"welche ihm dereinst in wichtigen Ehrenstellen dienen soll- "ten?" Im erstern Falle bin ich völlig ihrer Meinung, es ist dann besser ihrer eine bestimmte als unbestimmte Zahl zu haben. Im andern aber, welche ich für den glücklichsten halte, kann ich ihnen nicht beypflichten.
Meiner Meinung nach sind die Gesetzgeber allein Schuld daran, wenn der Stand der Advocaten unter sei- ne Würde sinket. Dadurch daß sie denselben von den wichtigsten Bedienungen ausschliessen, und ihre Räthe durch die Auditorey ziehen, haben sie denselben um alle Hoffnung, mit dieser um die beste Aufmunterung, und nach einer natürlichen Folge auch um allen Eifer gebracht, sich als grosse und verdiente Männer zu zeigen. Sie ha- ben demselben blos den Weg des Gewinnstes übrig ge- lassen, welcher immer gefährlicher wird, je weiter er ohne Begleitung der Ehre fortgeht. Sie haben dem Staate mit solchen Advocaten oft nur eine Last von schlechten Leuten zugezogen, und sich in die Nothwendigkeit gesetzt, diesel- ben mit Strafbefehlen in Ordnung zu halten; und den- noch soll der Advocat ein grosses Herz für Wittwen und Waysen; einen edlen Muth gegen mächtige Unterdrücker; und alle Eigenschaften eines geschickten, redlichen und feurigen Mannes haben; er soll unter einer empfindli- chen Ausschliessung von wichtigen Ehrenstellen, auf nichts als auf Ehre sehen; unter bittern Verweisen, die ihm ein junger Rath bey der geringsten Gelegenheit giebt, Liebe zu seinen Geschäften, Eifer für die Unschuld, und Freyheit des Geistes behalten; er soll, von guten Ge- sellschaften ausgeschlossen, den Ton des Hofmanns haben, sich kurz und groß fassen, und Wahrheit mit Geschmack verbinden; ... Das und viel mehrers soll er thun, und dennoch beständig auf den Fuß eines gerichtlichen
Tag-
N 5
nicht ſo ſchlechterdings einzuſchraͤnken.
„welche ihm dereinſt in wichtigen Ehrenſtellen dienen ſoll- „ten?„ Im erſtern Falle bin ich voͤllig ihrer Meinung, es iſt dann beſſer ihrer eine beſtimmte als unbeſtimmte Zahl zu haben. Im andern aber, welche ich fuͤr den gluͤcklichſten halte, kann ich ihnen nicht beypflichten.
Meiner Meinung nach ſind die Geſetzgeber allein Schuld daran, wenn der Stand der Advocaten unter ſei- ne Wuͤrde ſinket. Dadurch daß ſie denſelben von den wichtigſten Bedienungen ausſchlieſſen, und ihre Raͤthe durch die Auditorey ziehen, haben ſie denſelben um alle Hoffnung, mit dieſer um die beſte Aufmunterung, und nach einer natuͤrlichen Folge auch um allen Eifer gebracht, ſich als groſſe und verdiente Maͤnner zu zeigen. Sie ha- ben demſelben blos den Weg des Gewinnſtes uͤbrig ge- laſſen, welcher immer gefaͤhrlicher wird, je weiter er ohne Begleitung der Ehre fortgeht. Sie haben dem Staate mit ſolchen Advocaten oft nur eine Laſt von ſchlechten Leuten zugezogen, und ſich in die Nothwendigkeit geſetzt, dieſel- ben mit Strafbefehlen in Ordnung zu halten; und den- noch ſoll der Advocat ein groſſes Herz fuͤr Wittwen und Wayſen; einen edlen Muth gegen maͤchtige Unterdruͤcker; und alle Eigenſchaften eines geſchickten, redlichen und feurigen Mannes haben; er ſoll unter einer empfindli- chen Ausſchlieſſung von wichtigen Ehrenſtellen, auf nichts als auf Ehre ſehen; unter bittern Verweiſen, die ihm ein junger Rath bey der geringſten Gelegenheit giebt, Liebe zu ſeinen Geſchaͤften, Eifer fuͤr die Unſchuld, und Freyheit des Geiſtes behalten; er ſoll, von guten Ge- ſellſchaften ausgeſchloſſen, den Ton des Hofmanns haben, ſich kurz und groß faſſen, und Wahrheit mit Geſchmack verbinden; … Das und viel mehrers ſoll er thun, und dennoch beſtaͤndig auf den Fuß eines gerichtlichen
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[201/0215]
nicht ſo ſchlechterdings einzuſchraͤnken.
„welche ihm dereinſt in wichtigen Ehrenſtellen dienen ſoll-
„ten?„ Im erſtern Falle bin ich voͤllig ihrer Meinung,
es iſt dann beſſer ihrer eine beſtimmte als unbeſtimmte
Zahl zu haben. Im andern aber, welche ich fuͤr den
gluͤcklichſten halte, kann ich ihnen nicht beypflichten.
Meiner Meinung nach ſind die Geſetzgeber allein
Schuld daran, wenn der Stand der Advocaten unter ſei-
ne Wuͤrde ſinket. Dadurch daß ſie denſelben von den
wichtigſten Bedienungen ausſchlieſſen, und ihre Raͤthe
durch die Auditorey ziehen, haben ſie denſelben um alle
Hoffnung, mit dieſer um die beſte Aufmunterung, und
nach einer natuͤrlichen Folge auch um allen Eifer gebracht,
ſich als groſſe und verdiente Maͤnner zu zeigen. Sie ha-
ben demſelben blos den Weg des Gewinnſtes uͤbrig ge-
laſſen, welcher immer gefaͤhrlicher wird, je weiter er ohne
Begleitung der Ehre fortgeht. Sie haben dem Staate
mit ſolchen Advocaten oft nur eine Laſt von ſchlechten Leuten
zugezogen, und ſich in die Nothwendigkeit geſetzt, dieſel-
ben mit Strafbefehlen in Ordnung zu halten; und den-
noch ſoll der Advocat ein groſſes Herz fuͤr Wittwen und
Wayſen; einen edlen Muth gegen maͤchtige Unterdruͤcker;
und alle Eigenſchaften eines geſchickten, redlichen und
feurigen Mannes haben; er ſoll unter einer empfindli-
chen Ausſchlieſſung von wichtigen Ehrenſtellen, auf nichts
als auf Ehre ſehen; unter bittern Verweiſen, die ihm
ein junger Rath bey der geringſten Gelegenheit giebt,
Liebe zu ſeinen Geſchaͤften, Eifer fuͤr die Unſchuld, und
Freyheit des Geiſtes behalten; er ſoll, von guten Ge-
ſellſchaften ausgeſchloſſen, den Ton des Hofmanns haben,
ſich kurz und groß faſſen, und Wahrheit mit Geſchmack
verbinden; … Das und viel mehrers ſoll er thun,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/215>, abgerufen am 27.07.2024.
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