür- de ohnedem noch erfordert werden, um diese Renten zu ei- nem sichern Gegenstande des öffentlichen Handels zu ma- chen, und ihnen den Credit wieder zu geben, den sie vor zweyhundert Jahren hatten? Man würde auch dabey die Vorsicht gebrauchen müssen, welche man in England bey den Annuitäten gebraucht, so daß keiner mehr als die Hälfte seiner reinen Einkünfte in Renten verwandeln könnte, und das übrige zu seiner Competenz und auf unsichere Zufälle behalten müßte. In Deutschland scheint vordem bereits eine gleiche Vorsicht geherrscht zu haben, indem man eine alte und neue Rente zugleich fordern und beytreiben lassen mochte,
mit-
alii, quos rustici constituerunt se solutoros, relaxentur & ul- terius non recipiantur. S. die Reichstagsverordnung zu Utin vom Jahr 1232. in der Senkenbergischen Sammlung der ReichsabschiedeT. I. p 18 Nur muß man das Wort census von den Advocatiegefällen wohl unterscheiden; diese wurden nicht aufgehoben.
Gedanken uͤber den Stilleſtand
Und wenn man Ihren dritten und vierten Vorſchlag vereinigen, mithin die Loͤsbarkeit aller auf ſchatzbaren Hoͤ- fen haftenden Capitalien durch einen Machtſpruch, der ſich doch, da die Geſetze wenigſtens den Leibeignen die unbe- willigten Schulden verbieten, gar wohl in einen Rechts- ſpruch verwandeln lieſſe, aufheben, und dafuͤr jedem Glaͤu- biger eine ſichere nach der Menge der Schulden und dem Ertrag des Hofes abgemeſſene jaͤhrliche Rente verſchreiben wollte: ſo wuͤrde dennoch in jedem Kirchſpiel einmal eine eigne oͤffentliche Anſtalt, oder eine Art von ofnem Renten- buch, worinn dieſe Renten eingetragen wuͤrden; und hier- naͤchſt ein naher Schulthets noͤthig ſeyn, der dieſe mit dem jaͤhrlichen Ertrage des Hofes in einer moͤglichen Gleichheit ſtehenden Renten zeitig und fuͤr eine kleine Gebuͤhr einmahn- te, ſo dann aber die Schuldner von Zeit zu Zeit zur Ein- loͤſung dieſer Renten anhielte, damit ſolche nicht in Ewig- keit ſtehen blieben und vermehret wuͤrden. Wie vieles wuͤr- de ohnedem noch erfordert werden, um dieſe Renten zu ei- nem ſichern Gegenſtande des oͤffentlichen Handels zu ma- chen, und ihnen den Credit wieder zu geben, den ſie vor zweyhundert Jahren hatten? Man wuͤrde auch dabey die Vorſicht gebrauchen muͤſſen, welche man in England bey den Annuitaͤten gebraucht, ſo daß keiner mehr als die Haͤlfte ſeiner reinen Einkuͤnfte in Renten verwandeln koͤnnte, und das uͤbrige zu ſeiner Competenz und auf unſichere Zufaͤlle behalten muͤßte. In Deutſchland ſcheint vordem bereits eine gleiche Vorſicht geherrſcht zu haben, indem man eine alte und neue Rente zugleich fordern und beytreiben laſſen mochte,
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alii, quos ruſtici conſtituerunt ſe ſolutoros, relaxentur & ul- terius non recipiantur. S. die Reichstagsverordnung zu Utin vom Jahr 1232. in der Senkenbergiſchen Sammlung der ReichsabſchiedeT. I. p 18 Nur muß man das Wort cenſus von den Advocatiegefaͤllen wohl unterſcheiden; dieſe wurden nicht aufgehoben.
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Gedanken uͤber den Stilleſtand
Und wenn man Ihren dritten und vierten Vorſchlag
vereinigen, mithin die Loͤsbarkeit aller auf ſchatzbaren Hoͤ-
fen haftenden Capitalien durch einen Machtſpruch, der ſich
doch, da die Geſetze wenigſtens den Leibeignen die unbe-
willigten Schulden verbieten, gar wohl in einen Rechts-
ſpruch verwandeln lieſſe, aufheben, und dafuͤr jedem Glaͤu-
biger eine ſichere nach der Menge der Schulden und dem
Ertrag des Hofes abgemeſſene jaͤhrliche Rente verſchreiben
wollte: ſo wuͤrde dennoch in jedem Kirchſpiel einmal eine
eigne oͤffentliche Anſtalt, oder eine Art von ofnem Renten-
buch, worinn dieſe Renten eingetragen wuͤrden; und hier-
naͤchſt ein naher Schulthets noͤthig ſeyn, der dieſe mit dem
jaͤhrlichen Ertrage des Hofes in einer moͤglichen Gleichheit
ſtehenden Renten zeitig und fuͤr eine kleine Gebuͤhr einmahn-
te, ſo dann aber die Schuldner von Zeit zu Zeit zur Ein-
loͤſung dieſer Renten anhielte, damit ſolche nicht in Ewig-
keit ſtehen blieben und vermehret wuͤrden. Wie vieles wuͤr-
de ohnedem noch erfordert werden, um dieſe Renten zu ei-
nem ſichern Gegenſtande des oͤffentlichen Handels zu ma-
chen, und ihnen den Credit wieder zu geben, den ſie vor
zweyhundert Jahren hatten? Man wuͤrde auch dabey die
Vorſicht gebrauchen muͤſſen, welche man in England bey
den Annuitaͤten gebraucht, ſo daß keiner mehr als die Haͤlfte
ſeiner reinen Einkuͤnfte in Renten verwandeln koͤnnte, und
das uͤbrige zu ſeiner Competenz und auf unſichere Zufaͤlle
behalten muͤßte. In Deutſchland ſcheint vordem bereits eine
gleiche Vorſicht geherrſcht zu haben, indem man eine alte
und neue Rente zugleich fordern und beytreiben laſſen mochte,
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a) alii, quos ruſtici conſtituerunt ſe ſolutoros, relaxentur & ul-
terius non recipiantur. S. die Reichstagsverordnung zu Utin
vom Jahr 1232. in der Senkenbergiſchen Sammlung der
Reichsabſchiede T. I. p 18 Nur muß man das Wort cenſus
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/394>, abgerufen am 16.02.2025.
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