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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Die Ehre nach dem Tode.
der Nachwelt meldet. Wenigstens scheint mir diese Neuerung
eine große Epoque in der Geschichte der menschlichen Denkungs-
art zu machen, und mehrere Aufmerksamkeit, zu verdienen,
als man insgemein darauf wendet.

Die Zeit welche ich gelebt habe, hat mir diese Verände-
rung mit ihren Ursachen leicht entdeckt, und ich kan sie dir
mit wenigen sagen. Vordem arbeitete ein jeder für seinen
Nachruhm, jetzt für den Tag, den ihm der Himmel giebt.
Unbekümmert um den Tadel wie um den Ruhm der spätern
Zeiten, genießt er was er findet, verzehrt was er hat, und
dient um genießen und verzehren zu können. Der Glanz ei-
nes kurzen Tages hat mehrere Reitzung für ihn, als der größte
Dank des spätesten Jahrhunderts, und das Glück mit Sechsen
fahren zu können, ist ihm köstlicher, als die Ehre eines mar-
mornen Denkmahls. Das ist die kurze Geschichte, und nun
erwege, ob die Sitte der vorigen oder der jetzigen Zeiten die
beste sey?

In beyden Fällen kommt es auf die Befriedigung einer
Ehrbegierde an. Aber die erstere Art der Befriedigung ist
dem Staate unstreitig weit nach theiliger als die letztere. Erstere
führt zu fortwährenden Verschwendungen, großen Besoldun-
gen, schädlichen Zerstreuungen, und einem sittlichen Verder-
ben; anstatt daß die letztere nichts als eine wahre Größe im
Leben und einen mäßigen Aufwand nach dem Tode erfordert.

Sicher würkt auch die Ehre, bey der Nachwelt in einem ge-
segneten Andenken zu seyn, stärker, als ein Stern, Band
oder Titel, womit ein kleiner Fürst oft einen noch kleinern
Diener beschenkt. Wir sehen es an den Gelehrten, welchen
man die Pedanterey für ihren Nachruhm zu arbeiten verzeihet;
wie vieles opfern diese von ihrer Ruhe, von ihrer Gesundheit
und von ihrem Vermögen nicht auf, um durch ein unsterbli-

ches
Mösers patr. Phantas. II. Th. F f

Die Ehre nach dem Tode.
der Nachwelt meldet. Wenigſtens ſcheint mir dieſe Neuerung
eine große Epoque in der Geſchichte der menſchlichen Denkungs-
art zu machen, und mehrere Aufmerkſamkeit, zu verdienen,
als man insgemein darauf wendet.

Die Zeit welche ich gelebt habe, hat mir dieſe Veraͤnde-
rung mit ihren Urſachen leicht entdeckt, und ich kan ſie dir
mit wenigen ſagen. Vordem arbeitete ein jeder fuͤr ſeinen
Nachruhm, jetzt fuͤr den Tag, den ihm der Himmel giebt.
Unbekuͤmmert um den Tadel wie um den Ruhm der ſpaͤtern
Zeiten, genießt er was er findet, verzehrt was er hat, und
dient um genießen und verzehren zu koͤnnen. Der Glanz ei-
nes kurzen Tages hat mehrere Reitzung fuͤr ihn, als der groͤßte
Dank des ſpaͤteſten Jahrhunderts, und das Gluͤck mit Sechſen
fahren zu koͤnnen, iſt ihm koͤſtlicher, als die Ehre eines mar-
mornen Denkmahls. Das iſt die kurze Geſchichte, und nun
erwege, ob die Sitte der vorigen oder der jetzigen Zeiten die
beſte ſey?

In beyden Faͤllen kommt es auf die Befriedigung einer
Ehrbegierde an. Aber die erſtere Art der Befriedigung iſt
dem Staate unſtreitig weit nach theiliger als die letztere. Erſtere
fuͤhrt zu fortwaͤhrenden Verſchwendungen, großen Beſoldun-
gen, ſchaͤdlichen Zerſtreuungen, und einem ſittlichen Verder-
ben; anſtatt daß die letztere nichts als eine wahre Groͤße im
Leben und einen maͤßigen Aufwand nach dem Tode erfordert.

Sicher wuͤrkt auch die Ehre, bey der Nachwelt in einem ge-
ſegneten Andenken zu ſeyn, ſtaͤrker, als ein Stern, Band
oder Titel, womit ein kleiner Fuͤrſt oft einen noch kleinern
Diener beſchenkt. Wir ſehen es an den Gelehrten, welchen
man die Pedanterey fuͤr ihren Nachruhm zu arbeiten verzeihet;
wie vieles opfern dieſe von ihrer Ruhe, von ihrer Geſundheit
und von ihrem Vermoͤgen nicht auf, um durch ein unſterbli-

ches
Möſers patr. Phantaſ. II. Th. F f
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[449/0467] Die Ehre nach dem Tode. der Nachwelt meldet. Wenigſtens ſcheint mir dieſe Neuerung eine große Epoque in der Geſchichte der menſchlichen Denkungs- art zu machen, und mehrere Aufmerkſamkeit, zu verdienen, als man insgemein darauf wendet. Die Zeit welche ich gelebt habe, hat mir dieſe Veraͤnde- rung mit ihren Urſachen leicht entdeckt, und ich kan ſie dir mit wenigen ſagen. Vordem arbeitete ein jeder fuͤr ſeinen Nachruhm, jetzt fuͤr den Tag, den ihm der Himmel giebt. Unbekuͤmmert um den Tadel wie um den Ruhm der ſpaͤtern Zeiten, genießt er was er findet, verzehrt was er hat, und dient um genießen und verzehren zu koͤnnen. Der Glanz ei- nes kurzen Tages hat mehrere Reitzung fuͤr ihn, als der groͤßte Dank des ſpaͤteſten Jahrhunderts, und das Gluͤck mit Sechſen fahren zu koͤnnen, iſt ihm koͤſtlicher, als die Ehre eines mar- mornen Denkmahls. Das iſt die kurze Geſchichte, und nun erwege, ob die Sitte der vorigen oder der jetzigen Zeiten die beſte ſey? In beyden Faͤllen kommt es auf die Befriedigung einer Ehrbegierde an. Aber die erſtere Art der Befriedigung iſt dem Staate unſtreitig weit nach theiliger als die letztere. Erſtere fuͤhrt zu fortwaͤhrenden Verſchwendungen, großen Beſoldun- gen, ſchaͤdlichen Zerſtreuungen, und einem ſittlichen Verder- ben; anſtatt daß die letztere nichts als eine wahre Groͤße im Leben und einen maͤßigen Aufwand nach dem Tode erfordert. Sicher wuͤrkt auch die Ehre, bey der Nachwelt in einem ge- ſegneten Andenken zu ſeyn, ſtaͤrker, als ein Stern, Band oder Titel, womit ein kleiner Fuͤrſt oft einen noch kleinern Diener beſchenkt. Wir ſehen es an den Gelehrten, welchen man die Pedanterey fuͤr ihren Nachruhm zu arbeiten verzeihet; wie vieles opfern dieſe von ihrer Ruhe, von ihrer Geſundheit und von ihrem Vermoͤgen nicht auf, um durch ein unſterbli- ches Möſers patr. Phantaſ. II. Th. F f

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/467>, abgerufen am 22.11.2024.