nen Leibeignen entstünde: so verwandelte sich der letzte we- nigstens in jenen alten sächsischen zweydrittel Knecht, und es entstünde ein ganz neues Amalgama von Freyheit und Eigenthum, worauf auch ein ganz neues Recht würde ge- wiesen werden müssen.
Jedoch dieses ist das wenigste. Die Repräsentation der Eigenthümer bey allen Steuerbewilligungen, welche der Geist der nordischen Verfassung und das erste Gesetz der Vernunft ist, fiele ganz über den Haufen. Die Gutsherrn hörten nicht allein auf Repräsentanten des ganzen zu seyn; sondern der Theil, oder dasjenige sichere, was der Käufer erhielte, bliebe solchergestalt der einzige Gegenstand der Steuer, und das nicht unter ihrer eignen sondern unter einer fremden Bewilligung.
Gegenwärtig muß der Gutsherr bey jeder neuen Steuer- bewilligung, bey jedem neuen Brüchten denken, daß alles was der schatzbare Leibeigne auf die eine oder andre Art entrichten muß, auf sichere Weise ihm selbst entgehe. Dies macht ihn vorsichtig in seinen Bewilligungen; aufmerksam auf die Brüchtensatzungen; und geneigt, seinen Leibeignen zu helfen, ihn zu schützen und zu vertheidigen.
Diejenigen Eigenthümer, welche zuerst unter einem Hauptmann zusammen traten, wusten von keinen Steuren, indem ihre Steuer im Heer- und im Burgfestendienst, und in dem feststehenden Unterhalte des Hauptmanns bestand. Die Bruchfälle bewilligten sie selbst; sie repräsentirten ihr Eigenthum zu Hause; und der Hauptmann repräsentirte sie in der Landesversammlung. Der Lito oder zweydrittel- Knecht war ebenfalls genug gedeckt, da er sein bewilligtes Hofrecht, und seine Hofversammlung hatte, und in dersel- ben von seinem Drittel Freyheit eine Person vorstellete. Er
war
Gedanken
nen Leibeignen entſtuͤnde: ſo verwandelte ſich der letzte we- nigſtens in jenen alten ſaͤchſiſchen zweydrittel Knecht, und es entſtuͤnde ein ganz neues Amalgama von Freyheit und Eigenthum, worauf auch ein ganz neues Recht wuͤrde ge- wieſen werden muͤſſen.
Jedoch dieſes iſt das wenigſte. Die Repraͤſentation der Eigenthuͤmer bey allen Steuerbewilligungen, welche der Geiſt der nordiſchen Verfaſſung und das erſte Geſetz der Vernunft iſt, fiele ganz uͤber den Haufen. Die Gutsherrn hoͤrten nicht allein auf Repraͤſentanten des ganzen zu ſeyn; ſondern der Theil, oder dasjenige ſichere, was der Kaͤufer erhielte, bliebe ſolchergeſtalt der einzige Gegenſtand der Steuer, und das nicht unter ihrer eignen ſondern unter einer fremden Bewilligung.
Gegenwaͤrtig muß der Gutsherr bey jeder neuen Steuer- bewilligung, bey jedem neuen Bruͤchten denken, daß alles was der ſchatzbare Leibeigne auf die eine oder andre Art entrichten muß, auf ſichere Weiſe ihm ſelbſt entgehe. Dies macht ihn vorſichtig in ſeinen Bewilligungen; aufmerkſam auf die Bruͤchtenſatzungen; und geneigt, ſeinen Leibeignen zu helfen, ihn zu ſchuͤtzen und zu vertheidigen.
Diejenigen Eigenthuͤmer, welche zuerſt unter einem Hauptmann zuſammen traten, wuſten von keinen Steuren, indem ihre Steuer im Heer- und im Burgfeſtendienſt, und in dem feſtſtehenden Unterhalte des Hauptmanns beſtand. Die Bruchfaͤlle bewilligten ſie ſelbſt; ſie repraͤſentirten ihr Eigenthum zu Hauſe; und der Hauptmann repraͤſentirte ſie in der Landesverſammlung. Der Lito oder zweydrittel- Knecht war ebenfalls genug gedeckt, da er ſein bewilligtes Hofrecht, und ſeine Hofverſammlung hatte, und in derſel- ben von ſeinem Drittel Freyheit eine Perſon vorſtellete. Er
war
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Gedanken
nen Leibeignen entſtuͤnde: ſo verwandelte ſich der letzte we-
nigſtens in jenen alten ſaͤchſiſchen zweydrittel Knecht, und
es entſtuͤnde ein ganz neues Amalgama von Freyheit und
Eigenthum, worauf auch ein ganz neues Recht wuͤrde ge-
wieſen werden muͤſſen.
Jedoch dieſes iſt das wenigſte. Die Repraͤſentation der
Eigenthuͤmer bey allen Steuerbewilligungen, welche der
Geiſt der nordiſchen Verfaſſung und das erſte Geſetz der
Vernunft iſt, fiele ganz uͤber den Haufen. Die Gutsherrn
hoͤrten nicht allein auf Repraͤſentanten des ganzen zu ſeyn;
ſondern der Theil, oder dasjenige ſichere, was der Kaͤufer
erhielte, bliebe ſolchergeſtalt der einzige Gegenſtand der
Steuer, und das nicht unter ihrer eignen ſondern unter
einer fremden Bewilligung.
Gegenwaͤrtig muß der Gutsherr bey jeder neuen Steuer-
bewilligung, bey jedem neuen Bruͤchten denken, daß alles
was der ſchatzbare Leibeigne auf die eine oder andre Art
entrichten muß, auf ſichere Weiſe ihm ſelbſt entgehe. Dies
macht ihn vorſichtig in ſeinen Bewilligungen; aufmerkſam
auf die Bruͤchtenſatzungen; und geneigt, ſeinen Leibeignen
zu helfen, ihn zu ſchuͤtzen und zu vertheidigen.
Diejenigen Eigenthuͤmer, welche zuerſt unter einem
Hauptmann zuſammen traten, wuſten von keinen Steuren,
indem ihre Steuer im Heer- und im Burgfeſtendienſt, und
in dem feſtſtehenden Unterhalte des Hauptmanns beſtand.
Die Bruchfaͤlle bewilligten ſie ſelbſt; ſie repraͤſentirten ihr
Eigenthum zu Hauſe; und der Hauptmann repraͤſentirte ſie
in der Landesverſammlung. Der Lito oder zweydrittel-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/290>, abgerufen am 31.07.2024.
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