Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Also ist die Anzahl der Advocaten
diejenigen, so einzig und allein von den Zänkereyen an-
drer leben, und nachdem sie daraus ihr ganzes Geschäfte
gemacht haben, auch leben müssen, ihm überall auflau-
reten, und sich seine ersten heftigen Leidenschaften zu Nutze
machten. Unsre Vorfahren sind groß und glücklich ge-
wesen, ehe sie Advocaten gekannt haben, und wenn wir
gleich seitdem die Menge von Gesetzen, und die Kunst
zu richten einen gelehrten Mann erfordert, und seitdem
dieser nicht mehr von den Partheyen gewillk[ü]hrt, sondern
von der O[b]rigkeit angesetzt wird, auch eigne dazu ausge-
lernte Leute haben müssen, welche die Sachen vor Ge-
richte vortragen, dem Richter die Arbeit erleichtern und
darauf Acht haben, daß er nicht in das unrechte Fach
greife: so ist es doch allezeit besser ihrer wenig, als viel, zu
haben. Man sollte daher hier, eben so wie in andern
Staaten, wo man die Sache längst besser eingesehen hat,
nur eine gewisse mäßige Zahl annehmen, und nicht einem
jeden, der dazu geschickt ist, diese Freyheit gönnen. Auf
diese Weise würden die wenigen, welche sich damit abgä-
ben, ihr Auskommen dabey finden, ihrem Stande Ehre
machen, und nicht in die Versuchung gerathen können,
jede geringe Zänkerey in einen kosibaren Proceß zu ver-
wandeln.

Das sind allgemeine Sätze, erwiederte ich ihm, wo-
gegen sich im allgemeinen auch wiederum vieles einwen-
den läßt, und hiebey halte ich mich nicht gern auf. Wir
wollen die Sache lieber so fort auf zwey Hauptfragen stel-
len: "entweder will der Staat den Stand der Advocaten
"in eine eigne abgesonderte Zunft verwandeln, und dieje-
"nigen, so sich darinn begeben, von fernern Beförderun-
"gen ausschließen; oder er sieht ihn als eine blühende
"Pflanzschule an, worinn er die Männer ziehen will,

"wel-

Alſo iſt die Anzahl der Advocaten
diejenigen, ſo einzig und allein von den Zaͤnkereyen an-
drer leben, und nachdem ſie daraus ihr ganzes Geſchaͤfte
gemacht haben, auch leben muͤſſen, ihm uͤberall auflau-
reten, und ſich ſeine erſten heftigen Leidenſchaften zu Nutze
machten. Unſre Vorfahren ſind groß und gluͤcklich ge-
weſen, ehe ſie Advocaten gekannt haben, und wenn wir
gleich ſeitdem die Menge von Geſetzen, und die Kunſt
zu richten einen gelehrten Mann erfordert, und ſeitdem
dieſer nicht mehr von den Partheyen gewillk[uͤ]hrt, ſondern
von der O[b]rigkeit angeſetzt wird, auch eigne dazu ausge-
lernte Leute haben muͤſſen, welche die Sachen vor Ge-
richte vortragen, dem Richter die Arbeit erleichtern und
darauf Acht haben, daß er nicht in das unrechte Fach
greife: ſo iſt es doch allezeit beſſer ihrer wenig, als viel, zu
haben. Man ſollte daher hier, eben ſo wie in andern
Staaten, wo man die Sache laͤngſt beſſer eingeſehen hat,
nur eine gewiſſe maͤßige Zahl annehmen, und nicht einem
jeden, der dazu geſchickt iſt, dieſe Freyheit goͤnnen. Auf
dieſe Weiſe wuͤrden die wenigen, welche ſich damit abgaͤ-
ben, ihr Auskommen dabey finden, ihrem Stande Ehre
machen, und nicht in die Verſuchung gerathen koͤnnen,
jede geringe Zaͤnkerey in einen koſibaren Proceß zu ver-
wandeln.

Das ſind allgemeine Saͤtze, erwiederte ich ihm, wo-
gegen ſich im allgemeinen auch wiederum vieles einwen-
den laͤßt, und hiebey halte ich mich nicht gern auf. Wir
wollen die Sache lieber ſo fort auf zwey Hauptfragen ſtel-
len: „entweder will der Staat den Stand der Advocaten
„in eine eigne abgeſonderte Zunft verwandeln, und dieje-
„nigen, ſo ſich darinn begeben, von fernern Befoͤrderun-
„gen ausſchließen; oder er ſieht ihn als eine bluͤhende
„Pflanzſchule an, worinn er die Maͤnner ziehen will,

„wel-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0214" n="200"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Al&#x017F;o i&#x017F;t die Anzahl der Advocaten</hi></fw><lb/>
diejenigen, &#x017F;o einzig und allein von den Za&#x0364;nkereyen an-<lb/>
drer leben, und nachdem &#x017F;ie daraus ihr ganzes Ge&#x017F;cha&#x0364;fte<lb/>
gemacht haben, auch leben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, ihm u&#x0364;berall auflau-<lb/>
reten, und &#x017F;ich &#x017F;eine er&#x017F;ten heftigen Leiden&#x017F;chaften zu Nutze<lb/>
machten. Un&#x017F;re Vorfahren &#x017F;ind groß und glu&#x0364;cklich ge-<lb/>
we&#x017F;en, ehe &#x017F;ie Advocaten gekannt haben, und wenn wir<lb/>
gleich &#x017F;eitdem die Menge von Ge&#x017F;etzen, und die Kun&#x017F;t<lb/>
zu richten einen gelehrten Mann erfordert, und &#x017F;eitdem<lb/>
die&#x017F;er nicht mehr von den Partheyen gewillk<supplied>u&#x0364;</supplied>hrt, &#x017F;ondern<lb/>
von der O<supplied>b</supplied>rigkeit ange&#x017F;etzt wird, auch eigne dazu ausge-<lb/>
lernte Leute haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, welche die Sachen vor Ge-<lb/>
richte vortragen, dem Richter die Arbeit erleichtern und<lb/>
darauf Acht haben, daß er nicht in das unrechte Fach<lb/>
greife: &#x017F;o i&#x017F;t es doch allezeit be&#x017F;&#x017F;er ihrer wenig, als viel, zu<lb/>
haben. Man &#x017F;ollte daher hier, eben &#x017F;o wie in andern<lb/>
Staaten, wo man die Sache la&#x0364;ng&#x017F;t be&#x017F;&#x017F;er einge&#x017F;ehen hat,<lb/>
nur eine gewi&#x017F;&#x017F;e ma&#x0364;ßige Zahl annehmen, und nicht einem<lb/>
jeden, der dazu ge&#x017F;chickt i&#x017F;t, die&#x017F;e Freyheit go&#x0364;nnen. Auf<lb/>
die&#x017F;e Wei&#x017F;e wu&#x0364;rden die wenigen, welche &#x017F;ich damit abga&#x0364;-<lb/>
ben, ihr Auskommen dabey finden, ihrem Stande Ehre<lb/>
machen, und nicht in die Ver&#x017F;uchung gerathen ko&#x0364;nnen,<lb/>
jede geringe Za&#x0364;nkerey in einen ko&#x017F;ibaren Proceß zu ver-<lb/>
wandeln.</p><lb/>
        <p>Das &#x017F;ind allgemeine Sa&#x0364;tze, erwiederte ich ihm, wo-<lb/>
gegen &#x017F;ich im allgemeinen auch wiederum vieles einwen-<lb/>
den la&#x0364;ßt, und hiebey halte ich mich nicht gern auf. Wir<lb/>
wollen die Sache lieber &#x017F;o fort auf zwey Hauptfragen &#x017F;tel-<lb/>
len: &#x201E;entweder will der Staat den Stand der Advocaten<lb/>
&#x201E;in eine eigne abge&#x017F;onderte Zunft verwandeln, und dieje-<lb/>
&#x201E;nigen, &#x017F;o &#x017F;ich darinn begeben, von fernern Befo&#x0364;rderun-<lb/>
&#x201E;gen aus&#x017F;chließen; oder er &#x017F;ieht ihn als eine blu&#x0364;hende<lb/>
&#x201E;Pflanz&#x017F;chule an, worinn er die Ma&#x0364;nner ziehen will,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;wel-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0214] Alſo iſt die Anzahl der Advocaten diejenigen, ſo einzig und allein von den Zaͤnkereyen an- drer leben, und nachdem ſie daraus ihr ganzes Geſchaͤfte gemacht haben, auch leben muͤſſen, ihm uͤberall auflau- reten, und ſich ſeine erſten heftigen Leidenſchaften zu Nutze machten. Unſre Vorfahren ſind groß und gluͤcklich ge- weſen, ehe ſie Advocaten gekannt haben, und wenn wir gleich ſeitdem die Menge von Geſetzen, und die Kunſt zu richten einen gelehrten Mann erfordert, und ſeitdem dieſer nicht mehr von den Partheyen gewillkuͤhrt, ſondern von der Obrigkeit angeſetzt wird, auch eigne dazu ausge- lernte Leute haben muͤſſen, welche die Sachen vor Ge- richte vortragen, dem Richter die Arbeit erleichtern und darauf Acht haben, daß er nicht in das unrechte Fach greife: ſo iſt es doch allezeit beſſer ihrer wenig, als viel, zu haben. Man ſollte daher hier, eben ſo wie in andern Staaten, wo man die Sache laͤngſt beſſer eingeſehen hat, nur eine gewiſſe maͤßige Zahl annehmen, und nicht einem jeden, der dazu geſchickt iſt, dieſe Freyheit goͤnnen. Auf dieſe Weiſe wuͤrden die wenigen, welche ſich damit abgaͤ- ben, ihr Auskommen dabey finden, ihrem Stande Ehre machen, und nicht in die Verſuchung gerathen koͤnnen, jede geringe Zaͤnkerey in einen koſibaren Proceß zu ver- wandeln. Das ſind allgemeine Saͤtze, erwiederte ich ihm, wo- gegen ſich im allgemeinen auch wiederum vieles einwen- den laͤßt, und hiebey halte ich mich nicht gern auf. Wir wollen die Sache lieber ſo fort auf zwey Hauptfragen ſtel- len: „entweder will der Staat den Stand der Advocaten „in eine eigne abgeſonderte Zunft verwandeln, und dieje- „nigen, ſo ſich darinn begeben, von fernern Befoͤrderun- „gen ausſchließen; oder er ſieht ihn als eine bluͤhende „Pflanzſchule an, worinn er die Maͤnner ziehen will, „wel-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/214
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/214>, abgerufen am 28.03.2024.