Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite


II.
Der jetzige Hang zu allgemeinen Gesetzen
und Verordnungen, ist der gemeinen
Freyheit gefährlich.

Die Herrn beym Generaldepartement mögten gern alles,
wie es scheinet, einfache Grundsätze zurückgeführet
sehen. Wenn es nach ihrem Wunsche gienge, so sollte der
Staat sich nach einer akademischen Theorie regieren lassen, und
jeder Departementsrath im Stande seyn, nach einem allge-
meinen Plan den Localbeamten ihre Ausrichtungen vorschrei-
ben zu können. Sie wollten wohl alles mit gedruckten Ver-
ordnungen fassen, und nachdem Voltaire es einmal lächerlich
gefunden hat, daß jemand seinen Proceß nach den Rechten
eines Dorfs verlohr, den er nach der Sitte eines nahe da-
bey liegenden gewonnen haben würde, keine andere als all-
gemeine Gesetzbücher dulden; vermuthlich, um sich die Re-
gierungskunst so viel bequemer zu machen, und doch die ein-
zige Triebfeder der ganzen Staatsmaschine zu seyn.

Nun finde ich zwar diesen Wunsch für die Eitelkeit und
Bequemlichkeit dieser Herrn so unrecht nicht, und unser
Jahrhundert, das mit lauter allgemeinen Gesetzbüchern
schwanger geht, arbeitet ihren Hofnungen so ziemlich ent-
gegen. In der That aber entfernen wir uns dadurch von
dem wahren Plan der Natur, die ihren Reichthum in der
Mannigfaltigkeit zeigt; und bahnen den Weg zum Despo-
tismus, der alles nach wenigen Regeln zwingen will, und
darüber den Reichthum der Mannigfaltigkeit verlieret. An
den griechischen Künstlern lobt man es, daß sie ihre Werke

nach


II.
Der jetzige Hang zu allgemeinen Geſetzen
und Verordnungen, iſt der gemeinen
Freyheit gefaͤhrlich.

Die Herrn beym Generaldepartement moͤgten gern alles,
wie es ſcheinet, einfache Grundſaͤtze zuruͤckgefuͤhret
ſehen. Wenn es nach ihrem Wunſche gienge, ſo ſollte der
Staat ſich nach einer akademiſchen Theorie regieren laſſen, und
jeder Departementsrath im Stande ſeyn, nach einem allge-
meinen Plan den Localbeamten ihre Ausrichtungen vorſchrei-
ben zu koͤnnen. Sie wollten wohl alles mit gedruckten Ver-
ordnungen faſſen, und nachdem Voltaire es einmal laͤcherlich
gefunden hat, daß jemand ſeinen Proceß nach den Rechten
eines Dorfs verlohr, den er nach der Sitte eines nahe da-
bey liegenden gewonnen haben wuͤrde, keine andere als all-
gemeine Geſetzbuͤcher dulden; vermuthlich, um ſich die Re-
gierungskunſt ſo viel bequemer zu machen, und doch die ein-
zige Triebfeder der ganzen Staatsmaſchine zu ſeyn.

Nun finde ich zwar dieſen Wunſch fuͤr die Eitelkeit und
Bequemlichkeit dieſer Herrn ſo unrecht nicht, und unſer
Jahrhundert, das mit lauter allgemeinen Geſetzbuͤchern
ſchwanger geht, arbeitet ihren Hofnungen ſo ziemlich ent-
gegen. In der That aber entfernen wir uns dadurch von
dem wahren Plan der Natur, die ihren Reichthum in der
Mannigfaltigkeit zeigt; und bahnen den Weg zum Deſpo-
tiſmus, der alles nach wenigen Regeln zwingen will, und
daruͤber den Reichthum der Mannigfaltigkeit verlieret. An
den griechiſchen Kuͤnſtlern lobt man es, daß ſie ihre Werke

nach
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0033" n="15"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi><lb/>
Der jetzige Hang zu allgemeinen Ge&#x017F;etzen<lb/>
und Verordnungen, i&#x017F;t der gemeinen<lb/>
Freyheit gefa&#x0364;hrlich.</hi> </head><lb/>
        <p>Die Herrn beym Generaldepartement mo&#x0364;gten gern alles,<lb/>
wie es &#x017F;cheinet, einfache Grund&#x017F;a&#x0364;tze zuru&#x0364;ckgefu&#x0364;hret<lb/>
&#x017F;ehen. Wenn es nach ihrem Wun&#x017F;che gienge, &#x017F;o &#x017F;ollte der<lb/>
Staat &#x017F;ich nach einer akademi&#x017F;chen Theorie regieren la&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
jeder Departementsrath im Stande &#x017F;eyn, nach einem allge-<lb/>
meinen Plan den Localbeamten ihre Ausrichtungen vor&#x017F;chrei-<lb/>
ben zu ko&#x0364;nnen. Sie wollten wohl alles mit gedruckten Ver-<lb/>
ordnungen fa&#x017F;&#x017F;en, und nachdem Voltaire es einmal la&#x0364;cherlich<lb/>
gefunden hat, daß jemand &#x017F;einen Proceß nach den Rechten<lb/>
eines Dorfs verlohr, den er nach der Sitte eines nahe da-<lb/>
bey liegenden gewonnen haben wu&#x0364;rde, keine andere als all-<lb/>
gemeine Ge&#x017F;etzbu&#x0364;cher dulden; vermuthlich, um &#x017F;ich die Re-<lb/>
gierungskun&#x017F;t &#x017F;o viel bequemer zu machen, und doch die ein-<lb/>
zige Triebfeder der ganzen Staatsma&#x017F;chine zu &#x017F;eyn.</p><lb/>
        <p>Nun finde ich zwar die&#x017F;en Wun&#x017F;ch fu&#x0364;r die Eitelkeit und<lb/>
Bequemlichkeit die&#x017F;er Herrn &#x017F;o unrecht nicht, und un&#x017F;er<lb/>
Jahrhundert, das mit lauter allgemeinen Ge&#x017F;etzbu&#x0364;chern<lb/>
&#x017F;chwanger geht, arbeitet ihren Hofnungen &#x017F;o ziemlich ent-<lb/>
gegen. In der That aber entfernen wir uns dadurch von<lb/>
dem wahren Plan der Natur, die ihren Reichthum in der<lb/>
Mannigfaltigkeit zeigt; und bahnen den Weg zum De&#x017F;po-<lb/>
ti&#x017F;mus, der alles nach wenigen Regeln zwingen will, und<lb/>
daru&#x0364;ber den Reichthum der Mannigfaltigkeit verlieret. An<lb/>
den griechi&#x017F;chen Ku&#x0364;n&#x017F;tlern lobt man es, daß &#x017F;ie ihre Werke<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nach</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0033] II. Der jetzige Hang zu allgemeinen Geſetzen und Verordnungen, iſt der gemeinen Freyheit gefaͤhrlich. Die Herrn beym Generaldepartement moͤgten gern alles, wie es ſcheinet, einfache Grundſaͤtze zuruͤckgefuͤhret ſehen. Wenn es nach ihrem Wunſche gienge, ſo ſollte der Staat ſich nach einer akademiſchen Theorie regieren laſſen, und jeder Departementsrath im Stande ſeyn, nach einem allge- meinen Plan den Localbeamten ihre Ausrichtungen vorſchrei- ben zu koͤnnen. Sie wollten wohl alles mit gedruckten Ver- ordnungen faſſen, und nachdem Voltaire es einmal laͤcherlich gefunden hat, daß jemand ſeinen Proceß nach den Rechten eines Dorfs verlohr, den er nach der Sitte eines nahe da- bey liegenden gewonnen haben wuͤrde, keine andere als all- gemeine Geſetzbuͤcher dulden; vermuthlich, um ſich die Re- gierungskunſt ſo viel bequemer zu machen, und doch die ein- zige Triebfeder der ganzen Staatsmaſchine zu ſeyn. Nun finde ich zwar dieſen Wunſch fuͤr die Eitelkeit und Bequemlichkeit dieſer Herrn ſo unrecht nicht, und unſer Jahrhundert, das mit lauter allgemeinen Geſetzbuͤchern ſchwanger geht, arbeitet ihren Hofnungen ſo ziemlich ent- gegen. In der That aber entfernen wir uns dadurch von dem wahren Plan der Natur, die ihren Reichthum in der Mannigfaltigkeit zeigt; und bahnen den Weg zum Deſpo- tiſmus, der alles nach wenigen Regeln zwingen will, und daruͤber den Reichthum der Mannigfaltigkeit verlieret. An den griechiſchen Kuͤnſtlern lobt man es, daß ſie ihre Werke nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/33
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/33>, abgerufen am 16.04.2024.