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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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Die erste Landeskasse.
seinen ganzen Unterhalt aus der Sprengelskasse; und
dieser mogte nicht gering seyn, da der bischöfliche Kir-
chensprengel sich auf einer Seite an die Emse, auf der an-
dern an die Friesen, und weiter über die heutige Grafschaft
Tecklenburg, auch einen Theil des jetzigen Ravenspergischen
erstreckte. Er mogte nicht gering seyn, da der Zehnte nicht
blos vom Felde und der Viehzucht, sondern von allem
was der Mensch verdiente, erhoben werden sollte. Er
mochte endlich nicht gering seyn, weil der Kaiser wie der
Graf, und selbst die Kirche von ihren Gründen den Zehn-
ten zu geben, verpflichtet waren. Erwegt man hiebey,
daß der Bischof von dieser seiner Einnahme nichts zur Lan-
desvertheidigung, und nichts auf Landesbediente zu verwen-
den hatte, indem dafür auf andere Art gesorget war: Er-
weget man weiter, daß er den freyen Brand, die Jagd,
und verschiedene jetzt sogenannte Domanialgefälle hatte; be-
denkt man endlich, daß ihm alle Eingesessene seines Spren-
gels zu einer Fuhr bey Grase und einer bey Stroh ver-
pflichtet waren; und daß ihm, wenn er seine Kirchen be-
suchte, die freye Bewirthung überall verschaffet werden
muste: so kann man auch diesen Unterhalt gewiß standes-
mäßig nennen.

Der Unterhalt der Pfarrer, der Kirchen, der Armen,
und der Fremden, und andere gemeine Bedürfnisse könnten
eben so in die damalige Stiftsrechnung zur Einnahme und
Ausgabe gebracht werden; und wenn man dieses in Ge-
danken thut: so zeiget es sich von selbst, daß die Rechnung
über die Zehntkasse, eben die Eigenschaften erhalte, welche
die neuern Landesrechnungen haben. Nur Schade, daß
die Unordnung in der Verwaltung, diese mächtige Kasse
völlig zu Grunde gerichtet habe! Um dieses recht einzuse-
hen, und um sich einen deutlichen Begrif von der Art und
Weise zu machen, wie die Zehnten theils verdunkelt, theils

in

Die erſte Landeskaſſe.
ſeinen ganzen Unterhalt aus der Sprengelskaſſe; und
dieſer mogte nicht gering ſeyn, da der biſchoͤfliche Kir-
chenſprengel ſich auf einer Seite an die Emſe, auf der an-
dern an die Frieſen, und weiter uͤber die heutige Grafſchaft
Tecklenburg, auch einen Theil des jetzigen Ravenſpergiſchen
erſtreckte. Er mogte nicht gering ſeyn, da der Zehnte nicht
blos vom Felde und der Viehzucht, ſondern von allem
was der Menſch verdiente, erhoben werden ſollte. Er
mochte endlich nicht gering ſeyn, weil der Kaiſer wie der
Graf, und ſelbſt die Kirche von ihren Gruͤnden den Zehn-
ten zu geben, verpflichtet waren. Erwegt man hiebey,
daß der Biſchof von dieſer ſeiner Einnahme nichts zur Lan-
desvertheidigung, und nichts auf Landesbediente zu verwen-
den hatte, indem dafuͤr auf andere Art geſorget war: Er-
weget man weiter, daß er den freyen Brand, die Jagd,
und verſchiedene jetzt ſogenannte Domanialgefaͤlle hatte; be-
denkt man endlich, daß ihm alle Eingeſeſſene ſeines Spren-
gels zu einer Fuhr bey Graſe und einer bey Stroh ver-
pflichtet waren; und daß ihm, wenn er ſeine Kirchen be-
ſuchte, die freye Bewirthung uͤberall verſchaffet werden
muſte: ſo kann man auch dieſen Unterhalt gewiß ſtandes-
maͤßig nennen.

Der Unterhalt der Pfarrer, der Kirchen, der Armen,
und der Fremden, und andere gemeine Beduͤrfniſſe koͤnnten
eben ſo in die damalige Stiftsrechnung zur Einnahme und
Ausgabe gebracht werden; und wenn man dieſes in Ge-
danken thut: ſo zeiget es ſich von ſelbſt, daß die Rechnung
uͤber die Zehntkaſſe, eben die Eigenſchaften erhalte, welche
die neuern Landesrechnungen haben. Nur Schade, daß
die Unordnung in der Verwaltung, dieſe maͤchtige Kaſſe
voͤllig zu Grunde gerichtet habe! Um dieſes recht einzuſe-
hen, und um ſich einen deutlichen Begrif von der Art und
Weiſe zu machen, wie die Zehnten theils verdunkelt, theils

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[100/0114] Die erſte Landeskaſſe. ſeinen ganzen Unterhalt aus der Sprengelskaſſe; und dieſer mogte nicht gering ſeyn, da der biſchoͤfliche Kir- chenſprengel ſich auf einer Seite an die Emſe, auf der an- dern an die Frieſen, und weiter uͤber die heutige Grafſchaft Tecklenburg, auch einen Theil des jetzigen Ravenſpergiſchen erſtreckte. Er mogte nicht gering ſeyn, da der Zehnte nicht blos vom Felde und der Viehzucht, ſondern von allem was der Menſch verdiente, erhoben werden ſollte. Er mochte endlich nicht gering ſeyn, weil der Kaiſer wie der Graf, und ſelbſt die Kirche von ihren Gruͤnden den Zehn- ten zu geben, verpflichtet waren. Erwegt man hiebey, daß der Biſchof von dieſer ſeiner Einnahme nichts zur Lan- desvertheidigung, und nichts auf Landesbediente zu verwen- den hatte, indem dafuͤr auf andere Art geſorget war: Er- weget man weiter, daß er den freyen Brand, die Jagd, und verſchiedene jetzt ſogenannte Domanialgefaͤlle hatte; be- denkt man endlich, daß ihm alle Eingeſeſſene ſeines Spren- gels zu einer Fuhr bey Graſe und einer bey Stroh ver- pflichtet waren; und daß ihm, wenn er ſeine Kirchen be- ſuchte, die freye Bewirthung uͤberall verſchaffet werden muſte: ſo kann man auch dieſen Unterhalt gewiß ſtandes- maͤßig nennen. Der Unterhalt der Pfarrer, der Kirchen, der Armen, und der Fremden, und andere gemeine Beduͤrfniſſe koͤnnten eben ſo in die damalige Stiftsrechnung zur Einnahme und Ausgabe gebracht werden; und wenn man dieſes in Ge- danken thut: ſo zeiget es ſich von ſelbſt, daß die Rechnung uͤber die Zehntkaſſe, eben die Eigenſchaften erhalte, welche die neuern Landesrechnungen haben. Nur Schade, daß die Unordnung in der Verwaltung, dieſe maͤchtige Kaſſe voͤllig zu Grunde gerichtet habe! Um dieſes recht einzuſe- hen, und um ſich einen deutlichen Begrif von der Art und Weiſe zu machen, wie die Zehnten theils verdunkelt, theils in

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/114>, abgerufen am 24.11.2024.