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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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declamirt von einem Bürger.
nicht mit dem landflüchtigen ungeehrten vermischen, und beyde
wegen einerley Verbrechen mit gleicher Strafe belegen können.
Man würde eine Art von Degradation in der Uniforme für
Obrigkeiten und öffentliche Diener haben, welche entweder
nachläßig oder betrüglich befunden würden. Der Landmann
der sein Hofgewehr nicht im Stande hätte, oder einen Stille-
stand suchte, würde, wie die Juden in Rom, durch eine
gelbe Cocarde am Hute nothdürftig gezüchtiget werden kön-
nen; und die alten Urtheilsformeln, worinn es noch oft hieß:
vorbehaltlich seiner Ehren, würden bessere Würkung thun,
als jetzt, wo ein öffentlicher Betrüger sich besser kleiden darf,
als der ehrlichste Mann, besonders seitdem die christliche Liebe
die Stirn des Betrügers vom Brandmarke gerettet hat. Der
Verstand der Reichsgesetze, in Absicht auf Ehre und Unehre,
auf ehrliche und unehrliche Leute, würde sich in seinem vollem
brauchbaren Lichte zeigen; und wenn die Hurkinder nie ohne
eine große That fürs Vaterland, zur Ehre oder zur Uniform
gelangen könnten, viele wilde Ehen in bürgerliche und christ-
liche verwandelt werden. Aber ohne Einführung einer Uni-
form sind alle die großen Folgen für den Gesetzgeber verlohren.

Unser Jahrhundert das fruchtbarer in Ordensbändern ge-
wesen, als alle vorigen so seit der Schöpfung verflossen sind;
und nun in Frankreich auch ein Ordenszeichen für den gemei-
nen wohlverdienten Soldaten ausgefunden hat, sollte billig
hierinn auch für gemeine Verdienste sorgen. Aber vor der
Menge gelehrter Verdienste kan man den verdienstvollen Land-
mann und Bürger gar nicht mehr erkennen. Vordem hatte
der Fürst nur einen gelehrten Canzler; die Räthe bestunden
aus Männern, welche Vernunft, Erfahrung, Redlichkeit und
Besitzungen dargestellet und gebildet hatten. Diese gaben den
Stof, und jener den Schnitt. Jetzt muß alles mit lateini-

schen
E 2

declamirt von einem Buͤrger.
nicht mit dem landfluͤchtigen ungeehrten vermiſchen, und beyde
wegen einerley Verbrechen mit gleicher Strafe belegen koͤnnen.
Man wuͤrde eine Art von Degradation in der Uniforme fuͤr
Obrigkeiten und oͤffentliche Diener haben, welche entweder
nachlaͤßig oder betruͤglich befunden wuͤrden. Der Landmann
der ſein Hofgewehr nicht im Stande haͤtte, oder einen Stille-
ſtand ſuchte, wuͤrde, wie die Juden in Rom, durch eine
gelbe Cocarde am Hute nothduͤrftig gezuͤchtiget werden koͤn-
nen; und die alten Urtheilsformeln, worinn es noch oft hieß:
vorbehaltlich ſeiner Ehren, wuͤrden beſſere Wuͤrkung thun,
als jetzt, wo ein oͤffentlicher Betruͤger ſich beſſer kleiden darf,
als der ehrlichſte Mann, beſonders ſeitdem die chriſtliche Liebe
die Stirn des Betruͤgers vom Brandmarke gerettet hat. Der
Verſtand der Reichsgeſetze, in Abſicht auf Ehre und Unehre,
auf ehrliche und unehrliche Leute, wuͤrde ſich in ſeinem vollem
brauchbaren Lichte zeigen; und wenn die Hurkinder nie ohne
eine große That fuͤrs Vaterland, zur Ehre oder zur Uniform
gelangen koͤnnten, viele wilde Ehen in buͤrgerliche und chriſt-
liche verwandelt werden. Aber ohne Einfuͤhrung einer Uni-
form ſind alle die großen Folgen fuͤr den Geſetzgeber verlohren.

Unſer Jahrhundert das fruchtbarer in Ordensbaͤndern ge-
weſen, als alle vorigen ſo ſeit der Schoͤpfung verfloſſen ſind;
und nun in Frankreich auch ein Ordenszeichen fuͤr den gemei-
nen wohlverdienten Soldaten ausgefunden hat, ſollte billig
hierinn auch fuͤr gemeine Verdienſte ſorgen. Aber vor der
Menge gelehrter Verdienſte kan man den verdienſtvollen Land-
mann und Buͤrger gar nicht mehr erkennen. Vordem hatte
der Fuͤrſt nur einen gelehrten Canzler; die Raͤthe beſtunden
aus Maͤnnern, welche Vernunft, Erfahrung, Redlichkeit und
Beſitzungen dargeſtellet und gebildet hatten. Dieſe gaben den
Stof, und jener den Schnitt. Jetzt muß alles mit lateini-

ſchen
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[67/0085] declamirt von einem Buͤrger. nicht mit dem landfluͤchtigen ungeehrten vermiſchen, und beyde wegen einerley Verbrechen mit gleicher Strafe belegen koͤnnen. Man wuͤrde eine Art von Degradation in der Uniforme fuͤr Obrigkeiten und oͤffentliche Diener haben, welche entweder nachlaͤßig oder betruͤglich befunden wuͤrden. Der Landmann der ſein Hofgewehr nicht im Stande haͤtte, oder einen Stille- ſtand ſuchte, wuͤrde, wie die Juden in Rom, durch eine gelbe Cocarde am Hute nothduͤrftig gezuͤchtiget werden koͤn- nen; und die alten Urtheilsformeln, worinn es noch oft hieß: vorbehaltlich ſeiner Ehren, wuͤrden beſſere Wuͤrkung thun, als jetzt, wo ein oͤffentlicher Betruͤger ſich beſſer kleiden darf, als der ehrlichſte Mann, beſonders ſeitdem die chriſtliche Liebe die Stirn des Betruͤgers vom Brandmarke gerettet hat. Der Verſtand der Reichsgeſetze, in Abſicht auf Ehre und Unehre, auf ehrliche und unehrliche Leute, wuͤrde ſich in ſeinem vollem brauchbaren Lichte zeigen; und wenn die Hurkinder nie ohne eine große That fuͤrs Vaterland, zur Ehre oder zur Uniform gelangen koͤnnten, viele wilde Ehen in buͤrgerliche und chriſt- liche verwandelt werden. Aber ohne Einfuͤhrung einer Uni- form ſind alle die großen Folgen fuͤr den Geſetzgeber verlohren. Unſer Jahrhundert das fruchtbarer in Ordensbaͤndern ge- weſen, als alle vorigen ſo ſeit der Schoͤpfung verfloſſen ſind; und nun in Frankreich auch ein Ordenszeichen fuͤr den gemei- nen wohlverdienten Soldaten ausgefunden hat, ſollte billig hierinn auch fuͤr gemeine Verdienſte ſorgen. Aber vor der Menge gelehrter Verdienſte kan man den verdienſtvollen Land- mann und Buͤrger gar nicht mehr erkennen. Vordem hatte der Fuͤrſt nur einen gelehrten Canzler; die Raͤthe beſtunden aus Maͤnnern, welche Vernunft, Erfahrung, Redlichkeit und Beſitzungen dargeſtellet und gebildet hatten. Dieſe gaben den Stof, und jener den Schnitt. Jetzt muß alles mit lateini- ſchen E 2

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/85>, abgerufen am 24.11.2024.