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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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und landsäßigen Schuldner.
Gläubiger, der am eifrigsten auf seine Bezahlung dringt,
daß ihr doch am Ende nichts erhalten, und ein anderer
jetzt noch schlafender oder gütigerer Gläubiger damit durch-
gehen werde; soll ich also den Schuldner bloß um deswil-
len zu Grunde richten, um euch zu überzeugen, daß nach
Abzug aller Kosten und Bezahlung älterer Schulden nichts
übrig sey? Aber was soll nun der Richter thun?

Was der Richter thun solle? Wenn der Schuldner
ein freyer Mann ist: so nehme er ihm alles was er hat,
und verkaufe es. Für den Staat ist es vielleicht besser,
daß ein freudiger Käufer als ein verarmter und muthloser
Eigenthümer auf dem Hofe liege. Und was kann man
in aller Welt für einen Grund angeben, warum der Gläu-
biger jetzt eher als der Schuldner verlieren solle? Hat der
Gläubiger nicht schon genung dadurch gelitten, daß er seinem
Schuldner die grosse Wohlthat gethan, ihm während des
Krieges alle Zinsen in leichter Münze abzunehmen? Soll
er jetzo noch das Bisgen, was er vielleicht in dreyßig
schweren Jahren mit Aufopferung seiner Gesundheit bey
saurer Milch und trocknem Brodte in Holland erworben
hat a), und durch dessen Hülfe er seinen kränklichen Kör-
per bis an irgend ein nah gelegenes Grab zu schleppen
gedachte; soll er dies jetzt am Rande des Grabes missen?
soll er seine Kinder vor fremde Thüren schicken? soll er
sein Weib unter der Last ersticken sehen? blos darum, da-
mit sein Schuldner und kein andrer ehrlicher Mann diesen
oder jenen Hof bewohne? Nein. Die Sache ist leicht
entschieden. Man würge Bürgen und Schuldner, und
helfe dem Gläubiger.

Aber
a) Der grosse Credit der Oßnabrückischen Eigenbehörigen rührt da-
her, daß die Menge Heuerleute, welche nach Holland zur Arbeit
gehen, ihnen ihr erworbenes Geld leihen, um etwas Land zur
Heuer zu bekommen.
Mös. patr. Phant. III. Th. A a

und landſaͤßigen Schuldner.
Glaͤubiger, der am eifrigſten auf ſeine Bezahlung dringt,
daß ihr doch am Ende nichts erhalten, und ein anderer
jetzt noch ſchlafender oder guͤtigerer Glaͤubiger damit durch-
gehen werde; ſoll ich alſo den Schuldner bloß um deswil-
len zu Grunde richten, um euch zu uͤberzeugen, daß nach
Abzug aller Koſten und Bezahlung aͤlterer Schulden nichts
uͤbrig ſey? Aber was ſoll nun der Richter thun?

Was der Richter thun ſolle? Wenn der Schuldner
ein freyer Mann iſt: ſo nehme er ihm alles was er hat,
und verkaufe es. Fuͤr den Staat iſt es vielleicht beſſer,
daß ein freudiger Kaͤufer als ein verarmter und muthloſer
Eigenthuͤmer auf dem Hofe liege. Und was kann man
in aller Welt fuͤr einen Grund angeben, warum der Glaͤu-
biger jetzt eher als der Schuldner verlieren ſolle? Hat der
Glaͤubiger nicht ſchon genung dadurch gelitten, daß er ſeinem
Schuldner die groſſe Wohlthat gethan, ihm waͤhrend des
Krieges alle Zinſen in leichter Muͤnze abzunehmen? Soll
er jetzo noch das Bisgen, was er vielleicht in dreyßig
ſchweren Jahren mit Aufopferung ſeiner Geſundheit bey
ſaurer Milch und trocknem Brodte in Holland erworben
hat a), und durch deſſen Huͤlfe er ſeinen kraͤnklichen Koͤr-
per bis an irgend ein nah gelegenes Grab zu ſchleppen
gedachte; ſoll er dies jetzt am Rande des Grabes miſſen?
ſoll er ſeine Kinder vor fremde Thuͤren ſchicken? ſoll er
ſein Weib unter der Laſt erſticken ſehen? blos darum, da-
mit ſein Schuldner und kein andrer ehrlicher Mann dieſen
oder jenen Hof bewohne? Nein. Die Sache iſt leicht
entſchieden. Man wuͤrge Buͤrgen und Schuldner, und
helfe dem Glaͤubiger.

Aber
a) Der groſſe Credit der Oßnabruͤckiſchen Eigenbehoͤrigen ruͤhrt da-
her, daß die Menge Heuerleute, welche nach Holland zur Arbeit
gehen, ihnen ihr erworbenes Geld leihen, um etwas Land zur
Heuer zu bekommen.
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[369/0383] und landſaͤßigen Schuldner. Glaͤubiger, der am eifrigſten auf ſeine Bezahlung dringt, daß ihr doch am Ende nichts erhalten, und ein anderer jetzt noch ſchlafender oder guͤtigerer Glaͤubiger damit durch- gehen werde; ſoll ich alſo den Schuldner bloß um deswil- len zu Grunde richten, um euch zu uͤberzeugen, daß nach Abzug aller Koſten und Bezahlung aͤlterer Schulden nichts uͤbrig ſey? Aber was ſoll nun der Richter thun? Was der Richter thun ſolle? Wenn der Schuldner ein freyer Mann iſt: ſo nehme er ihm alles was er hat, und verkaufe es. Fuͤr den Staat iſt es vielleicht beſſer, daß ein freudiger Kaͤufer als ein verarmter und muthloſer Eigenthuͤmer auf dem Hofe liege. Und was kann man in aller Welt fuͤr einen Grund angeben, warum der Glaͤu- biger jetzt eher als der Schuldner verlieren ſolle? Hat der Glaͤubiger nicht ſchon genung dadurch gelitten, daß er ſeinem Schuldner die groſſe Wohlthat gethan, ihm waͤhrend des Krieges alle Zinſen in leichter Muͤnze abzunehmen? Soll er jetzo noch das Bisgen, was er vielleicht in dreyßig ſchweren Jahren mit Aufopferung ſeiner Geſundheit bey ſaurer Milch und trocknem Brodte in Holland erworben hat a), und durch deſſen Huͤlfe er ſeinen kraͤnklichen Koͤr- per bis an irgend ein nah gelegenes Grab zu ſchleppen gedachte; ſoll er dies jetzt am Rande des Grabes miſſen? ſoll er ſeine Kinder vor fremde Thuͤren ſchicken? ſoll er ſein Weib unter der Laſt erſticken ſehen? blos darum, da- mit ſein Schuldner und kein andrer ehrlicher Mann dieſen oder jenen Hof bewohne? Nein. Die Sache iſt leicht entſchieden. Man wuͤrge Buͤrgen und Schuldner, und helfe dem Glaͤubiger. Aber a) Der groſſe Credit der Oßnabruͤckiſchen Eigenbehoͤrigen ruͤhrt da- her, daß die Menge Heuerleute, welche nach Holland zur Arbeit gehen, ihnen ihr erworbenes Geld leihen, um etwas Land zur Heuer zu bekommen. Moͤſ. patr. Phant. III. Th. A a

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/383>, abgerufen am 18.04.2024.