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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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Von dem wichtigen Unterschied
stände, wie z. E. die jetzige Verschiedenheit der Religionen,
daß sie einem Layen, ohne daß er die Tonsur nehmen dürfte,
eine Pfründe geben müßte: so erhielte dieser solche nicht
anders als gleichsam in feudum. Jener steht unter ihrer
Gewalt (potestate), dieser aber kann nur auf seine gelei-
stete Treue gemahnet und vorgefordert werden. Jener ist
treu und hörig, dieser blos treu, und wo solchergestalt
die Treue nicht aber die Hörigkeit das Band zwischen dem
Dienstherrn und seinen dienenden Manne ausmachte, da
suchte man dafür einen eigenen Namen, und nannte diese
Art der Bestallung auf Treue, mit Recht feudum, von
dem Italiänschen fe, oder dem Lateinschen fide.

Dies vorausgesetzt begreift man nun leicht, warum die
feuda so spät entstanden sind. Zuerst wurde der Natio-
nalkrieg mit dem Heerbann geführt; und Fürsten und Herrn
hatten nur wenige hörige Leute für sich in ihren Privatge-
folgen. Sie vermehrten solche immer nach dem Verhält-
niß, als der Heerbann weniger gebraucht wurde. Wie
aber die unruhigen Zeiten eine stärkere Vermehrung dersel-
ben erforderten, als sie aus hörigen Leuten zusammen brin-
gen konnten, und diejenigen Edlen, welche ihnen die besten
Dienste leisten konnten, zwar wohl als Treue aber nicht als
Hörige dienen wollten: so gaben sie auch endlich diesen be-
neficia
und nannten solche aus der vorhin angeführten Ur-
sache, feuda. Sie thaten es jedoch nicht ohne die höchste
Noth, und forderten gern, daß ihre Kinder, wenn sie das
Lehn erblich behalten wollten, sich hörig machen sollten.
So mußte der Graf Walderich von Oldenburg, als ihm
von unserm Bischof Gerhard ein Lehn gereichet wurde, ge-
loben, daß sein Sohn eines dem Stifte hörigen Mannes
Tochter heurathen sollte, und der Abt von Corvey forderte
in einem gleichen Falle von Alberten von der Lippe, ut

uxor

Von dem wichtigen Unterſchied
ſtaͤnde, wie z. E. die jetzige Verſchiedenheit der Religionen,
daß ſie einem Layen, ohne daß er die Tonſur nehmen duͤrfte,
eine Pfruͤnde geben muͤßte: ſo erhielte dieſer ſolche nicht
anders als gleichſam in feudum. Jener ſteht unter ihrer
Gewalt (poteſtate), dieſer aber kann nur auf ſeine gelei-
ſtete Treue gemahnet und vorgefordert werden. Jener iſt
treu und hoͤrig, dieſer blos treu, und wo ſolchergeſtalt
die Treue nicht aber die Hoͤrigkeit das Band zwiſchen dem
Dienſtherrn und ſeinen dienenden Manne ausmachte, da
ſuchte man dafuͤr einen eigenen Namen, und nannte dieſe
Art der Beſtallung auf Treue, mit Recht feudum, von
dem Italiaͤnſchen fe, oder dem Lateinſchen fide.

Dies vorausgeſetzt begreift man nun leicht, warum die
feuda ſo ſpaͤt entſtanden ſind. Zuerſt wurde der Natio-
nalkrieg mit dem Heerbann gefuͤhrt; und Fuͤrſten und Herrn
hatten nur wenige hoͤrige Leute fuͤr ſich in ihren Privatge-
folgen. Sie vermehrten ſolche immer nach dem Verhaͤlt-
niß, als der Heerbann weniger gebraucht wurde. Wie
aber die unruhigen Zeiten eine ſtaͤrkere Vermehrung derſel-
ben erforderten, als ſie aus hoͤrigen Leuten zuſammen brin-
gen konnten, und diejenigen Edlen, welche ihnen die beſten
Dienſte leiſten konnten, zwar wohl als Treue aber nicht als
Hoͤrige dienen wollten: ſo gaben ſie auch endlich dieſen be-
neficia
und nannten ſolche aus der vorhin angefuͤhrten Ur-
ſache, feuda. Sie thaten es jedoch nicht ohne die hoͤchſte
Noth, und forderten gern, daß ihre Kinder, wenn ſie das
Lehn erblich behalten wollten, ſich hoͤrig machen ſollten.
So mußte der Graf Walderich von Oldenburg, als ihm
von unſerm Biſchof Gerhard ein Lehn gereichet wurde, ge-
loben, daß ſein Sohn eines dem Stifte hoͤrigen Mannes
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[190/0204] Von dem wichtigen Unterſchied ſtaͤnde, wie z. E. die jetzige Verſchiedenheit der Religionen, daß ſie einem Layen, ohne daß er die Tonſur nehmen duͤrfte, eine Pfruͤnde geben muͤßte: ſo erhielte dieſer ſolche nicht anders als gleichſam in feudum. Jener ſteht unter ihrer Gewalt (poteſtate), dieſer aber kann nur auf ſeine gelei- ſtete Treue gemahnet und vorgefordert werden. Jener iſt treu und hoͤrig, dieſer blos treu, und wo ſolchergeſtalt die Treue nicht aber die Hoͤrigkeit das Band zwiſchen dem Dienſtherrn und ſeinen dienenden Manne ausmachte, da ſuchte man dafuͤr einen eigenen Namen, und nannte dieſe Art der Beſtallung auf Treue, mit Recht feudum, von dem Italiaͤnſchen fe, oder dem Lateinſchen fide. Dies vorausgeſetzt begreift man nun leicht, warum die feuda ſo ſpaͤt entſtanden ſind. Zuerſt wurde der Natio- nalkrieg mit dem Heerbann gefuͤhrt; und Fuͤrſten und Herrn hatten nur wenige hoͤrige Leute fuͤr ſich in ihren Privatge- folgen. Sie vermehrten ſolche immer nach dem Verhaͤlt- niß, als der Heerbann weniger gebraucht wurde. Wie aber die unruhigen Zeiten eine ſtaͤrkere Vermehrung derſel- ben erforderten, als ſie aus hoͤrigen Leuten zuſammen brin- gen konnten, und diejenigen Edlen, welche ihnen die beſten Dienſte leiſten konnten, zwar wohl als Treue aber nicht als Hoͤrige dienen wollten: ſo gaben ſie auch endlich dieſen be- neficia und nannten ſolche aus der vorhin angefuͤhrten Ur- ſache, feuda. Sie thaten es jedoch nicht ohne die hoͤchſte Noth, und forderten gern, daß ihre Kinder, wenn ſie das Lehn erblich behalten wollten, ſich hoͤrig machen ſollten. So mußte der Graf Walderich von Oldenburg, als ihm von unſerm Biſchof Gerhard ein Lehn gereichet wurde, ge- loben, daß ſein Sohn eines dem Stifte hoͤrigen Mannes Tochter heurathen ſollte, und der Abt von Corvey forderte in einem gleichen Falle von Alberten von der Lippe, ut uxor

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/204>, abgerufen am 29.03.2024.