1532. N. N. Dat he eene unrechte Goes anklees 7 Mk. (Der Ausdruck zeigt, daß man sogar die Worte gescho- net, und einen Gänsedieb keinen Gänsedieb heissen wollen)
woraus man wohl schließen mag, daß die Begriffe von Ehre, welche nach der damahligen Sitte durch Nedderschlage und blu- tige Wunden eher erhöhet als erniedriget wurden, höher als jetzt gewesen. Vielleicht ist dieses auch die Ursache, warum wenige Scheltungen oder trockene Schläge, Dufschläge, (wovon wir noch das Wort Düfken haben) vorkommen, und warum die un- terlassene Anmeldung eines verbisterten Rindes im Jahr 1579. mit 6 Thlr.; und der Hehler gestohlner Sachen immer scharf be- straft worden. Der Begrif von Ehre würkte auch allem An- sehen nach mit ein, wenn gebrochene Gelübde mehrmalen sehr hoch und gebrochene Willkühren beständig geahndet wurden. Daraus daß im Jahr 1542. Heinrich Schrage dafür Dat he moetwilliger Wyse ohne Wegerung geborlicker Rechten Vyant geworden, mit 12 Goldfl. bestraft wurde, läßt sich auch wohl noch ver- muthen, daß jedem freyen Menschen das Recht die Gesell- schaft, welche ihm nicht zu gebührlichen Rechte verhelfen wollte, zu verlassen, und in den natürlichen Zustand des Krie- ges zurückzutreten, auch damals, nachdem durch den Landfrie- den von 1521. alle Fehde aufgehoben war, noch zugestanden habe. Bey dem Rüge oder Bruchgerichte durfte aber doch niemand in seiner eignen Sache selbst ohne Erlaubniß sprechen; wo er nicht das Urtheil N. N. Dat he im Gerichte ane Vorspracken gekallet 3 Mark. hören wollte, welches eine gute Vorsicht so wohl für den Ver- klagten, der sich im Eyfer leicht vergißt oder zu heftig aus-
drückt,
bey Durchleſung alter Bruchregiſter.
1532. N. N. Dat he eene unrechte Goes ankleeſ 7 Mk. (Der Ausdruck zeigt, daß man ſogar die Worte geſcho- net, und einen Gaͤnſedieb keinen Gaͤnſedieb heiſſen wollen)
woraus man wohl ſchließen mag, daß die Begriffe von Ehre, welche nach der damahligen Sitte durch Nedderſchlage und blu- tige Wunden eher erhoͤhet als erniedriget wurden, hoͤher als jetzt geweſen. Vielleicht iſt dieſes auch die Urſache, warum wenige Scheltungen oder trockene Schlaͤge, Dufſchläge, (wovon wir noch das Wort Düfken haben) vorkommen, und warum die un- terlaſſene Anmeldung eines verbiſterten Rindes im Jahr 1579. mit 6 Thlr.; und der Hehler geſtohlner Sachen immer ſcharf be- ſtraft worden. Der Begrif von Ehre wuͤrkte auch allem An- ſehen nach mit ein, wenn gebrochene Geluͤbde mehrmalen ſehr hoch und gebrochene Willkühren beſtaͤndig geahndet wurden. Daraus daß im Jahr 1542. Heinrich Schrage dafuͤr Dat he moetwilliger Wyſe ohne Wegerung geborlicker Rechten Vyant geworden, mit 12 Goldfl. beſtraft wurde, laͤßt ſich auch wohl noch ver- muthen, daß jedem freyen Menſchen das Recht die Geſell- ſchaft, welche ihm nicht zu gebuͤhrlichen Rechte verhelfen wollte, zu verlaſſen, und in den natuͤrlichen Zuſtand des Krie- ges zuruͤckzutreten, auch damals, nachdem durch den Landfrie- den von 1521. alle Fehde aufgehoben war, noch zugeſtanden habe. Bey dem Ruͤge oder Bruchgerichte durfte aber doch niemand in ſeiner eignen Sache ſelbſt ohne Erlaubniß ſprechen; wo er nicht das Urtheil N. N. Dat he im Gerichte ane Vorſpracken gekallet 3 Mark. hoͤren wollte, welches eine gute Vorſicht ſo wohl fuͤr den Ver- klagten, der ſich im Eyfer leicht vergißt oder zu heftig aus-
druͤckt,
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bey Durchleſung alter Bruchregiſter.
1532. N. N. Dat he eene unrechte Goes ankleeſ 7 Mk.
(Der Ausdruck zeigt, daß man ſogar die Worte geſcho-
net, und einen Gaͤnſedieb keinen Gaͤnſedieb heiſſen
wollen)
woraus man wohl ſchließen mag, daß die Begriffe von Ehre,
welche nach der damahligen Sitte durch Nedderſchlage und blu-
tige Wunden eher erhoͤhet als erniedriget wurden, hoͤher als jetzt
geweſen. Vielleicht iſt dieſes auch die Urſache, warum wenige
Scheltungen oder trockene Schlaͤge, Dufſchläge, (wovon wir
noch das Wort Düfken haben) vorkommen, und warum die un-
terlaſſene Anmeldung eines verbiſterten Rindes im Jahr 1579.
mit 6 Thlr.; und der Hehler geſtohlner Sachen immer ſcharf be-
ſtraft worden. Der Begrif von Ehre wuͤrkte auch allem An-
ſehen nach mit ein, wenn gebrochene Geluͤbde mehrmalen ſehr
hoch und gebrochene Willkühren beſtaͤndig geahndet wurden.
Daraus daß im Jahr 1542. Heinrich Schrage dafuͤr
Dat he moetwilliger Wyſe ohne Wegerung geborlicker
Rechten Vyant geworden,
mit 12 Goldfl. beſtraft wurde, laͤßt ſich auch wohl noch ver-
muthen, daß jedem freyen Menſchen das Recht die Geſell-
ſchaft, welche ihm nicht zu gebuͤhrlichen Rechte verhelfen
wollte, zu verlaſſen, und in den natuͤrlichen Zuſtand des Krie-
ges zuruͤckzutreten, auch damals, nachdem durch den Landfrie-
den von 1521. alle Fehde aufgehoben war, noch zugeſtanden
habe. Bey dem Ruͤge oder Bruchgerichte durfte aber doch
niemand in ſeiner eignen Sache ſelbſt ohne Erlaubniß ſprechen;
wo er nicht das Urtheil
N. N. Dat he im Gerichte ane Vorſpracken gekallet
3 Mark.
hoͤren wollte, welches eine gute Vorſicht ſo wohl fuͤr den Ver-
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/463>, abgerufen am 22.11.2024.
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