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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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Leibeigenthumsgefälle zu bestimmen.
ben sie es ungern zu einer eidlichen Eröfnung, weil die
Versuchung zum Meineide zu stark wird, und ohne
diese Eröfnung dürfte doch der Leibeigne die vorhan-
dene Capitalien schwerlich anzeigen. Die mehresten
sehen auch
11) wohl ein, daß ein Gutsherr ohne sich selbst zu scha-
den, das Erbe nicht von allem entblössen, oder auch
nur für den Sterbfall eine gar zu starke Summe auf
einmal nehmen könne, indem solchenfalls der Leibeigne
selten wieder zu Kräften kömmt, ja sich wohl gar,
weil jeder Landhaushalt mit zureichender Faust geführet
seyn will, in deren Ermangelung früh zu Grunde ar-
beitet, und eine muthlose Nachkommenschaft zeuget.
Daher ist
12) der Sterbfall nach Ritterrecht, da christliche und
billige Gutsherrn solchen fast nirgends ziehen, ein un-
nöthiges aber schädliches Schreckbild, das die Leibeig-
nen in beständiger Furcht und vom Erwerben zurück
hält. Denn die Vorstellung, daß alles was sie mit
ihrem sauren Schweisse erwerben, ihren Kindern nicht
anders als in so fern sie einen falschen Eid daran wa-
gen wollen, zu statten kommen werde, muß die Leute
nothwendig niederschlagen und ihren Fleiß schwächen.
In Ansehung der Auffahrten ist es
13) so wohl der Gutsherrn als Leideignen wahren Vor-
theil, daß die neue Einrichtung Platz greife, indem
die Eigenthumsordnung keine Regel festgesetzt hat,
nach welcher solche gefordert oder bezahlt werden mö-
ge; welches nothwendig zu unzähligen Processen An-
laß geben muß, wobey so wenig der Gutsherr als der
Leibeigne gewinnet, indem die Gerichtskosten gewiß
allezeit eben so viel, wo nicht ein mehrers, wegnehmen,
als
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Leibeigenthumsgefaͤlle zu beſtimmen.
ben ſie es ungern zu einer eidlichen Eroͤfnung, weil die
Verſuchung zum Meineide zu ſtark wird, und ohne
dieſe Eroͤfnung duͤrfte doch der Leibeigne die vorhan-
dene Capitalien ſchwerlich anzeigen. Die mehreſten
ſehen auch
11) wohl ein, daß ein Gutsherr ohne ſich ſelbſt zu ſcha-
den, das Erbe nicht von allem entbloͤſſen, oder auch
nur fuͤr den Sterbfall eine gar zu ſtarke Summe auf
einmal nehmen koͤnne, indem ſolchenfalls der Leibeigne
ſelten wieder zu Kraͤften koͤmmt, ja ſich wohl gar,
weil jeder Landhaushalt mit zureichender Fauſt gefuͤhret
ſeyn will, in deren Ermangelung fruͤh zu Grunde ar-
beitet, und eine muthloſe Nachkommenſchaft zeuget.
Daher iſt
12) der Sterbfall nach Ritterrecht, da chriſtliche und
billige Gutsherrn ſolchen faſt nirgends ziehen, ein un-
noͤthiges aber ſchaͤdliches Schreckbild, das die Leibeig-
nen in beſtaͤndiger Furcht und vom Erwerben zuruͤck
haͤlt. Denn die Vorſtellung, daß alles was ſie mit
ihrem ſauren Schweiſſe erwerben, ihren Kindern nicht
anders als in ſo fern ſie einen falſchen Eid daran wa-
gen wollen, zu ſtatten kommen werde, muß die Leute
nothwendig niederſchlagen und ihren Fleiß ſchwaͤchen.
In Anſehung der Auffahrten iſt es
13) ſo wohl der Gutsherrn als Leideignen wahren Vor-
theil, daß die neue Einrichtung Platz greife, indem
die Eigenthumsordnung keine Regel feſtgeſetzt hat,
nach welcher ſolche gefordert oder bezahlt werden moͤ-
ge; welches nothwendig zu unzaͤhligen Proceſſen An-
laß geben muß, wobey ſo wenig der Gutsherr als der
Leibeigne gewinnet, indem die Gerichtskoſten gewiß
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als
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[341/0355] Leibeigenthumsgefaͤlle zu beſtimmen. ben ſie es ungern zu einer eidlichen Eroͤfnung, weil die Verſuchung zum Meineide zu ſtark wird, und ohne dieſe Eroͤfnung duͤrfte doch der Leibeigne die vorhan- dene Capitalien ſchwerlich anzeigen. Die mehreſten ſehen auch 11) wohl ein, daß ein Gutsherr ohne ſich ſelbſt zu ſcha- den, das Erbe nicht von allem entbloͤſſen, oder auch nur fuͤr den Sterbfall eine gar zu ſtarke Summe auf einmal nehmen koͤnne, indem ſolchenfalls der Leibeigne ſelten wieder zu Kraͤften koͤmmt, ja ſich wohl gar, weil jeder Landhaushalt mit zureichender Fauſt gefuͤhret ſeyn will, in deren Ermangelung fruͤh zu Grunde ar- beitet, und eine muthloſe Nachkommenſchaft zeuget. Daher iſt 12) der Sterbfall nach Ritterrecht, da chriſtliche und billige Gutsherrn ſolchen faſt nirgends ziehen, ein un- noͤthiges aber ſchaͤdliches Schreckbild, das die Leibeig- nen in beſtaͤndiger Furcht und vom Erwerben zuruͤck haͤlt. Denn die Vorſtellung, daß alles was ſie mit ihrem ſauren Schweiſſe erwerben, ihren Kindern nicht anders als in ſo fern ſie einen falſchen Eid daran wa- gen wollen, zu ſtatten kommen werde, muß die Leute nothwendig niederſchlagen und ihren Fleiß ſchwaͤchen. In Anſehung der Auffahrten iſt es 13) ſo wohl der Gutsherrn als Leideignen wahren Vor- theil, daß die neue Einrichtung Platz greife, indem die Eigenthumsordnung keine Regel feſtgeſetzt hat, nach welcher ſolche gefordert oder bezahlt werden moͤ- ge; welches nothwendig zu unzaͤhligen Proceſſen An- laß geben muß, wobey ſo wenig der Gutsherr als der Leibeigne gewinnet, indem die Gerichtskoſten gewiß allezeit eben ſo viel, wo nicht ein mehrers, wegnehmen, als Y 3

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/355>, abgerufen am 24.11.2024.