Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

am besten auszuweichen.
statt daß sie jetzt einzeln ohne gleiche Gewohnheiten (costu-
mes)
ohne Landrecht, ohne Rechtsweisung dahin leben, in
ihren Erbtheilungen, Ausbestattungen und dergleichen unter
dem römischen Rechte und seinen Auslegungen stehen, und
wenn eine Noth eintritt, ohne Einigkeit und ohne Haupt sich
gar nicht zu helfen wissen. Daher sehen wir Kötter, die sich
frey kaufen, wiederum in den Leibeigenthum laufen, weil sie
sich rechtlos dünken, und nun nicht wissen, ob sie mit ihren
Weibern in Gemeinschaft der Güter leben oder nicht; ob sie
eine Leibzucht zu gewarten haben, und was sie ihren Kindern
mitgeben sollen -- welches alles daher kömmt, weil die Heyen
oder Hoden*) worinn diese Leute sich begeben, ihr Band
wie ihre coutumes verlohren haben, und der Hodepfennig
oder der Hodeschilling mit dem Verfall der Münze zu sehr
heruntergegangen ist, um es der Mühe werth zu achten für
diese armen Leute ein eignes Recht zu machen. Die Fürsten
selbst, welche Colonisten auf dem platten Lande anziehen, schei-
nen den Vortheil der Hode, oder einer solchen Gilde, ohne
welche sich einzelne Leute schwerlich halten, ganz und gar zu
miskennen.

Gesetzt nun aber, man zöge diese Leute in jedem Kirchspiel
in eine besondre Gilde unter zween von ihnen erwählten Vor-
stehern zusammen, und machte eine Vereinigung dahin, daß
die Landleute des Kirchspiels ihnen für einen sichern Preis die
Kornfuhren geben, die Dorfgesessenen hingegen jedesmal ge-
gen einen sichern Preis die natural Einquartierungen, welche
doch insgemein, wenns Infanterie ist, auf das Dorf fällt,
tragen müßten, so würde sich schon eine gewisse billige Pro-
portion ausfinden lassen, nach welcher jeder Landmann im

Kirch-
*) Man sehe hier unten die Abhandlung von dem Ursprung
und Nutzen der Heyen und Hoden.

am beſten auszuweichen.
ſtatt daß ſie jetzt einzeln ohne gleiche Gewohnheiten (coſtu-
mes)
ohne Landrecht, ohne Rechtsweiſung dahin leben, in
ihren Erbtheilungen, Ausbeſtattungen und dergleichen unter
dem roͤmiſchen Rechte und ſeinen Auslegungen ſtehen, und
wenn eine Noth eintritt, ohne Einigkeit und ohne Haupt ſich
gar nicht zu helfen wiſſen. Daher ſehen wir Koͤtter, die ſich
frey kaufen, wiederum in den Leibeigenthum laufen, weil ſie
ſich rechtlos duͤnken, und nun nicht wiſſen, ob ſie mit ihren
Weibern in Gemeinſchaft der Guͤter leben oder nicht; ob ſie
eine Leibzucht zu gewarten haben, und was ſie ihren Kindern
mitgeben ſollen — welches alles daher koͤmmt, weil die Heyen
oder Hoden*) worinn dieſe Leute ſich begeben, ihr Band
wie ihre coutumes verlohren haben, und der Hodepfennig
oder der Hodeſchilling mit dem Verfall der Muͤnze zu ſehr
heruntergegangen iſt, um es der Muͤhe werth zu achten fuͤr
dieſe armen Leute ein eignes Recht zu machen. Die Fuͤrſten
ſelbſt, welche Coloniſten auf dem platten Lande anziehen, ſchei-
nen den Vortheil der Hode, oder einer ſolchen Gilde, ohne
welche ſich einzelne Leute ſchwerlich halten, ganz und gar zu
miskennen.

Geſetzt nun aber, man zoͤge dieſe Leute in jedem Kirchſpiel
in eine beſondre Gilde unter zween von ihnen erwaͤhlten Vor-
ſtehern zuſammen, und machte eine Vereinigung dahin, daß
die Landleute des Kirchſpiels ihnen fuͤr einen ſichern Preis die
Kornfuhren geben, die Dorfgeſeſſenen hingegen jedesmal ge-
gen einen ſichern Preis die natural Einquartierungen, welche
doch insgemein, wenns Infanterie iſt, auf das Dorf faͤllt,
tragen muͤßten, ſo wuͤrde ſich ſchon eine gewiſſe billige Pro-
portion ausfinden laſſen, nach welcher jeder Landmann im

Kirch-
*) Man ſehe hier unten die Abhandlung von dem Urſprung
und Nutzen der Heyen und Hoden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0047" n="29"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">am be&#x017F;ten auszuweichen.</hi></fw><lb/>
&#x017F;tatt daß &#x017F;ie jetzt einzeln ohne gleiche Gewohnheiten <hi rendition="#aq">(co&#x017F;tu-<lb/>
mes)</hi> ohne Landrecht, ohne Rechtswei&#x017F;ung dahin leben, in<lb/>
ihren Erbtheilungen, Ausbe&#x017F;tattungen und dergleichen unter<lb/>
dem ro&#x0364;mi&#x017F;chen Rechte und &#x017F;einen Auslegungen &#x017F;tehen, und<lb/>
wenn eine Noth eintritt, ohne Einigkeit und ohne Haupt &#x017F;ich<lb/>
gar nicht zu helfen wi&#x017F;&#x017F;en. Daher &#x017F;ehen wir Ko&#x0364;tter, die &#x017F;ich<lb/>
frey kaufen, wiederum in den Leibeigenthum laufen, weil &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich rechtlos du&#x0364;nken, und nun nicht wi&#x017F;&#x017F;en, ob &#x017F;ie mit ihren<lb/>
Weibern in Gemein&#x017F;chaft der Gu&#x0364;ter leben oder nicht; ob &#x017F;ie<lb/>
eine Leibzucht zu gewarten haben, und was &#x017F;ie ihren Kindern<lb/>
mitgeben &#x017F;ollen &#x2014; welches alles daher ko&#x0364;mmt, weil die Heyen<lb/>
oder Hoden<note place="foot" n="*)">Man &#x017F;ehe hier unten die Abhandlung von dem Ur&#x017F;prung<lb/>
und Nutzen der Heyen und Hoden.</note> worinn die&#x017F;e Leute &#x017F;ich begeben, ihr Band<lb/>
wie ihre <hi rendition="#aq">coutumes</hi> verlohren haben, und der Hodepfennig<lb/>
oder der Hode&#x017F;chilling mit dem Verfall der Mu&#x0364;nze zu &#x017F;ehr<lb/>
heruntergegangen i&#x017F;t, um es der Mu&#x0364;he werth zu achten fu&#x0364;r<lb/>
die&#x017F;e armen Leute ein eignes Recht zu machen. Die Fu&#x0364;r&#x017F;ten<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, welche Coloni&#x017F;ten auf dem platten Lande anziehen, &#x017F;chei-<lb/>
nen den Vortheil der Hode, oder einer &#x017F;olchen Gilde, ohne<lb/>
welche &#x017F;ich einzelne Leute &#x017F;chwerlich halten, ganz und gar zu<lb/>
miskennen.</p><lb/>
        <p>Ge&#x017F;etzt nun aber, man zo&#x0364;ge die&#x017F;e Leute in jedem Kirch&#x017F;piel<lb/>
in eine be&#x017F;ondre Gilde unter zween von ihnen erwa&#x0364;hlten Vor-<lb/>
&#x017F;tehern zu&#x017F;ammen, und machte eine Vereinigung dahin, daß<lb/>
die Landleute des Kirch&#x017F;piels ihnen fu&#x0364;r einen &#x017F;ichern Preis die<lb/>
Kornfuhren geben, die Dorfge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;enen hingegen jedesmal ge-<lb/>
gen einen &#x017F;ichern Preis die natural Einquartierungen, welche<lb/>
doch insgemein, wenns Infanterie i&#x017F;t, auf das Dorf fa&#x0364;llt,<lb/>
tragen mu&#x0364;ßten, &#x017F;o wu&#x0364;rde &#x017F;ich &#x017F;chon eine gewi&#x017F;&#x017F;e billige Pro-<lb/>
portion ausfinden la&#x017F;&#x017F;en, nach welcher jeder Landmann im<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Kirch-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0047] am beſten auszuweichen. ſtatt daß ſie jetzt einzeln ohne gleiche Gewohnheiten (coſtu- mes) ohne Landrecht, ohne Rechtsweiſung dahin leben, in ihren Erbtheilungen, Ausbeſtattungen und dergleichen unter dem roͤmiſchen Rechte und ſeinen Auslegungen ſtehen, und wenn eine Noth eintritt, ohne Einigkeit und ohne Haupt ſich gar nicht zu helfen wiſſen. Daher ſehen wir Koͤtter, die ſich frey kaufen, wiederum in den Leibeigenthum laufen, weil ſie ſich rechtlos duͤnken, und nun nicht wiſſen, ob ſie mit ihren Weibern in Gemeinſchaft der Guͤter leben oder nicht; ob ſie eine Leibzucht zu gewarten haben, und was ſie ihren Kindern mitgeben ſollen — welches alles daher koͤmmt, weil die Heyen oder Hoden *) worinn dieſe Leute ſich begeben, ihr Band wie ihre coutumes verlohren haben, und der Hodepfennig oder der Hodeſchilling mit dem Verfall der Muͤnze zu ſehr heruntergegangen iſt, um es der Muͤhe werth zu achten fuͤr dieſe armen Leute ein eignes Recht zu machen. Die Fuͤrſten ſelbſt, welche Coloniſten auf dem platten Lande anziehen, ſchei- nen den Vortheil der Hode, oder einer ſolchen Gilde, ohne welche ſich einzelne Leute ſchwerlich halten, ganz und gar zu miskennen. Geſetzt nun aber, man zoͤge dieſe Leute in jedem Kirchſpiel in eine beſondre Gilde unter zween von ihnen erwaͤhlten Vor- ſtehern zuſammen, und machte eine Vereinigung dahin, daß die Landleute des Kirchſpiels ihnen fuͤr einen ſichern Preis die Kornfuhren geben, die Dorfgeſeſſenen hingegen jedesmal ge- gen einen ſichern Preis die natural Einquartierungen, welche doch insgemein, wenns Infanterie iſt, auf das Dorf faͤllt, tragen muͤßten, ſo wuͤrde ſich ſchon eine gewiſſe billige Pro- portion ausfinden laſſen, nach welcher jeder Landmann im Kirch- *) Man ſehe hier unten die Abhandlung von dem Urſprung und Nutzen der Heyen und Hoden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/47
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/47>, abgerufen am 19.04.2024.