Ich höre, das Lernen und Studiren wird jetzt so leicht gemacht, man sieht dabey so viel auf die Erhaltung eines gesunden Körpers; es wird so ernstlich dafür gesorgt, daß die Kinder in gewissen Stunden auch spielen müssen, und die ganze menschliche Gesellschaft scheinet diese Bemühungen auf einmal so groß zu finden, daß ich mir schmeichle die Reihe der Aufmerksamkeit werde auch endlich uns arme Handwerker treffen, und der Mann mit dem eisernen Zep- ter, welcher uns allen Acker und Gartenbau entzogen, und das grausame Gesetz gegeben hat, daß ein Handwerksmann ohne alle Abwechselung seinem Geschäfte obliegen soll, von seinem Throne verstossen werden.
Die Handwerksburschen machen gewiß einen beträcht- lichern Theil des menschlichen Geschlechts aus, als die studirenden Gesellen; und ich getraue mir zu sagen, daß die Welt jene nöthiger als diese habe. Wie kann man es dann mit gelassenen Augen ausehen, daß so viele hübsche junge Leute aus den Stuben der Perukenmacher eine frühe Schwindsucht holen? oder in den Werkstätten krumm zu- sammen wachsen? und womit will die Verschwendung so grosse Opfer vor Gott rechtfertigen? Sollte nicht jeder Mensch so erzogen werden, daß er seine völlige Gesundheit behielte? und sollten sich nicht alle Menschenfreunde verei- einigen, um einen solchem Uebel, was die Menschheit in ih- ren edelsten Theilen angreift, ein mächtiges Ziel zu setzen?
Ich erinnere mich zwar wohl, daß sie mir schon ein- mahl geantwortet haben, der Mensch sey blos zum Säen und Pflanzen erschaffen; dieses sey sein natürlicher Beruf, wobey er allein völlig gesund und stark bliebe; der Stand aller gelehrten und ungelehrten Stubensitzer sey eben der- jenige nicht, welchen man zur Zucht verlangte, und man könnte das Ackerbauende Geschlecht immer mit einer klei-
nen
J 5
fuͤr die Handwerkspurſchen noͤthig?
Ich hoͤre, das Lernen und Studiren wird jetzt ſo leicht gemacht, man ſieht dabey ſo viel auf die Erhaltung eines geſunden Koͤrpers; es wird ſo ernſtlich dafuͤr geſorgt, daß die Kinder in gewiſſen Stunden auch ſpielen muͤſſen, und die ganze menſchliche Geſellſchaft ſcheinet dieſe Bemuͤhungen auf einmal ſo groß zu finden, daß ich mir ſchmeichle die Reihe der Aufmerkſamkeit werde auch endlich uns arme Handwerker treffen, und der Mann mit dem eiſernen Zep- ter, welcher uns allen Acker und Gartenbau entzogen, und das grauſame Geſetz gegeben hat, daß ein Handwerksmann ohne alle Abwechſelung ſeinem Geſchaͤfte obliegen ſoll, von ſeinem Throne verſtoſſen werden.
Die Handwerksburſchen machen gewiß einen betraͤcht- lichern Theil des menſchlichen Geſchlechts aus, als die ſtudirenden Geſellen; und ich getraue mir zu ſagen, daß die Welt jene noͤthiger als dieſe habe. Wie kann man es dann mit gelaſſenen Augen auſehen, daß ſo viele huͤbſche junge Leute aus den Stuben der Perukenmacher eine fruͤhe Schwindſucht holen? oder in den Werkſtaͤtten krumm zu- ſammen wachſen? und womit will die Verſchwendung ſo groſſe Opfer vor Gott rechtfertigen? Sollte nicht jeder Menſch ſo erzogen werden, daß er ſeine voͤllige Geſundheit behielte? und ſollten ſich nicht alle Menſchenfreunde verei- einigen, um einen ſolchem Uebel, was die Menſchheit in ih- ren edelſten Theilen angreift, ein maͤchtiges Ziel zu ſetzen?
Ich erinnere mich zwar wohl, daß ſie mir ſchon ein- mahl geantwortet haben, der Menſch ſey blos zum Saͤen und Pflanzen erſchaffen; dieſes ſey ſein natuͤrlicher Beruf, wobey er allein voͤllig geſund und ſtark bliebe; der Stand aller gelehrten und ungelehrten Stubenſitzer ſey eben der- jenige nicht, welchen man zur Zucht verlangte, und man koͤnnte das Ackerbauende Geſchlecht immer mit einer klei-
nen
J 5
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0151"n="137"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">fuͤr die Handwerkspurſchen noͤthig?</hi></fw><lb/><p>Ich hoͤre, das Lernen und Studiren wird jetzt ſo leicht<lb/>
gemacht, man ſieht dabey ſo viel auf die Erhaltung eines<lb/>
geſunden Koͤrpers; es wird ſo ernſtlich dafuͤr geſorgt, daß<lb/>
die Kinder in gewiſſen Stunden auch ſpielen muͤſſen, und<lb/>
die ganze menſchliche Geſellſchaft ſcheinet dieſe Bemuͤhungen<lb/>
auf einmal ſo groß zu finden, daß ich mir ſchmeichle die<lb/>
Reihe der Aufmerkſamkeit werde auch endlich uns arme<lb/>
Handwerker treffen, und der Mann mit dem eiſernen Zep-<lb/>
ter, welcher uns allen Acker und Gartenbau entzogen, und<lb/>
das grauſame Geſetz gegeben hat, daß ein Handwerksmann<lb/>
ohne alle Abwechſelung ſeinem Geſchaͤfte obliegen ſoll, von<lb/>ſeinem Throne verſtoſſen werden.</p><lb/><p>Die Handwerksburſchen machen gewiß einen betraͤcht-<lb/>
lichern Theil des menſchlichen Geſchlechts aus, als die<lb/>ſtudirenden Geſellen; und ich getraue mir zu ſagen, daß<lb/>
die Welt jene noͤthiger als dieſe habe. Wie kann man es<lb/>
dann mit gelaſſenen Augen auſehen, daß ſo viele huͤbſche<lb/>
junge Leute aus den Stuben der Perukenmacher eine fruͤhe<lb/>
Schwindſucht holen? oder in den Werkſtaͤtten krumm zu-<lb/>ſammen wachſen? und womit will die Verſchwendung ſo<lb/>
groſſe Opfer vor Gott rechtfertigen? Sollte nicht jeder<lb/>
Menſch ſo erzogen werden, daß er ſeine voͤllige Geſundheit<lb/>
behielte? und ſollten ſich nicht alle Menſchenfreunde verei-<lb/>
einigen, um einen ſolchem Uebel, was die Menſchheit in ih-<lb/>
ren edelſten Theilen angreift, ein maͤchtiges Ziel zu ſetzen?</p><lb/><p>Ich erinnere mich zwar wohl, daß ſie mir ſchon ein-<lb/>
mahl geantwortet haben, der Menſch ſey blos zum Saͤen<lb/>
und Pflanzen erſchaffen; dieſes ſey ſein natuͤrlicher Beruf,<lb/>
wobey er allein voͤllig geſund und ſtark bliebe; der Stand<lb/>
aller gelehrten und ungelehrten Stubenſitzer ſey eben der-<lb/>
jenige nicht, welchen man zur Zucht verlangte, und man<lb/>
koͤnnte das Ackerbauende Geſchlecht immer mit einer klei-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">J 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">nen</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[137/0151]
fuͤr die Handwerkspurſchen noͤthig?
Ich hoͤre, das Lernen und Studiren wird jetzt ſo leicht
gemacht, man ſieht dabey ſo viel auf die Erhaltung eines
geſunden Koͤrpers; es wird ſo ernſtlich dafuͤr geſorgt, daß
die Kinder in gewiſſen Stunden auch ſpielen muͤſſen, und
die ganze menſchliche Geſellſchaft ſcheinet dieſe Bemuͤhungen
auf einmal ſo groß zu finden, daß ich mir ſchmeichle die
Reihe der Aufmerkſamkeit werde auch endlich uns arme
Handwerker treffen, und der Mann mit dem eiſernen Zep-
ter, welcher uns allen Acker und Gartenbau entzogen, und
das grauſame Geſetz gegeben hat, daß ein Handwerksmann
ohne alle Abwechſelung ſeinem Geſchaͤfte obliegen ſoll, von
ſeinem Throne verſtoſſen werden.
Die Handwerksburſchen machen gewiß einen betraͤcht-
lichern Theil des menſchlichen Geſchlechts aus, als die
ſtudirenden Geſellen; und ich getraue mir zu ſagen, daß
die Welt jene noͤthiger als dieſe habe. Wie kann man es
dann mit gelaſſenen Augen auſehen, daß ſo viele huͤbſche
junge Leute aus den Stuben der Perukenmacher eine fruͤhe
Schwindſucht holen? oder in den Werkſtaͤtten krumm zu-
ſammen wachſen? und womit will die Verſchwendung ſo
groſſe Opfer vor Gott rechtfertigen? Sollte nicht jeder
Menſch ſo erzogen werden, daß er ſeine voͤllige Geſundheit
behielte? und ſollten ſich nicht alle Menſchenfreunde verei-
einigen, um einen ſolchem Uebel, was die Menſchheit in ih-
ren edelſten Theilen angreift, ein maͤchtiges Ziel zu ſetzen?
Ich erinnere mich zwar wohl, daß ſie mir ſchon ein-
mahl geantwortet haben, der Menſch ſey blos zum Saͤen
und Pflanzen erſchaffen; dieſes ſey ſein natuͤrlicher Beruf,
wobey er allein voͤllig geſund und ſtark bliebe; der Stand
aller gelehrten und ungelehrten Stubenſitzer ſey eben der-
jenige nicht, welchen man zur Zucht verlangte, und man
koͤnnte das Ackerbauende Geſchlecht immer mit einer klei-
nen
J 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/151>, abgerufen am 30.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.