Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.Vom Hüten der Schweine. Vieh unversehens ins Feld gelaufen ist. Viele Bauerhöfesind dergestalt gelegen, daß sie unmittelbar an die Feldflur stossen, und es kann aller Aufmerksamkeit ungeachtet ge- schehen, daß ein Reisender oder nachläßiges Gesinde, die so genante Hake offen läßt, da denn die auf dem verschlos- senen Hofe laurenden Schweine, welche vom Frühjahr her noch ins Feld gewöhnt sind, sich so gleich die Gelegenheit zu Nutze machen, und ins Feld laufen. Der Mann, dem die Schweine gehören, empfindet den Schaden am mehr- sten, weil seine Ländereyen zunächst an der Hake liegen, und das Vieh zuerst hierauf fallen wird. Er wird also nicht sorglos seyn, und noch weniger aus einem bösen Vorsatze die Schweine ins Feld lassen. Soll nun hier der Fiscus auflauren, und die Unterthanen in unendliche Brüchten stür- zen: so wird kein einziger Feldgenosse von der Strafe frey bleiben. Dieses kann des Gesetzgebers Absicht nicht seyn; und so nach würde ich in diesem Falle, wenn auch der Fiscus sein Amt in demselben seit langen Jahren ausgeübt hätte, einer Gemeinheit erlauben, den alten Contrakt, wodurch derselbe auch hierüber zum Feldhüter erbeten seyn mögte, aufzukündigen. Viele Gemeinheiten haben sich darüber in neuern Zeiten vereiniget, und die Regierung hat solche Ver- einigungen als rechts beständig gelten lassen. Aber auch da, wo ein solcher Verein nicht gemacht worden, kann er alle- mal stillschweigend angenommen werden. In diesem Falle also sollte meiner Meinung nach keine Bestrafung statt fin- den, als wenn darüber von dem Beschädigten geklagt würde. So gestattet und erfordert es auch die gemeine Wohl- schlos- O 5
Vom Huͤten der Schweine. Vieh unverſehens ins Feld gelaufen iſt. Viele Bauerhoͤfeſind dergeſtalt gelegen, daß ſie unmittelbar an die Feldflur ſtoſſen, und es kann aller Aufmerkſamkeit ungeachtet ge- ſchehen, daß ein Reiſender oder nachlaͤßiges Geſinde, die ſo genante Hake offen laͤßt, da denn die auf dem verſchloſ- ſenen Hofe laurenden Schweine, welche vom Fruͤhjahr her noch ins Feld gewoͤhnt ſind, ſich ſo gleich die Gelegenheit zu Nutze machen, und ins Feld laufen. Der Mann, dem die Schweine gehoͤren, empfindet den Schaden am mehr- ſten, weil ſeine Laͤndereyen zunaͤchſt an der Hake liegen, und das Vieh zuerſt hierauf fallen wird. Er wird alſo nicht ſorglos ſeyn, und noch weniger aus einem boͤſen Vorſatze die Schweine ins Feld laſſen. Soll nun hier der Fiſcus auflauren, und die Unterthanen in unendliche Bruͤchten ſtuͤr- zen: ſo wird kein einziger Feldgenoſſe von der Strafe frey bleiben. Dieſes kann des Geſetzgebers Abſicht nicht ſeyn; und ſo nach wuͤrde ich in dieſem Falle, wenn auch der Fiſcus ſein Amt in demſelben ſeit langen Jahren ausgeuͤbt haͤtte, einer Gemeinheit erlauben, den alten Contrakt, wodurch derſelbe auch hieruͤber zum Feldhuͤter erbeten ſeyn moͤgte, aufzukuͤndigen. Viele Gemeinheiten haben ſich daruͤber in neuern Zeiten vereiniget, und die Regierung hat ſolche Ver- einigungen als rechts beſtaͤndig gelten laſſen. Aber auch da, wo ein ſolcher Verein nicht gemacht worden, kann er alle- mal ſtillſchweigend angenommen werden. In dieſem Falle alſo ſollte meiner Meinung nach keine Beſtrafung ſtatt fin- den, als wenn daruͤber von dem Beſchaͤdigten geklagt wuͤrde. So geſtattet und erfordert es auch die gemeine Wohl- ſchloſ- O 5
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Vom Huͤten der Schweine.
Vieh unverſehens ins Feld gelaufen iſt. Viele Bauerhoͤfe
ſind dergeſtalt gelegen, daß ſie unmittelbar an die Feldflur
ſtoſſen, und es kann aller Aufmerkſamkeit ungeachtet ge-
ſchehen, daß ein Reiſender oder nachlaͤßiges Geſinde, die
ſo genante Hake offen laͤßt, da denn die auf dem verſchloſ-
ſenen Hofe laurenden Schweine, welche vom Fruͤhjahr her
noch ins Feld gewoͤhnt ſind, ſich ſo gleich die Gelegenheit
zu Nutze machen, und ins Feld laufen. Der Mann, dem
die Schweine gehoͤren, empfindet den Schaden am mehr-
ſten, weil ſeine Laͤndereyen zunaͤchſt an der Hake liegen,
und das Vieh zuerſt hierauf fallen wird. Er wird alſo nicht
ſorglos ſeyn, und noch weniger aus einem boͤſen Vorſatze
die Schweine ins Feld laſſen. Soll nun hier der Fiſcus
auflauren, und die Unterthanen in unendliche Bruͤchten ſtuͤr-
zen: ſo wird kein einziger Feldgenoſſe von der Strafe frey
bleiben. Dieſes kann des Geſetzgebers Abſicht nicht ſeyn;
und ſo nach wuͤrde ich in dieſem Falle, wenn auch der Fiſcus
ſein Amt in demſelben ſeit langen Jahren ausgeuͤbt haͤtte,
einer Gemeinheit erlauben, den alten Contrakt, wodurch
derſelbe auch hieruͤber zum Feldhuͤter erbeten ſeyn moͤgte,
aufzukuͤndigen. Viele Gemeinheiten haben ſich daruͤber in
neuern Zeiten vereiniget, und die Regierung hat ſolche Ver-
einigungen als rechts beſtaͤndig gelten laſſen. Aber auch da,
wo ein ſolcher Verein nicht gemacht worden, kann er alle-
mal ſtillſchweigend angenommen werden. In dieſem Falle
alſo ſollte meiner Meinung nach keine Beſtrafung ſtatt fin-
den, als wenn daruͤber von dem Beſchaͤdigten geklagt wuͤrde.
So geſtattet und erfordert es auch die gemeine Wohl-
fart, daß nach eroͤfneten Feldern, die Feldgenoſſen ſich dar-
uͤber nach ihrem Gefallen vereinigen moͤgen, ob ſie das Vieh
auf den Stoppeln huͤten oder ungehuͤtet laufen laſſen wol-
len. In vorigen Zeiten gieng der Fiſcus, ſo bald die ge-
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