Ich fragte meinen Mann endlich, ob ein Geistli- cher, wenn es ihm an einem schwarzen Mantel und Klei- de fehlte, mit Wohlstand vor den Altar treten könnte; und ob er nicht dazu Rath schaffen müste, er mögte es nun be- zahlen können oder nicht? Vergeblich behauptete er dage- gen, daß dieses einen alten hergebrachten und nothwendi- gen Wohlstand zum Grunde hätte, wovon sich auf den Conventions-Wohlstand in den Modetrachten kein Schluß machen liesse, denn ich bewieß ihm klar, daß es hiebey nicht auf Alter und Herkommen, sondern auf die allgemei- ne Denkungsart unserer Zeitgenossen ankäme, und daß der Conventions-Wohlstand bey den Moden, wenn er diese allgemeine Uebereinstimmung einmal vor sich hätte, eben so gegründet wäre wie jener. Aber wenn ich es nun nicht bezahlen kann? fiel er wieder ein. Aber wenn der Geistliche nun nicht bezahlen kann, versetzte ich? So jagt man ihn fort, war seine Antwort, wenn er ein Verschwen- der ist, oder zwingt die Gemeine ihm das nöthige zu ver- schaffen, wenn sie vorher nicht davor gesorgt hat. Nun gut, rief ich, eine Verschwenderin bin ich nicht, ich ver- lange nur den höchstnöthigen allgemein erforderlichen Ue- berfluß. Also laß ihn bezahlen wer da will und kann, so muß ich doch haben, was der Wohlstand unentbehrlich macht.
Das ist doch erschrecklich, fuhr mein Mann wieder fort, daß wir in einer so offenbaren Sache nicht das Mit- tel zu unsrer Vereinigung treffen können; ich soll doppelt so viel ausgeben, wie ich einzunehmen habe, nach einer noth- wendigen Folge Banquerott machen, in meinem Leben oder nach meinem Tode als ein Betrüger verflucht werden -- und das soll sich alles durch den Wohlstand rechtfertigen lassen? Es thut mir leid, mein Engel! erwiederte ich, aber sage doch nur, wie es möglich ist, daß ich in meinem
Stan-
Alſo kann man der Mode
Ich fragte meinen Mann endlich, ob ein Geiſtli- cher, wenn es ihm an einem ſchwarzen Mantel und Klei- de fehlte, mit Wohlſtand vor den Altar treten koͤnnte; und ob er nicht dazu Rath ſchaffen muͤſte, er moͤgte es nun be- zahlen koͤnnen oder nicht? Vergeblich behauptete er dage- gen, daß dieſes einen alten hergebrachten und nothwendi- gen Wohlſtand zum Grunde haͤtte, wovon ſich auf den Conventions-Wohlſtand in den Modetrachten kein Schluß machen lieſſe, denn ich bewieß ihm klar, daß es hiebey nicht auf Alter und Herkommen, ſondern auf die allgemei- ne Denkungsart unſerer Zeitgenoſſen ankaͤme, und daß der Conventions-Wohlſtand bey den Moden, wenn er dieſe allgemeine Uebereinſtimmung einmal vor ſich haͤtte, eben ſo gegruͤndet waͤre wie jener. Aber wenn ich es nun nicht bezahlen kann? fiel er wieder ein. Aber wenn der Geiſtliche nun nicht bezahlen kann, verſetzte ich? So jagt man ihn fort, war ſeine Antwort, wenn er ein Verſchwen- der iſt, oder zwingt die Gemeine ihm das noͤthige zu ver- ſchaffen, wenn ſie vorher nicht davor geſorgt hat. Nun gut, rief ich, eine Verſchwenderin bin ich nicht, ich ver- lange nur den hoͤchſtnoͤthigen allgemein erforderlichen Ue- berfluß. Alſo laß ihn bezahlen wer da will und kann, ſo muß ich doch haben, was der Wohlſtand unentbehrlich macht.
Das iſt doch erſchrecklich, fuhr mein Mann wieder fort, daß wir in einer ſo offenbaren Sache nicht das Mit- tel zu unſrer Vereinigung treffen koͤnnen; ich ſoll doppelt ſo viel ausgeben, wie ich einzunehmen habe, nach einer noth- wendigen Folge Banquerott machen, in meinem Leben oder nach meinem Tode als ein Betruͤger verflucht werden — und das ſoll ſich alles durch den Wohlſtand rechtfertigen laſſen? Es thut mir leid, mein Engel! erwiederte ich, aber ſage doch nur, wie es moͤglich iſt, daß ich in meinem
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Alſo kann man der Mode
Ich fragte meinen Mann endlich, ob ein Geiſtli-
cher, wenn es ihm an einem ſchwarzen Mantel und Klei-
de fehlte, mit Wohlſtand vor den Altar treten koͤnnte; und
ob er nicht dazu Rath ſchaffen muͤſte, er moͤgte es nun be-
zahlen koͤnnen oder nicht? Vergeblich behauptete er dage-
gen, daß dieſes einen alten hergebrachten und nothwendi-
gen Wohlſtand zum Grunde haͤtte, wovon ſich auf den
Conventions-Wohlſtand in den Modetrachten kein Schluß
machen lieſſe, denn ich bewieß ihm klar, daß es hiebey
nicht auf Alter und Herkommen, ſondern auf die allgemei-
ne Denkungsart unſerer Zeitgenoſſen ankaͤme, und daß der
Conventions-Wohlſtand bey den Moden, wenn er dieſe
allgemeine Uebereinſtimmung einmal vor ſich haͤtte, eben
ſo gegruͤndet waͤre wie jener. Aber wenn ich es nun
nicht bezahlen kann? fiel er wieder ein. Aber wenn der
Geiſtliche nun nicht bezahlen kann, verſetzte ich? So jagt
man ihn fort, war ſeine Antwort, wenn er ein Verſchwen-
der iſt, oder zwingt die Gemeine ihm das noͤthige zu ver-
ſchaffen, wenn ſie vorher nicht davor geſorgt hat. Nun
gut, rief ich, eine Verſchwenderin bin ich nicht, ich ver-
lange nur den hoͤchſtnoͤthigen allgemein erforderlichen Ue-
berfluß. Alſo laß ihn bezahlen wer da will und kann, ſo
muß ich doch haben, was der Wohlſtand unentbehrlich
macht.
Das iſt doch erſchrecklich, fuhr mein Mann wieder
fort, daß wir in einer ſo offenbaren Sache nicht das Mit-
tel zu unſrer Vereinigung treffen koͤnnen; ich ſoll doppelt ſo
viel ausgeben, wie ich einzunehmen habe, nach einer noth-
wendigen Folge Banquerott machen, in meinem Leben oder
nach meinem Tode als ein Betruͤger verflucht werden —
und das ſoll ſich alles durch den Wohlſtand rechtfertigen
laſſen? Es thut mir leid, mein Engel! erwiederte ich, aber
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/26>, abgerufen am 24.11.2024.
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