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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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und Verordnungen, ist der gemeinen etc.

Ich verlange nicht, daß man dieses auf alle Zweige der
Staatsverfassung anwenden solle. Es sind einige und haupt-
sächlich die äußerlichen Formalitäten des gerichtlichen Pro-
cesses, der Testamente und Vormundschaften, welche sich
mit allgemeinen Gesetzen und Regeln zu einer nothwendigen
und glücklichen Einformigkeit bringen lassen, so daß man
aus dem Standort eines Generaljustitzdepartements ihre
Richtigkeit und Unrichtigkeit zuverläßig übersehen kan; so
weit ist auch der Großcanzlar von Coccejus gekommen. Es
giebt auch in der Staatsökonomie eine Einförmigkeit der
Formen, der Tabellen, der Vorstellungen und andrer äußer-
lichen Umstände, welche die höheste Einsicht erleichtert; und
vielleicht ließen sich auch wesentliche Theile der Policey als
Maaßen und Münzen zu einer Gleichförmigkeit bringen, so
groß und so mannigfaltig auch die Schwürigkeiten sind, wel-
che hier dem Auge des theoretischen Projectenmachers ent-
wischen, und den Mann der in großen Staaten Hand an-
legt, verwirren. Allein allgemeine Policeyordnungen, all-
gemeine Forstordnungen, allgemeine Gesetze über Handel
und Wandel, über Acker- und Wiesenbau und über andre
Theile der Staats- und Landeswirthschaft, wenn sie nicht
bloß theoretische Lehrbücher, sondern wahre in jedem Falle

zu
S. 94. in der Vorrede antwortet ihm: Quoi les tyrans
aiment les loix simples! ils en font l'arme du de-
spotisme! et le soutien de l'oppression! autant vau-
droit avancer, que ces animaux que la nature a con-
damnes a vivre dans la nuit du terrier ne recher-
chent rien avac tant d'ardeur que la lumiere du
jour. Je suis surpris que le livre de Mr. de M., si
estimable d'ailleurs, contienne tant de prejuges de
sophismes et d'erreurs.
Wer sollte hier nicht erschre-
cktn! und kan man eine gröbere Unwissenheit verrathen!
Mösers patr. Phantas. II. Th. B
und Verordnungen, iſt der gemeinen ꝛc.

Ich verlange nicht, daß man dieſes auf alle Zweige der
Staatsverfaſſung anwenden ſolle. Es ſind einige und haupt-
ſaͤchlich die aͤußerlichen Formalitaͤten des gerichtlichen Pro-
ceſſes, der Teſtamente und Vormundſchaften, welche ſich
mit allgemeinen Geſetzen und Regeln zu einer nothwendigen
und gluͤcklichen Einformigkeit bringen laſſen, ſo daß man
aus dem Standort eines Generaljuſtitzdepartements ihre
Richtigkeit und Unrichtigkeit zuverlaͤßig uͤberſehen kan; ſo
weit iſt auch der Großcanzlar von Coccejus gekommen. Es
giebt auch in der Staatsoͤkonomie eine Einfoͤrmigkeit der
Formen, der Tabellen, der Vorſtellungen und andrer aͤußer-
lichen Umſtaͤnde, welche die hoͤheſte Einſicht erleichtert; und
vielleicht ließen ſich auch weſentliche Theile der Policey als
Maaßen und Muͤnzen zu einer Gleichfoͤrmigkeit bringen, ſo
groß und ſo mannigfaltig auch die Schwuͤrigkeiten ſind, wel-
che hier dem Auge des theoretiſchen Projectenmachers ent-
wiſchen, und den Mann der in großen Staaten Hand an-
legt, verwirren. Allein allgemeine Policeyordnungen, all-
gemeine Forſtordnungen, allgemeine Geſetze uͤber Handel
und Wandel, uͤber Acker- und Wieſenbau und uͤber andre
Theile der Staats- und Landeswirthſchaft, wenn ſie nicht
bloß theoretiſche Lehrbuͤcher, ſondern wahre in jedem Falle

zu
S. 94. in der Vorrede antwortet ihm: Quoi les tyrans
aiment les loix ſimples! ils en font l’arme du de-
ſpotiſme! et le ſoutien de l’oppreſſion! autant vau-
droit avancer, que ces animaux que la nature a con-
damnés à vivre dans la nuit du terrier ne recher-
chent rien avac tant d’ardeur que la lumiere du
jour. Je ſuis ſurpris que le livre de Mr. de M., ſi
eſtimable d’ailleurs, contienne tant de prejugés de
ſophiſmes et d’erreurs.
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cktn! und kan man eine groͤbere Unwiſſenheit verrathen!
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[17/0035] und Verordnungen, iſt der gemeinen ꝛc. Ich verlange nicht, daß man dieſes auf alle Zweige der Staatsverfaſſung anwenden ſolle. Es ſind einige und haupt- ſaͤchlich die aͤußerlichen Formalitaͤten des gerichtlichen Pro- ceſſes, der Teſtamente und Vormundſchaften, welche ſich mit allgemeinen Geſetzen und Regeln zu einer nothwendigen und gluͤcklichen Einformigkeit bringen laſſen, ſo daß man aus dem Standort eines Generaljuſtitzdepartements ihre Richtigkeit und Unrichtigkeit zuverlaͤßig uͤberſehen kan; ſo weit iſt auch der Großcanzlar von Coccejus gekommen. Es giebt auch in der Staatsoͤkonomie eine Einfoͤrmigkeit der Formen, der Tabellen, der Vorſtellungen und andrer aͤußer- lichen Umſtaͤnde, welche die hoͤheſte Einſicht erleichtert; und vielleicht ließen ſich auch weſentliche Theile der Policey als Maaßen und Muͤnzen zu einer Gleichfoͤrmigkeit bringen, ſo groß und ſo mannigfaltig auch die Schwuͤrigkeiten ſind, wel- che hier dem Auge des theoretiſchen Projectenmachers ent- wiſchen, und den Mann der in großen Staaten Hand an- legt, verwirren. Allein allgemeine Policeyordnungen, all- gemeine Forſtordnungen, allgemeine Geſetze uͤber Handel und Wandel, uͤber Acker- und Wieſenbau und uͤber andre Theile der Staats- und Landeswirthſchaft, wenn ſie nicht bloß theoretiſche Lehrbuͤcher, ſondern wahre in jedem Falle zu *) *) S. 94. in der Vorrede antwortet ihm: Quoi les tyrans aiment les loix ſimples! ils en font l’arme du de- ſpotiſme! et le ſoutien de l’oppreſſion! autant vau- droit avancer, que ces animaux que la nature a con- damnés à vivre dans la nuit du terrier ne recher- chent rien avac tant d’ardeur que la lumiere du jour. Je ſuis ſurpris que le livre de Mr. de M., ſi eſtimable d’ailleurs, contienne tant de prejugés de ſophiſmes et d’erreurs. Wer ſollte hier nicht erſchre- cktn! und kan man eine groͤbere Unwiſſenheit verrathen! Möſers patr. Phantaſ. II. Th. B

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/35>, abgerufen am 29.03.2024.