Es wäre natürlich, daß ein Mann der viertausend Tha- ler jährlicher Besoldung hätte, mehr verzehren müste als ein andrer, der nur zweytausend erhielte, und daß derjenige der vierhundert Thaler erhielte, sich höher achtete als ein andrer, der nur die Hälfte bekäme. Die Folge hievon wäre, daß diejenigen so große Besoldungen hätten, eben so wenig leben könnten, als die andern, so geringere hätten; und wenn Ihro Fürstl. Durchlaucht Dero eignen Cammeretat nachsehen zu lassen geruhen wollten: so würde sich finden, daß Höchstdieselben eben wohl nicht Standesmäßig leben könnten. Es wären in dem fürstlichen Hause so viele Prinzen und Prinzeßin- nen, so viele Apanagen, so viele hohe und niedrige Bediente .....
Der Thorschreiber wurde nun zwar hierauf in Gnaden be- schieden, daß wenn er von dem Dienste nicht leben könnte, es ihm frey stehen sollte einen bessern zu suchen. Allein der Fürst war dadurch doch nicht beruhiget, und glaubte immer noch, daß seine Minister der Frage keine Gnüge gethan, we- nigstens die Quelle des Uebels nicht recht aufgedeckt hätten. Er wandte sich also an seinen alten längst aus dem Dienste getretenen Canzler, der vorhin seines Großvaters einziger geheimter Rath, Cammerpräsident und Secretarius gewesen war, und bat denselben ihm seine Meinung hierüber zu ent- decken. Dieser versetzte mit wenigen Worten:
Euer Fürstl. Durchlaucht Herr Großvater hielten we- nige und gute Bediente; sie forderten von denselben Ar- beit und Treue, und verließen sich auf beydes. Ihr Herr Vater liebte eine andre Ordnung; es wurden so manche Departements gemacht als Sachen waren; dazu kam ein Oberdepartement, um alle die andern Departe-
ments
Mösers patr. Phantas.II.Th. E e
Wie viel braucht man um zu leben?
Es waͤre natuͤrlich, daß ein Mann der viertauſend Tha- ler jaͤhrlicher Beſoldung haͤtte, mehr verzehren muͤſte als ein andrer, der nur zweytauſend erhielte, und daß derjenige der vierhundert Thaler erhielte, ſich hoͤher achtete als ein andrer, der nur die Haͤlfte bekaͤme. Die Folge hievon waͤre, daß diejenigen ſo große Beſoldungen haͤtten, eben ſo wenig leben koͤnnten, als die andern, ſo geringere haͤtten; und wenn Ihro Fuͤrſtl. Durchlaucht Dero eignen Cammeretat nachſehen zu laſſen geruhen wollten: ſo wuͤrde ſich finden, daß Hoͤchſtdieſelben eben wohl nicht Standesmaͤßig leben koͤnnten. Es waͤren in dem fuͤrſtlichen Hauſe ſo viele Prinzen und Prinzeßin- nen, ſo viele Apanagen, ſo viele hohe und niedrige Bediente .....
Der Thorſchreiber wurde nun zwar hierauf in Gnaden be- ſchieden, daß wenn er von dem Dienſte nicht leben koͤnnte, es ihm frey ſtehen ſollte einen beſſern zu ſuchen. Allein der Fuͤrſt war dadurch doch nicht beruhiget, und glaubte immer noch, daß ſeine Miniſter der Frage keine Gnuͤge gethan, we- nigſtens die Quelle des Uebels nicht recht aufgedeckt haͤtten. Er wandte ſich alſo an ſeinen alten laͤngſt aus dem Dienſte getretenen Canzler, der vorhin ſeines Großvaters einziger geheimter Rath, Cammerpraͤſident und Secretarius geweſen war, und bat denſelben ihm ſeine Meinung hieruͤber zu ent- decken. Dieſer verſetzte mit wenigen Worten:
Euer Fuͤrſtl. Durchlaucht Herr Großvater hielten we- nige und gute Bediente; ſie forderten von denſelben Ar- beit und Treue, und verließen ſich auf beydes. Ihr Herr Vater liebte eine andre Ordnung; es wurden ſo manche Departements gemacht als Sachen waren; dazu kam ein Oberdepartement, um alle die andern Departe-
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Möſers patr. Phantaſ.II.Th. E e
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Wie viel braucht man um zu leben?
Es waͤre natuͤrlich, daß ein Mann der viertauſend Tha-
ler jaͤhrlicher Beſoldung haͤtte, mehr verzehren muͤſte
als ein andrer, der nur zweytauſend erhielte, und daß
derjenige der vierhundert Thaler erhielte, ſich hoͤher
achtete als ein andrer, der nur die Haͤlfte bekaͤme. Die
Folge hievon waͤre, daß diejenigen ſo große Beſoldungen
haͤtten, eben ſo wenig leben koͤnnten, als die andern, ſo
geringere haͤtten; und wenn Ihro Fuͤrſtl. Durchlaucht
Dero eignen Cammeretat nachſehen zu laſſen geruhen
wollten: ſo wuͤrde ſich finden, daß Hoͤchſtdieſelben eben
wohl nicht Standesmaͤßig leben koͤnnten. Es waͤren in
dem fuͤrſtlichen Hauſe ſo viele Prinzen und Prinzeßin-
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Bediente .....
Der Thorſchreiber wurde nun zwar hierauf in Gnaden be-
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es ihm frey ſtehen ſollte einen beſſern zu ſuchen. Allein der
Fuͤrſt war dadurch doch nicht beruhiget, und glaubte immer
noch, daß ſeine Miniſter der Frage keine Gnuͤge gethan, we-
nigſtens die Quelle des Uebels nicht recht aufgedeckt haͤtten.
Er wandte ſich alſo an ſeinen alten laͤngſt aus dem Dienſte
getretenen Canzler, der vorhin ſeines Großvaters einziger
geheimter Rath, Cammerpraͤſident und Secretarius geweſen
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Euer Fuͤrſtl. Durchlaucht Herr Großvater hielten we-
nige und gute Bediente; ſie forderten von denſelben Ar-
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/451>, abgerufen am 23.07.2024.
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