Nach diesem Grundsatze gieng ihre einzige Vorsorge auf die Ausfindung ehrlicher Leute, welchen das Ermessen anvertrauet werden könnte, und in deren Ermange- lung lieber auf ein paar Würfel oder auf ein ander Gottes-Urtheil, als auf alles was Menschenköpfe von Rechtswegen aussprechen wollen, und was niemals einen ehrlichen Kerl so gut beruhigen wird, als ein unglücklicher Wurf.
Anstatt daß wir immer an den Gesetzen flicken und solche zu einer Vollkommenheit bringen wollen, wozu uns in der Sprache der Ausdruck, und im Kopfe diejenige Weisheit mangelt, welche alle mögliche Fälle übersehen kann.
Ein andrer Pedant, denn einen Pedanten konnte man diesen Philosophen doch wohl nennen, fiel ihm hier in die Rede, und behauptete, die ganze Schuld der Veränderung läge allein in der entdeckten neuen Welt. Vorher, sagte er, und ehe diese uns zu unserm Unglück Geld und Silber in zu grosser Menge geschickt hat, war es dem Landbesitzer nicht leicht möglich mehr als eine Erndte in einem Jahre zu verzehren. Seine Geschwister steurete er etwa mit einem Füllen, einem Rinde und einem Bunde Flachs aus; dem Staate diente er mit der Faust, und dem Gutsherrn gab er was der Boden und die Haushaltung vermogte. Schul- den konnte er so viel nicht machen, und so blieb Ausgabe und Einnahme sich so ziemlich gleich. Wer einen Hof hat- te, der blieb also darauf, und man wuste nichts von Geld- heuren, sondern nur von Kornpächten und andern Natio- nallieferungen, die der Herr, wenn sie nicht entrichtet wur- den, vom Felde und vom Boden mit kurzer Hand ermäch- tigen konnte. Allein durch die spätere Einführung des Gel- des ist dieser gute Plan ganz verändert. Durch Hülfe des Geldes kann ein Landmann in einem Jahre die Erndte von
zwan-
als die Ausheurung der Bauerhoͤfe.
Nach dieſem Grundſatze gieng ihre einzige Vorſorge auf die Ausfindung ehrlicher Leute, welchen das Ermeſſen anvertrauet werden koͤnnte, und in deren Ermange- lung lieber auf ein paar Wuͤrfel oder auf ein ander Gottes-Urtheil, als auf alles was Menſchenkoͤpfe von Rechtswegen ausſprechen wollen, und was niemals einen ehrlichen Kerl ſo gut beruhigen wird, als ein ungluͤcklicher Wurf.
Anſtatt daß wir immer an den Geſetzen flicken und ſolche zu einer Vollkommenheit bringen wollen, wozu uns in der Sprache der Ausdruck, und im Kopfe diejenige Weisheit mangelt, welche alle moͤgliche Faͤlle uͤberſehen kann.
Ein andrer Pedant, denn einen Pedanten konnte man dieſen Philoſophen doch wohl nennen, fiel ihm hier in die Rede, und behauptete, die ganze Schuld der Veraͤnderung laͤge allein in der entdeckten neuen Welt. Vorher, ſagte er, und ehe dieſe uns zu unſerm Ungluͤck Geld und Silber in zu groſſer Menge geſchickt hat, war es dem Landbeſitzer nicht leicht moͤglich mehr als eine Erndte in einem Jahre zu verzehren. Seine Geſchwiſter ſteurete er etwa mit einem Fuͤllen, einem Rinde und einem Bunde Flachs aus; dem Staate diente er mit der Fauſt, und dem Gutsherrn gab er was der Boden und die Haushaltung vermogte. Schul- den konnte er ſo viel nicht machen, und ſo blieb Ausgabe und Einnahme ſich ſo ziemlich gleich. Wer einen Hof hat- te, der blieb alſo darauf, und man wuſte nichts von Geld- heuren, ſondern nur von Kornpaͤchten und andern Natio- nallieferungen, die der Herr, wenn ſie nicht entrichtet wur- den, vom Felde und vom Boden mit kurzer Hand ermaͤch- tigen konnte. Allein durch die ſpaͤtere Einfuͤhrung des Gel- des iſt dieſer gute Plan ganz veraͤndert. Durch Huͤlfe des Geldes kann ein Landmann in einem Jahre die Erndte von
zwan-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0299"n="285"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">als die Ausheurung der Bauerhoͤfe.</hi></fw><lb/><p>Nach dieſem Grundſatze gieng ihre einzige Vorſorge auf<lb/><hirendition="#et">die Ausfindung ehrlicher Leute, welchen das Ermeſſen<lb/>
anvertrauet werden koͤnnte, und in deren Ermange-<lb/>
lung lieber auf ein paar Wuͤrfel oder auf ein ander<lb/>
Gottes-Urtheil, als auf alles was Menſchenkoͤpfe <hirendition="#fr">von<lb/>
Rechtswegen</hi> ausſprechen wollen, und was niemals<lb/>
einen ehrlichen Kerl ſo gut beruhigen wird, als ein<lb/>
ungluͤcklicher Wurf.</hi></p><lb/><p>Anſtatt daß wir immer an den Geſetzen flicken und ſolche zu<lb/>
einer Vollkommenheit bringen wollen, wozu uns in der<lb/>
Sprache der Ausdruck, und im Kopfe diejenige Weisheit<lb/>
mangelt, welche alle moͤgliche Faͤlle uͤberſehen kann.</p><lb/><p>Ein andrer Pedant, denn einen Pedanten konnte man<lb/>
dieſen Philoſophen doch wohl nennen, fiel ihm hier in die<lb/>
Rede, und behauptete, die ganze Schuld der Veraͤnderung<lb/>
laͤge allein in der entdeckten neuen Welt. Vorher, ſagte<lb/>
er, und ehe dieſe uns zu unſerm Ungluͤck Geld und Silber<lb/>
in zu groſſer Menge geſchickt hat, war es dem Landbeſitzer<lb/>
nicht leicht moͤglich mehr als eine Erndte in einem Jahre<lb/>
zu verzehren. Seine Geſchwiſter ſteurete er etwa mit einem<lb/>
Fuͤllen, einem Rinde und einem Bunde Flachs aus; dem<lb/>
Staate diente er mit der Fauſt, und dem Gutsherrn gab<lb/>
er was der Boden und die Haushaltung vermogte. Schul-<lb/>
den konnte er ſo viel nicht machen, und ſo blieb Ausgabe<lb/>
und Einnahme ſich ſo ziemlich gleich. Wer einen Hof hat-<lb/>
te, der blieb alſo darauf, und man wuſte nichts von Geld-<lb/>
heuren, ſondern nur von Kornpaͤchten und andern Natio-<lb/>
nallieferungen, die der Herr, wenn ſie nicht entrichtet wur-<lb/>
den, vom Felde und vom Boden mit kurzer Hand ermaͤch-<lb/>
tigen konnte. Allein durch die ſpaͤtere Einfuͤhrung des Gel-<lb/>
des iſt dieſer gute Plan ganz veraͤndert. Durch Huͤlfe des<lb/>
Geldes kann ein Landmann in einem Jahre die Erndte von<lb/><fwplace="bottom"type="catch">zwan-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[285/0299]
als die Ausheurung der Bauerhoͤfe.
Nach dieſem Grundſatze gieng ihre einzige Vorſorge auf
die Ausfindung ehrlicher Leute, welchen das Ermeſſen
anvertrauet werden koͤnnte, und in deren Ermange-
lung lieber auf ein paar Wuͤrfel oder auf ein ander
Gottes-Urtheil, als auf alles was Menſchenkoͤpfe von
Rechtswegen ausſprechen wollen, und was niemals
einen ehrlichen Kerl ſo gut beruhigen wird, als ein
ungluͤcklicher Wurf.
Anſtatt daß wir immer an den Geſetzen flicken und ſolche zu
einer Vollkommenheit bringen wollen, wozu uns in der
Sprache der Ausdruck, und im Kopfe diejenige Weisheit
mangelt, welche alle moͤgliche Faͤlle uͤberſehen kann.
Ein andrer Pedant, denn einen Pedanten konnte man
dieſen Philoſophen doch wohl nennen, fiel ihm hier in die
Rede, und behauptete, die ganze Schuld der Veraͤnderung
laͤge allein in der entdeckten neuen Welt. Vorher, ſagte
er, und ehe dieſe uns zu unſerm Ungluͤck Geld und Silber
in zu groſſer Menge geſchickt hat, war es dem Landbeſitzer
nicht leicht moͤglich mehr als eine Erndte in einem Jahre
zu verzehren. Seine Geſchwiſter ſteurete er etwa mit einem
Fuͤllen, einem Rinde und einem Bunde Flachs aus; dem
Staate diente er mit der Fauſt, und dem Gutsherrn gab
er was der Boden und die Haushaltung vermogte. Schul-
den konnte er ſo viel nicht machen, und ſo blieb Ausgabe
und Einnahme ſich ſo ziemlich gleich. Wer einen Hof hat-
te, der blieb alſo darauf, und man wuſte nichts von Geld-
heuren, ſondern nur von Kornpaͤchten und andern Natio-
nallieferungen, die der Herr, wenn ſie nicht entrichtet wur-
den, vom Felde und vom Boden mit kurzer Hand ermaͤch-
tigen konnte. Allein durch die ſpaͤtere Einfuͤhrung des Gel-
des iſt dieſer gute Plan ganz veraͤndert. Durch Huͤlfe des
Geldes kann ein Landmann in einem Jahre die Erndte von
zwan-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/299>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.