Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.Vom Hüten der Schweine. dem Stalle, wie einen Winterhirten, und wenn man dieSchweinezucht nicht zum allgemeinen Nachtheil des Lan- des vermindern will: so muß man um kleinerer Vortheile willen, den grössern nicht verderben. Dennoch aber sind beyde Theile nemlich die Gartenbesitzer im Dorfe, und diejenigen so Schweine halten, selten darüber einverstan- den. Ein gewisser Mann stellte weiland Ihro Königl. Hoheit Ernst August dem Andern vor, wie die Schweine nicht allein die Kirchhöfe entweyheten, sondern auch so- gar in die Kirche kämen, und den Gottesdienst störten; und Höchstdieselben liessen sich dadurch bewegen unterm 2 Jan. 1718. eine Entschliessung dahin zu fassen, daß die Eingesessene des Dorfs ihre Schweine auch Dies brachte endlich die Frage hervor: Ob nicht Dorfgesessene schuldig wären ihre Gärten Diejenigen, welche solche bejaheten, sagten oder konnten schlos-
Vom Huͤten der Schweine. dem Stalle, wie einen Winterhirten, und wenn man dieSchweinezucht nicht zum allgemeinen Nachtheil des Lan- des vermindern will: ſo muß man um kleinerer Vortheile willen, den groͤſſern nicht verderben. Dennoch aber ſind beyde Theile nemlich die Gartenbeſitzer im Dorfe, und diejenigen ſo Schweine halten, ſelten daruͤber einverſtan- den. Ein gewiſſer Mann ſtellte weiland Ihro Koͤnigl. Hoheit Ernſt Auguſt dem Andern vor, wie die Schweine nicht allein die Kirchhoͤfe entweyheten, ſondern auch ſo- gar in die Kirche kaͤmen, und den Gottesdienſt ſtoͤrten; und Hoͤchſtdieſelben lieſſen ſich dadurch bewegen unterm 2 Jan. 1718. eine Entſchlieſſung dahin zu faſſen, daß die Eingeſeſſene des Dorfs ihre Schweine auch Dies brachte endlich die Frage hervor: Ob nicht Dorfgeſeſſene ſchuldig waͤren ihre Gaͤrten Diejenigen, welche ſolche bejaheten, ſagten oder konnten ſchloſ-
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Vom Huͤten der Schweine.
dem Stalle, wie einen Winterhirten, und wenn man die
Schweinezucht nicht zum allgemeinen Nachtheil des Lan-
des vermindern will: ſo muß man um kleinerer Vortheile
willen, den groͤſſern nicht verderben. Dennoch aber ſind
beyde Theile nemlich die Gartenbeſitzer im Dorfe, und
diejenigen ſo Schweine halten, ſelten daruͤber einverſtan-
den. Ein gewiſſer Mann ſtellte weiland Ihro Koͤnigl.
Hoheit Ernſt Auguſt dem Andern vor, wie die Schweine
nicht allein die Kirchhoͤfe entweyheten, ſondern auch ſo-
gar in die Kirche kaͤmen, und den Gottesdienſt ſtoͤrten;
und Hoͤchſtdieſelben lieſſen ſich dadurch bewegen unterm
2 Jan. 1718. eine Entſchlieſſung dahin zu faſſen,
daß die Eingeſeſſene des Dorfs ihre Schweine auch
zur Winterzeit entweder huͤten laſſen, oder auf dem
Stalle halten ſollten.
Dies brachte endlich die Frage hervor:
Ob nicht Dorfgeſeſſene ſchuldig waͤren ihre Gaͤrten
ſo zu verwahren, daß kein Schwein hinein kom-
men koͤnnte?
Diejenigen, welche ſolche bejaheten, ſagten oder konnten
ſagen: ‚Der Kirchhof muͤſſe ſich ſelbſt gegen den Anlauf
der Schweine wehren; dies bezeugeten die daran befind-
lichen Fallthuͤren und Roſten; Privatgaͤrten koͤnnten aber
kein mehrers Recht verlangen, als die geweyhte Kirchhoͤfe;
die Dorfgeſeſſenen, die insgemein aus Kraͤmern, Be-
ckern und Brauern, mithin aus vermoͤgenden Leuten be-
ſtuͤnden, koͤnnten mit mindrer Beſchwerde eine Mauer
oder ein Gelaͤnderwerk um ihre Gaͤrten, als die Gemeinde
einen beſtaͤndigen Hirten halten; ſie brauchten uͤberhaupt
nur mehrentheils die Gaſſenſeite ihrer Gaͤrten zu bewah-
ren, und an die Auſſenſeite wuͤrde kein Schwein kommen,
wenn das Dorf gegen das Feld mit einem Schutzwerk ge-
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