Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.Also sind die unbestimmten von Processen ganz wegfallen, indem ein weltlicherGutsherr, der einen Leibeignen für sich und seine Er- ben besitzt, seinen Leibeignen nicht leicht zum heyrathen zwingt, sondern lieber dessen Todesfall, wodurch ent- weder ihm oder seinen Erben das Gut erledigt wird, a wartet. Insbesondre aber würden 8) die geringen Pfründer ihren Vortheil dabey finden, die wenn sie einmal zur Erhaltung ihres Rechts eine Verhöhung der ausserordentlichen Gefälle vornehmen wollen, in weitläuftige Processe gestürzet werden, und wenn sie ihre übrigen Einkünfte darauf zum Vortheil ihrer Nachfolgern nicht verwenden wollen, dem Leib- eignen nachgeben müssen Zudem ist 9) der Sterbfall nach Ritterrecht, der zuerst auf Sun- dergute a) eingeführet worden, und welchen ehedem der Bischof und seine Geistlichkeit nie gezogen haben, allezeit ein trauriges Recht. Denn was kann trauri- ger seyn, als Wittwen und Waisen, sofort in der größ- ten Betrübniß und wenn die Leiche noch im Hause steht, zu überfallen; alles was sie im Hause und Vermögen haben, aufzuschreiben und wegzunehmen, und ihnen von den Empfindungen der Vornehmen die allerunan- ständigsten Begriffe beyzubringen? Welcher Gutsherr fühlt es nicht, was eine solche Handlung für widrige Begriffe bey dem gemeinen Manne hervorbringen, und wie dieser von dem Manne, der ins Sterbhaus kömmt, und gleich alle Winkel durchschnauft, denken müsse? Es giebt daher auch 10) wenige Gutsherrn, die sich dieses traurigen Rechts der Strenge nach bedienen, und den armen Waisen die ganze elterliche Erbschaft entziehen; wenigstens trei- ben a) Bonis extra curtem vel a curte separatis.
Alſo ſind die unbeſtimmten von Proceſſen ganz wegfallen, indem ein weltlicherGutsherr, der einen Leibeignen fuͤr ſich und ſeine Er- ben beſitzt, ſeinen Leibeignen nicht leicht zum heyrathen zwingt, ſondern lieber deſſen Todesfall, wodurch ent- weder ihm oder ſeinen Erben das Gut erledigt wird, a wartet. Insbeſondre aber wuͤrden 8) die geringen Pfruͤnder ihren Vortheil dabey finden, die wenn ſie einmal zur Erhaltung ihres Rechts eine Verhoͤhung der auſſerordentlichen Gefaͤlle vornehmen wollen, in weitlaͤuftige Proceſſe geſtuͤrzet werden, und wenn ſie ihre uͤbrigen Einkuͤnfte darauf zum Vortheil ihrer Nachfolgern nicht verwenden wollen, dem Leib- eignen nachgeben muͤſſen Zudem iſt 9) der Sterbfall nach Ritterrecht, der zuerſt auf Sun- dergute a) eingefuͤhret worden, und welchen ehedem der Biſchof und ſeine Geiſtlichkeit nie gezogen haben, allezeit ein trauriges Recht. Denn was kann trauri- ger ſeyn, als Wittwen und Waiſen, ſofort in der groͤß- ten Betruͤbniß und wenn die Leiche noch im Hauſe ſteht, zu uͤberfallen; alles was ſie im Hauſe und Vermoͤgen haben, aufzuſchreiben und wegzunehmen, und ihnen von den Empfindungen der Vornehmen die allerunan- ſtaͤndigſten Begriffe beyzubringen? Welcher Gutsherr fuͤhlt es nicht, was eine ſolche Handlung fuͤr widrige Begriffe bey dem gemeinen Manne hervorbringen, und wie dieſer von dem Manne, der ins Sterbhaus koͤmmt, und gleich alle Winkel durchſchnauft, denken muͤſſe? Es giebt daher auch 10) wenige Gutsherrn, die ſich dieſes traurigen Rechts der Strenge nach bedienen, und den armen Waiſen die ganze elterliche Erbſchaft entziehen; wenigſtens trei- ben a) Bonis extra curtem vel a curte ſeparatis.
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Alſo ſind die unbeſtimmten
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ben beſitzt, ſeinen Leibeignen nicht leicht zum heyrathen
zwingt, ſondern lieber deſſen Todesfall, wodurch ent-
weder ihm oder ſeinen Erben das Gut erledigt wird,
a wartet. Insbeſondre aber wuͤrden
8) die geringen Pfruͤnder ihren Vortheil dabey finden,
die wenn ſie einmal zur Erhaltung ihres Rechts eine
Verhoͤhung der auſſerordentlichen Gefaͤlle vornehmen
wollen, in weitlaͤuftige Proceſſe geſtuͤrzet werden, und
wenn ſie ihre uͤbrigen Einkuͤnfte darauf zum Vortheil
ihrer Nachfolgern nicht verwenden wollen, dem Leib-
eignen nachgeben muͤſſen Zudem iſt
9) der Sterbfall nach Ritterrecht, der zuerſt auf Sun-
dergute a) eingefuͤhret worden, und welchen ehedem
der Biſchof und ſeine Geiſtlichkeit nie gezogen haben,
allezeit ein trauriges Recht. Denn was kann trauri-
ger ſeyn, als Wittwen und Waiſen, ſofort in der groͤß-
ten Betruͤbniß und wenn die Leiche noch im Hauſe ſteht,
zu uͤberfallen; alles was ſie im Hauſe und Vermoͤgen
haben, aufzuſchreiben und wegzunehmen, und ihnen
von den Empfindungen der Vornehmen die allerunan-
ſtaͤndigſten Begriffe beyzubringen? Welcher Gutsherr
fuͤhlt es nicht, was eine ſolche Handlung fuͤr widrige
Begriffe bey dem gemeinen Manne hervorbringen, und
wie dieſer von dem Manne, der ins Sterbhaus koͤmmt,
und gleich alle Winkel durchſchnauft, denken muͤſſe?
Es giebt daher auch
10) wenige Gutsherrn, die ſich dieſes traurigen Rechts
der Strenge nach bedienen, und den armen Waiſen
die ganze elterliche Erbſchaft entziehen; wenigſtens trei-
ben
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Zitationshilfe: | Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/354>, abgerufen am 16.02.2025. |