Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.Man sollte den alten Geckorden Urtheil geschickt wurden, lassen wenigstens vermuthen, daßman sich auf eine überaus sinnreiche und angenehme Art ver- gnüget habe; wie man denn auch sagen muß, daß die wahre Galanterie oder der Adel zärtlicher Empfindungen, welche unsre Vorfahren im dreyzehnten Jahrhundert beseelte, mit unter die Vorbilder gehörte, nach welchen sich Petrarch bildete. Man kan die Zärtlichkeit nicht höher und kräftiger ausdrücken, wie es die damaligen Dichter thaten; und das Kolorit ist noch so bezaubernd, ihre Sprache hat einen solchen Silberton, daß man noch nach fünfhundert Jahren davon entzücket wird. Zum Beyspiel will ich nur eine einzige Strophe aus einem Gedichte des böhmischen Königs Wenzel anführen: Recht alsam eine Rose diu sich us ir Klosen lat, Was determination d'icelle question. Les dames qui
presidoient a la cour d'amour de ce tems estoient celle-cis. Stephanette Dame des Baulx, fille du Comte de Provence, Adalaize Vicomtesse d'Avi- gnon, Adalete Dame d'Ongle' Hermyffende Dame de Posquieres, Bertrane Dame d'Urgon, Mabille Dame d'Yeres, La comtesse de Dye, Ristangue Dame de Pierrefeu, Bertrane Dame de Signe, Jeus- serande de Claustral. Man ſollte den alten Geckorden Urtheil geſchickt wurden, laſſen wenigſtens vermuthen, daßman ſich auf eine uͤberaus ſinnreiche und angenehme Art ver- gnuͤget habe; wie man denn auch ſagen muß, daß die wahre Galanterie oder der Adel zaͤrtlicher Empfindungen, welche unſre Vorfahren im dreyzehnten Jahrhundert beſeelte, mit unter die Vorbilder gehoͤrte, nach welchen ſich Petrarch bildete. Man kan die Zaͤrtlichkeit nicht hoͤher und kraͤftiger ausdruͤcken, wie es die damaligen Dichter thaten; und das Kolorit iſt noch ſo bezaubernd, ihre Sprache hat einen ſolchen Silberton, daß man noch nach fuͤnfhundert Jahren davon entzuͤcket wird. Zum Beyſpiel will ich nur eine einzige Strophe aus einem Gedichte des boͤhmiſchen Koͤnigs Wenzel anfuͤhren: Recht alſam eine Roſe diu ſich us ir Kloſen lat, Was determination d’icelle queſtion. Les dames qui
preſidoient à la cour d’amour de ce tems eſtoient celle-cis. Stephanette Dame des Baulx, fille du Comte de Provence, Adalaize Vicomteſſe d’Avi- gnon, Adalete Dame d’Ongle‘ Hermyffende Dame de Poſquieres, Bertrane Dame d’Urgon, Mabille Dame d’Yeres, La comteſſe de Dye, Riſtangue Dame de Pierrefeu, Bertrane Dame de Signe, Jeuſ- ſerande de Clauſtral. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0396" n="378"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Man ſollte den alten Geckorden</hi></fw><lb/> Urtheil geſchickt wurden, laſſen wenigſtens vermuthen, daß<lb/> man ſich auf eine uͤberaus ſinnreiche und angenehme Art ver-<lb/> gnuͤget habe; wie man denn auch ſagen muß, daß die wahre<lb/> Galanterie oder der Adel zaͤrtlicher Empfindungen, welche<lb/> unſre Vorfahren im dreyzehnten Jahrhundert beſeelte, mit<lb/> unter die Vorbilder gehoͤrte, nach welchen ſich Petrarch bildete.<lb/> Man kan die Zaͤrtlichkeit nicht hoͤher und kraͤftiger ausdruͤcken,<lb/> wie es die damaligen Dichter thaten; und das Kolorit iſt noch<lb/> ſo bezaubernd, ihre Sprache hat einen ſolchen Silberton, daß<lb/> man noch nach fuͤnfhundert Jahren davon entzuͤcket wird.<lb/> Zum Beyſpiel will ich nur eine einzige Strophe aus einem<lb/> Gedichte des boͤhmiſchen Koͤnigs Wenzel anfuͤhren:<lb/><cit><quote><hi rendition="#aq">Recht alſam eine Roſe diu ſich us ir Kloſen lat,<lb/> Wenne ſi des ſueſſen Touwes gert,<lb/> Sus bot ſi mir Zuker ſueſſen roten Mund.<lb/> Swas ie kein Mann zer Werlte Wunne enphangen<lb/><hi rendition="#et">hat,</hi><lb/> Das iſt ein wiht ich was gewehrt<lb/> So helfeberndes Troſtes. Ach der lieben Stund<lb/> Kein Mout es nimmer me durchdenket noch vol<lb/><hi rendition="#et">ſaget</hi></hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">Was</hi></fw><lb/><note xml:id="seg2pn_8_2" prev="#seg2pn_8_1" place="foot" n="a)"><hi rendition="#aq">determination d’icelle queſtion. Les dames qui<lb/> preſidoient à la cour d’amour de ce tems eſtoient<lb/> celle-cis. Stephanette Dame des Baulx, fille du<lb/> Comte de Provence, Adalaize Vicomteſſe d’Avi-<lb/> gnon, Adalete Dame d’Ongle‘ Hermyffende Dame<lb/> de Poſquieres, Bertrane Dame d’Urgon, Mabille<lb/> Dame d’Yeres, La comteſſe de Dye, Riſtangue<lb/> Dame de Pierrefeu, Bertrane Dame de Signe, Jeuſ-<lb/> ſerande de Clauſtral.</hi></note><lb/></quote></cit></p> </div> </body> </text> </TEI> [378/0396]
Man ſollte den alten Geckorden
Urtheil geſchickt wurden, laſſen wenigſtens vermuthen, daß
man ſich auf eine uͤberaus ſinnreiche und angenehme Art ver-
gnuͤget habe; wie man denn auch ſagen muß, daß die wahre
Galanterie oder der Adel zaͤrtlicher Empfindungen, welche
unſre Vorfahren im dreyzehnten Jahrhundert beſeelte, mit
unter die Vorbilder gehoͤrte, nach welchen ſich Petrarch bildete.
Man kan die Zaͤrtlichkeit nicht hoͤher und kraͤftiger ausdruͤcken,
wie es die damaligen Dichter thaten; und das Kolorit iſt noch
ſo bezaubernd, ihre Sprache hat einen ſolchen Silberton, daß
man noch nach fuͤnfhundert Jahren davon entzuͤcket wird.
Zum Beyſpiel will ich nur eine einzige Strophe aus einem
Gedichte des boͤhmiſchen Koͤnigs Wenzel anfuͤhren:
Recht alſam eine Roſe diu ſich us ir Kloſen lat,
Wenne ſi des ſueſſen Touwes gert,
Sus bot ſi mir Zuker ſueſſen roten Mund.
Swas ie kein Mann zer Werlte Wunne enphangen
hat,
Das iſt ein wiht ich was gewehrt
So helfeberndes Troſtes. Ach der lieben Stund
Kein Mout es nimmer me durchdenket noch vol
ſaget
Was
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a) determination d’icelle queſtion. Les dames qui
preſidoient à la cour d’amour de ce tems eſtoient
celle-cis. Stephanette Dame des Baulx, fille du
Comte de Provence, Adalaize Vicomteſſe d’Avi-
gnon, Adalete Dame d’Ongle‘ Hermyffende Dame
de Poſquieres, Bertrane Dame d’Urgon, Mabille
Dame d’Yeres, La comteſſe de Dye, Riſtangue
Dame de Pierrefeu, Bertrane Dame de Signe, Jeuſ-
ſerande de Clauſtral.
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Zitationshilfe: | Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/396>, abgerufen am 23.07.2024. |