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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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Also ist die Anzahl der Advocaten
meinen Wesens. Da er durch seine Bemühungen zu-
gleich für seinen Unterhalt und für seinen Ruhm arbeitet:
so hat er einen gedoppelten Grund zum Fleisse; und eig-
ner belohnter Fleiß ist ein ganz andrer Lehrmeister als ein
grämlicher Conreferent, der über die Verbesserung der
ersten Uebungen eines Auditors ermüdet. Von einem
beständigen Wetteifer angereitzt, eher als andre, das vorge-
steckte Ziel zu erreichen, wird er oft einen Geldgewinnst
verachten, und blos für die Ehre dienen; sich schämen
kleinen Zänkereyen zu verewigen, oder grosse und mäch-
tige Familien in unnöthige Processe zu verwickeln. Wann
dann der Staat ihn auf den öffentlichen unbefleckten und
unverdächtigen Ruf, als einen erfahrnen und bewährten
Mann zu seinem Dienste fordert: so wird er mit gestärk-
ten Auge die verwickeltesten Streitigkeiten durchschauen,
solche mit der größten Fertigkeit beurtheilen, und in einer
Stunde oft mehr thun, als viele von denjenigen, welche
auf andre Art gebildet sind, in Tagen und Wochen thun
können. Er wird das prakticable unter den verschiede-
nen Meynungen der Rechtsgelehrten, ohne zu schwanken,
ergreifen; die Verfassung seines Landes aus einer schär-
fern Erfahrung genauer kennen; die Wendungen schlech-
ter Advocaten mit einem halben Auge entdecken, und
für keine Arbeit, so schwer sie auch immer seyn mag, er-
schrecken. Der Staat hat dabey den Vortheil, sich be-
ständig, wenn er eine Ehrenstelle zu vergeben hat, eine
glückliche und freye Wahl unter einer Menge von geschick-
ten Leuten zu verschaffen; diese Menge ohne seine Kosten,
und die gemeine Ehre, welche durch Tittel zu Grunde ge-
richtet wird in ihrem wahren Werthe zu erhalten. Der
Stand der Advocaten wird solchergestalt für ihn ein Eh-
renstand werden; ein jeder der sich darinn begiebt, den
Ton, welchen dieser allezeit mit sich führt, und der in

der

Alſo iſt die Anzahl der Advocaten
meinen Weſens. Da er durch ſeine Bemuͤhungen zu-
gleich fuͤr ſeinen Unterhalt und fuͤr ſeinen Ruhm arbeitet:
ſo hat er einen gedoppelten Grund zum Fleiſſe; und eig-
ner belohnter Fleiß iſt ein ganz andrer Lehrmeiſter als ein
graͤmlicher Conreferent, der uͤber die Verbeſſerung der
erſten Uebungen eines Auditors ermuͤdet. Von einem
beſtaͤndigen Wetteifer angereitzt, eher als andre, das vorge-
ſteckte Ziel zu erreichen, wird er oft einen Geldgewinnſt
verachten, und blos fuͤr die Ehre dienen; ſich ſchaͤmen
kleinen Zaͤnkereyen zu verewigen, oder groſſe und maͤch-
tige Familien in unnoͤthige Proceſſe zu verwickeln. Wann
dann der Staat ihn auf den oͤffentlichen unbefleckten und
unverdaͤchtigen Ruf, als einen erfahrnen und bewaͤhrten
Mann zu ſeinem Dienſte fordert: ſo wird er mit geſtaͤrk-
ten Auge die verwickelteſten Streitigkeiten durchſchauen,
ſolche mit der groͤßten Fertigkeit beurtheilen, und in einer
Stunde oft mehr thun, als viele von denjenigen, welche
auf andre Art gebildet ſind, in Tagen und Wochen thun
koͤnnen. Er wird das prakticable unter den verſchiede-
nen Meynungen der Rechtsgelehrten, ohne zu ſchwanken,
ergreifen; die Verfaſſung ſeines Landes aus einer ſchaͤr-
fern Erfahrung genauer kennen; die Wendungen ſchlech-
ter Advocaten mit einem halben Auge entdecken, und
fuͤr keine Arbeit, ſo ſchwer ſie auch immer ſeyn mag, er-
ſchrecken. Der Staat hat dabey den Vortheil, ſich be-
ſtaͤndig, wenn er eine Ehrenſtelle zu vergeben hat, eine
gluͤckliche und freye Wahl unter einer Menge von geſchick-
ten Leuten zu verſchaffen; dieſe Menge ohne ſeine Koſten,
und die gemeine Ehre, welche durch Tittel zu Grunde ge-
richtet wird in ihrem wahren Werthe zu erhalten. Der
Stand der Advocaten wird ſolchergeſtalt fuͤr ihn ein Eh-
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Ton, welchen dieſer allezeit mit ſich fuͤhrt, und der in

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[204/0218] Alſo iſt die Anzahl der Advocaten meinen Weſens. Da er durch ſeine Bemuͤhungen zu- gleich fuͤr ſeinen Unterhalt und fuͤr ſeinen Ruhm arbeitet: ſo hat er einen gedoppelten Grund zum Fleiſſe; und eig- ner belohnter Fleiß iſt ein ganz andrer Lehrmeiſter als ein graͤmlicher Conreferent, der uͤber die Verbeſſerung der erſten Uebungen eines Auditors ermuͤdet. Von einem beſtaͤndigen Wetteifer angereitzt, eher als andre, das vorge- ſteckte Ziel zu erreichen, wird er oft einen Geldgewinnſt verachten, und blos fuͤr die Ehre dienen; ſich ſchaͤmen kleinen Zaͤnkereyen zu verewigen, oder groſſe und maͤch- tige Familien in unnoͤthige Proceſſe zu verwickeln. Wann dann der Staat ihn auf den oͤffentlichen unbefleckten und unverdaͤchtigen Ruf, als einen erfahrnen und bewaͤhrten Mann zu ſeinem Dienſte fordert: ſo wird er mit geſtaͤrk- ten Auge die verwickelteſten Streitigkeiten durchſchauen, ſolche mit der groͤßten Fertigkeit beurtheilen, und in einer Stunde oft mehr thun, als viele von denjenigen, welche auf andre Art gebildet ſind, in Tagen und Wochen thun koͤnnen. Er wird das prakticable unter den verſchiede- nen Meynungen der Rechtsgelehrten, ohne zu ſchwanken, ergreifen; die Verfaſſung ſeines Landes aus einer ſchaͤr- fern Erfahrung genauer kennen; die Wendungen ſchlech- ter Advocaten mit einem halben Auge entdecken, und fuͤr keine Arbeit, ſo ſchwer ſie auch immer ſeyn mag, er- ſchrecken. Der Staat hat dabey den Vortheil, ſich be- ſtaͤndig, wenn er eine Ehrenſtelle zu vergeben hat, eine gluͤckliche und freye Wahl unter einer Menge von geſchick- ten Leuten zu verſchaffen; dieſe Menge ohne ſeine Koſten, und die gemeine Ehre, welche durch Tittel zu Grunde ge- richtet wird in ihrem wahren Werthe zu erhalten. Der Stand der Advocaten wird ſolchergeſtalt fuͤr ihn ein Eh- renſtand werden; ein jeder der ſich darinn begiebt, den Ton, welchen dieſer allezeit mit ſich fuͤhrt, und der in der

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/218>, abgerufen am 26.11.2024.