Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht verbieten.
an, worinn sie die wilden Knaben alle Tage sechs bis
acht Stunden sicher aufstallen können, und denken, er hört
doch wohl noch eine gute Lehre, oder lernt ein Wort Latein,
was ihm doch immer minder schadet, als alles, was er
wie ein Gassenlauser lernen würde. Nun treten die Jahre
heran, worinn die Knaben entweder zur Handlung oder
zum Handwerk bestimmet werden sollen; und da hält es
denn, nachdem die Umstände sind, bey den Eltern und
Lehrern, so wie bey den jungen Studenten schwer, ihn aus
der Gesellschaft seiner lateinischen Freunde in eine andere,
oder in eine Werksiatt zu bringen. Dieser üblen Folge
kann nicht anders als durch Realschulen, deren Einrichtung
Ihnen bekannt ist, vorgebeugt werden, und ich bin versi-
chert, die Hälfte von den Kindern, welche von den Eltern
in den lateinischen Nothstall geschickt werden, werden mit
Freuden hieher gehen, und nachdem sie die Vorerkenntnisse
von andrer Art erhalten haben, sich nachwärts ohne Zwang
zu nützlichen Künsten und Handwerken bestimmen, beson-
ders wenn Ew. Durchlaucht diese Realschulen Dero gnä-
digsten Aufmerksamkeit würdigen: und in denselben nicht
blos den Kaufmann und Handwerker, sondern auch, so wie
zu Berlin geschieht, einen tüchtigen Officier, und einen ge-
schickten Cammerrath bilden lassen wollten.

Nun mein lieber Canzler, so mache er die Anstalt da
zu, und lasse das Verbot erst ruhen.

Ich werde ein Projekt entwerfen ... (abgehend für
sich) O, wenn sich doch alles durch Befehle zwingen oder
durch Projecte ausführen liesse!



Also
Mös. patr. Phant. III. Th. J

nicht verbieten.
an, worinn ſie die wilden Knaben alle Tage ſechs bis
acht Stunden ſicher aufſtallen koͤnnen, und denken, er hoͤrt
doch wohl noch eine gute Lehre, oder lernt ein Wort Latein,
was ihm doch immer minder ſchadet, als alles, was er
wie ein Gaſſenlauſer lernen wuͤrde. Nun treten die Jahre
heran, worinn die Knaben entweder zur Handlung oder
zum Handwerk beſtimmet werden ſollen; und da haͤlt es
denn, nachdem die Umſtaͤnde ſind, bey den Eltern und
Lehrern, ſo wie bey den jungen Studenten ſchwer, ihn aus
der Geſellſchaft ſeiner lateiniſchen Freunde in eine andere,
oder in eine Werkſiatt zu bringen. Dieſer uͤblen Folge
kann nicht anders als durch Realſchulen, deren Einrichtung
Ihnen bekannt iſt, vorgebeugt werden, und ich bin verſi-
chert, die Haͤlfte von den Kindern, welche von den Eltern
in den lateiniſchen Nothſtall geſchickt werden, werden mit
Freuden hieher gehen, und nachdem ſie die Vorerkenntniſſe
von andrer Art erhalten haben, ſich nachwaͤrts ohne Zwang
zu nuͤtzlichen Kuͤnſten und Handwerken beſtimmen, beſon-
ders wenn Ew. Durchlaucht dieſe Realſchulen Dero gnaͤ-
digſten Aufmerkſamkeit wuͤrdigen: und in denſelben nicht
blos den Kaufmann und Handwerker, ſondern auch, ſo wie
zu Berlin geſchieht, einen tuͤchtigen Officier, und einen ge-
ſchickten Cammerrath bilden laſſen wollten.

Nun mein lieber Canzler, ſo mache er die Anſtalt da
zu, und laſſe das Verbot erſt ruhen.

Ich werde ein Projekt entwerfen … (abgehend fuͤr
ſich) O, wenn ſich doch alles durch Befehle zwingen oder
durch Projecte ausfuͤhren lieſſe!



Alſo
Moͤſ. patr. Phant. III. Th. J
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0143" n="129"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">nicht verbieten.</hi></fw><lb/>
an, worinn &#x017F;ie die wilden Knaben alle Tage &#x017F;echs bis<lb/>
acht Stunden &#x017F;icher auf&#x017F;tallen ko&#x0364;nnen, und denken, er ho&#x0364;rt<lb/>
doch wohl noch eine gute Lehre, oder lernt ein Wort Latein,<lb/>
was ihm doch immer minder &#x017F;chadet, als alles, was er<lb/>
wie ein Ga&#x017F;&#x017F;enlau&#x017F;er lernen wu&#x0364;rde. Nun treten die Jahre<lb/>
heran, worinn die Knaben entweder zur Handlung oder<lb/>
zum Handwerk be&#x017F;timmet werden &#x017F;ollen; und da ha&#x0364;lt es<lb/>
denn, nachdem die Um&#x017F;ta&#x0364;nde &#x017F;ind, bey den Eltern und<lb/>
Lehrern, &#x017F;o wie bey den jungen Studenten &#x017F;chwer, ihn aus<lb/>
der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft &#x017F;einer lateini&#x017F;chen Freunde in eine andere,<lb/>
oder in eine Werk&#x017F;iatt zu bringen. Die&#x017F;er u&#x0364;blen Folge<lb/>
kann nicht anders als durch Real&#x017F;chulen, deren Einrichtung<lb/>
Ihnen bekannt i&#x017F;t, vorgebeugt werden, und ich bin ver&#x017F;i-<lb/>
chert, die Ha&#x0364;lfte von den Kindern, welche von den Eltern<lb/>
in den lateini&#x017F;chen Noth&#x017F;tall ge&#x017F;chickt werden, werden mit<lb/>
Freuden hieher gehen, und nachdem &#x017F;ie die Vorerkenntni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
von andrer Art erhalten haben, &#x017F;ich nachwa&#x0364;rts ohne Zwang<lb/>
zu nu&#x0364;tzlichen Ku&#x0364;n&#x017F;ten und Handwerken be&#x017F;timmen, be&#x017F;on-<lb/>
ders wenn Ew. Durchlaucht die&#x017F;e Real&#x017F;chulen Dero gna&#x0364;-<lb/>
dig&#x017F;ten Aufmerk&#x017F;amkeit wu&#x0364;rdigen: und in den&#x017F;elben nicht<lb/>
blos den Kaufmann und Handwerker, &#x017F;ondern auch, &#x017F;o wie<lb/>
zu Berlin ge&#x017F;chieht, einen tu&#x0364;chtigen Officier, und einen ge-<lb/>
&#x017F;chickten Cammerrath bilden la&#x017F;&#x017F;en wollten.</p><lb/>
        <p>Nun mein lieber Canzler, &#x017F;o mache er die An&#x017F;talt da<lb/>
zu, und la&#x017F;&#x017F;e das Verbot er&#x017F;t ruhen.</p><lb/>
        <p>Ich werde ein Projekt entwerfen &#x2026; (abgehend fu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;ich) O, wenn &#x017F;ich doch alles durch Befehle zwingen oder<lb/>
durch Projecte ausfu&#x0364;hren lie&#x017F;&#x017F;e!</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Mo&#x0364;&#x017F;. patr. Phant.</hi><hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#fr">Th.</hi> J</fw>
      <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Al&#x017F;o</hi> </fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0143] nicht verbieten. an, worinn ſie die wilden Knaben alle Tage ſechs bis acht Stunden ſicher aufſtallen koͤnnen, und denken, er hoͤrt doch wohl noch eine gute Lehre, oder lernt ein Wort Latein, was ihm doch immer minder ſchadet, als alles, was er wie ein Gaſſenlauſer lernen wuͤrde. Nun treten die Jahre heran, worinn die Knaben entweder zur Handlung oder zum Handwerk beſtimmet werden ſollen; und da haͤlt es denn, nachdem die Umſtaͤnde ſind, bey den Eltern und Lehrern, ſo wie bey den jungen Studenten ſchwer, ihn aus der Geſellſchaft ſeiner lateiniſchen Freunde in eine andere, oder in eine Werkſiatt zu bringen. Dieſer uͤblen Folge kann nicht anders als durch Realſchulen, deren Einrichtung Ihnen bekannt iſt, vorgebeugt werden, und ich bin verſi- chert, die Haͤlfte von den Kindern, welche von den Eltern in den lateiniſchen Nothſtall geſchickt werden, werden mit Freuden hieher gehen, und nachdem ſie die Vorerkenntniſſe von andrer Art erhalten haben, ſich nachwaͤrts ohne Zwang zu nuͤtzlichen Kuͤnſten und Handwerken beſtimmen, beſon- ders wenn Ew. Durchlaucht dieſe Realſchulen Dero gnaͤ- digſten Aufmerkſamkeit wuͤrdigen: und in denſelben nicht blos den Kaufmann und Handwerker, ſondern auch, ſo wie zu Berlin geſchieht, einen tuͤchtigen Officier, und einen ge- ſchickten Cammerrath bilden laſſen wollten. Nun mein lieber Canzler, ſo mache er die Anſtalt da zu, und laſſe das Verbot erſt ruhen. Ich werde ein Projekt entwerfen … (abgehend fuͤr ſich) O, wenn ſich doch alles durch Befehle zwingen oder durch Projecte ausfuͤhren lieſſe! Alſo Moͤſ. patr. Phant. III. Th. J

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/143
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/143>, abgerufen am 09.11.2024.